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Die Gemeinde setzt auf leuchtende Pädagogik und Smileys statt auf Blitzer und knallharte Bußgelder – An der Jahnhöhe wirkt das offenbar, im Ortskern dagegen nicht

Von Tobias Zell 

Zwar gibt es auch in Hettenshausen immer wieder Beschwerden über Raser. Doch der Gemeinderat hatte vor knapp zwei Jahren beschlossen, pädagogisch statt strafend gegen den Bleifuß vorzugehen. Mit 9:5 Stimmen votierte das Gremium im September 2014 gegen den Vorschlag, dem „Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung Südbayern“ beizutreten. Radar-Kontrollen von gemeindlicher Seite sind damit erst einmal vom Tisch. 

Stattdessen verfolgt man in der 2100-Einwohner-Kommune die Marschroute, den Rasern sozusagen den Spiegel vorzuhalten. Und zwar in Form von beleuchteten Tafeln, die den Verkehrsteilnehmern ihre Geschwindigkeit anzeigen sowie den jeweiligen Wert mit einem lachenden oder traurigen Smiley kommentieren. Drei dieser Anzeige-Tafeln sind im Gemeindegebiet aktuell im Einsatz – die Anschaffung von zwei weiteren wurde politisch bereits abgesegnet. Momentan werden die Angebote eingeholt, hieß es auf Anfrage unserer Zeitung aus dem Rathaus.

 

Mit insgesamt fünf solchen Tafeln will man also künftig in Hettenshausen für Einsicht und Vernunft bei Verkehrsteilnehmern sorgen. Eines dieser Geräte soll nach den Worten von Bürgermeister Hans Wojta (UWG) dauerhaft an der Jahnhöhe stehen bleiben – damit reagiere man auf immer wieder aufkommende Beschwerden von Anwohnern. Dazu muss man wissen: An der Jahnhöhe galt zeitweise ein von der Gemeinde verfügtes Tempo-Limit von 30 km/h – doch das wurde von höherer Stelle gekippt, weil die Voraussetzungen dafür als nicht erfüllt angesehen wurden. 

Seither darf man an der Jahnhöhe wieder 50 km/h fahren. Und daran halten sich offensichtlich auch die meisten. Das geht zumindest aus einer Auswertung für den Zeitraum von 4. Mai bis 10. Juni unmissverständlich hervor. Denn die besagten Smiley-Tafeln zeigen das gefahrene Tempo nicht nur an, sondern sie zählen auch die Fahrzeuge und speichern deren Geschwindigkeit.

 

Auswertung für die Jahnhöhe im genannten Zeitraum.

Im genannten Zeitraum wurden an der Jahnhöhe – in Fahrtrichtung Hettenshausen – gut 29 000 Fahrzeuge von dem Gerät registriert. Unserer Zeitung liegt die detaillierte Auswertung der insgesamt rund 165 000 dokumentierten Messwerte vor. Demnach waren knapp 21 Prozent der Fahrzeuge zu schnell. Wobei es sich in den meisten Fällen nicht um eine Art der Tempo-Überschreitung handelte, die man wirklich als Rasen bezeichnet. Denn etwa 19 Prozent fuhren zwischen 51 und 60 km/h. Bei dieser Geschwindigkeit würde es also nicht einmal blitzen.

Unterm Strich kann man festhalten: 98 Prozent aller Fahrzeuge, die im genannten Zeitraum zwischen Pfaffenhofen und Hettenshausen unterwegs waren, passierten die Jahnhöhe nicht schneller als mit 60 km/h – bei erlaubten 50. Das mag freilich auch als positive Auswirkung der Smiley-Schilder interpretiert werden. Anwohner hätten ihm berichtet, dass das Anzeige-Gerät die Situation durchaus verbessert habe, sagt Rathauschef Wojta. „Man sieht, dass es offenbar wirkt.“

Das deckt sich auch mit den grundsätzlichen Erkenntnissen der Pfaffenhofener Polizei. Die Jahnhöhe sei kein Schwerpunkt in Sachen Raserei, erklärt ein Sprecher der Inspektion auf Anfrage. Auch ein Unfallschwerpunkt liege hier nicht vor. Die Auswertung der Kommune zeigt: Nur rund zwei Prozent der gemessenen Werte lagen zwischen 61 und 70 km/h. Es gibt allerdings auch einige wenige Fälle von echter Raserei. Die fallen zwar prozentual gesehen nicht ins Gewicht, sind aber trotzdem bedenklich. 36 gemessene Werte rangierten zwischen 81 und 90 Stundenkilometern, drei Mal betrug die Geschwindigkeit sogar mehr als 90 km/h. 

Ein ganz anderes Bild zeigt sich dagegen in der Ortsmitte von Hettenshausen, wo auf der Hauptstraße – von Ilmmünster her kommend – offensichtlich gerne und regelmäßig zu schnell gefahren wird. Eine Auswertung aller zwischen 11. August 2015 und 28. März 2016 erfassten Geschwindigkeits-Werte für diesen Bereich, in dem „Tempo 30“ gilt, offenbart: Gerade einmal rund 14 Prozent der Verkehrsteilnehmer hielten sich hier an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. 86 von 100 Fahrzeugen waren also hier zu schnell dran.

 

Fast alle zu schnell: Auswertung für die "Zone 30" in der Ortsmitte.

Oder detaillierter gesagt: Gut 39 Prozent der registrierten Fahrzeuge waren mit Geschwindigkeiten zwischen 30 und 40 km/h unterwegs, mehr als 37 Prozent brachten es auf 40 bis 50 km/h und fast jeder Zehnte rauschte sogar schneller als mit 50 Sachen durch diese 30er-Zone. 

Nach der Anschaffung der beiden zusätzlichen Geräte will die Gemeinde Hettenshausen künftig an fünf Stellen den motorisierten Verkehrsteilnehmern in Sachen Geschwindigkeit den Spiegel vorhalten. Eines soll, wie gesagt, dauerhaft im Bereich der Jahnhöhe stehen. Ein zweites soll laut Wojta – auch auf Wunsch der dortigen Bürger – in den Ortsteil Entrischenbrunn. Die drei übrigen Tafeln will die Kommune an immer wieder wechselnden Standorten platzieren.

 

Wer von Ilmmünster her nach Hettenshausen einfährt, ist offensichtlich gerne mal zu schnell dran.

Damit setzt die Gemeinde auch weiterhin auf leuchtende Pädagogik statt auf knallharte Bußgelder. Im September 2014 hatte der Gemeinderat nach kontroverser Debatte beschlossen, dass keine kommunale Verkehrsüberwachung in Form von „Blitzern“ eingeführt werden soll. Mit 5:9 Stimmen wurde der Vorschlag abgelehnt, dem „Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung Südbayern“ beizutreten. 

Wojta hatte sich damals klar für kommunales Blitzen ausgesprochen, blitzte aber bei der Mehrheit des Gremiums ab. Der Rathauschef hatte auf zahlreiche Beschwerden, unter anderem von Bewohnern der Jahnhöhe, verwiesen. Aber nicht nur dort. „Es gibt genügend Stellen, wo es meiner Meinung nach angebracht wäre, zu kontrollieren“, befand Wojta. Die Polizei könne das nicht leisten, warb er zumindest für den probeweisen Beitritt zu dem Zweckverband. Seine Meinung: Wenn es schon Tempolimits gebe, dann müsse man deren Einhaltung auch kontrollieren.

 

Insgesamt fünf solcher Geschwindigkeits-Anzeigetafeln hat die Gemeinde künftig im Einsatz (Archivfoto).

Doch die Mehrheit sah das nicht so und wollte lieber auf den pädagogischen Effekt der Tafeln setzen, die den Autofahrern in leuchtenden Ziffern ihre Geschwindigkeit vor Augen führen – garniert mit einem lachenden oder traurigen Gesicht. Bereits damals waren Stimmen lautgeworden, lieber noch weitere „Smiley“-Tafeln anzuschaffen und an kritischen Stellen aufzustellen. Von dieser Maßnahme versprach sich die Mehrheit des Ratsgremiums jedenfalls einen größeren erzieherischen Effekt als von Bußgeldbescheiden.  

Dass eine solche Anzeige-Tafel um die 3000 Euro kostet, wohingegen sich das Blitzen praktisch selbst finanzieren würde, das konnte die Mehrheit des Gemeinderats damals nicht überzeugen. Wer also zu schnell durch Hettenshausen fährt, der kriegt ein trauriges Smiley-Gesicht zu sehen, aber eher kein Bußgeld – außer, er wird freilich von der Polizei selbst geblitzt. Denn die kontrolliert sehr wohl immer wieder in Hettenshausen.


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