Die gestrige Razzia bei Audi vor den Augen der Weltpresse war für das Image des Premiumherstellers fatal
Von Michael Schmatloch
Für Audi und VW war gestern ein rabenschwarzer Tag. Eine Razzia in der Vorstands-Etage und anderen Geschäftsräumen in der Audi-Firmenzentrale ausgerechnet an dem Tag, als die Weltpresse sich in Ingolstadt versammelt hatte zur jährlichen Bilanzpressekonferenz und die Veranstaltung live weltweit übertragen wurde. Eine Katastrophe für den ohnehin schon gebeutelten Konzern. Schließlich sollte die Bilanzpressekonferenz Audi nicht zuletzt dazu dienen, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass man bei der Aufklärung des Diesel-Skandals auf einem guten Weg sei und mit den Behörden in vollem Umfang zusammenarbeite. Und dann das.
War das Absicht, mangelndes „Feingefühl“ oder nur schlechte Recherche der Münchner Staatsanwaltschaft. Für Ken Heidenreich, Sprecher der Staatsanwaltschaft, war es reiner Zufall, eine „unglückliche Terminkollision“, wie er sagte. Die Staatsanwaltschaft habe erst von der Bilanzpressekonferenz erfahren, als es bereits zu spät gewesen sei, sie noch abzuwenden. Schließlich waren Staatsanwälte und Beamte der Landeskriminalämter Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen gleichzeitig im Einsatz, um die Firmensitze von Audi in Ingolstadt und Neckarsulm sowie einige Privatwohnungen zeitgleich zu durchsuchen. Ein logistischer Kraftakt. Erst am Montag habe man von der Bilanzpressekonferenz erfahren. Da aber sei es zu spät gewesen, um noch zu reagieren. Absicht habe auf jeden Fall nie dahintergesteckt.
Immerhin hatte die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung um eine Stunde vorverlegt, von acht auf sieben Uhr. Was für Audi kaum eine Hilfe war. Denn in den Mittagsstunden waren die Beamten immer noch vor Ort, die Fotografen und Kamerateams auf der Jagd nach Bildern nicht von der Pressekonferenz, sondern von den dezenten Autos mit den Kennzeichen „M-ST“, München, Staatsanwaltschaft.
Auslöser der Razzia soll übrigens VW selbst gewesen sein. Mit „Tatsachendarstellung, in der VW selbst die eigene Tochter belastet“, wie es die Süddeutsche Zeitung formuliert. Und die Hinweise sollen von den amerikanischen Kollegen stammen und eben einen Anfangsverdacht erhärten, der so eine drastische Maßnahme erlaube. Unter anderem geht es um die Frage, ob die Schummelsoftware in Ingolstadt entwickelt wurde. Was den Razzia-Termin wiederum noch absurder erscheinen lässt. Denn diese Vermutung steht seit Monaten im Raum, wurde auch hinreichend in den Medien kolportiert und hätte der Staatsanwaltschaft längst bekannt sein müssen.
Absicht oder nicht. Diese Razzia wird ihre Wirkung nicht verfehlen. Und das unabhängig davon, ob die Beamten nun belastendes Material gegen Audi gefunden haben oder nicht. Denn die weltweite negative Wirkung ist kaum abschätzbar. Schließlich machte die Durchsuchungsaktion die Bemühungen von Audi-Chef Rupert Stadler, die Diesel-Affäre und ihre Auswirkungen auf Audi zu relativieren, geradezu lächerlich. Während er davon sprach, dass der Konzern im vollem Umfang mit den Behörden zusammenarbeitet, um den Skandal aufzuklären, gingen die Bilder und Meldungen von der Razzia um die Welt.
Nach Zusammenarbeit sah das nicht aus. Der Imageschaden für Audi ist nach dieser Aktion wohl kaum absehbar. Und ob der wiederum zu sinkenden Absatzzahlen und in Folge vielleicht sogar mit dem Abbau von Arbeitsplätzen einhergeht, wird sich zeigen. Denn an diesem Tag kam alles zusammen, was Audi nicht braucht: Razzia, Gewinneinbruch im Jahr 2016, ein kriselnder Markt in China und dann auch noch für 2017 ein weltweiter Absatzrückgang. Den zweiten Monat in Folge.