Interview mit Herbert Grönemeyer: Bei seinem Besuch in Pfaffenhofen sprach er über die Bedeutung von Musik, das Älterwerden, Mitmenschlichkeit und Integration.
(ty) Im Namen der "Musik Bewegt"-Stiftung war kein geringerer als Herbert Grönemeyer nach Pfaffenhofen gekommen, um dem Intakt-Musikinstitut um Michael Herrmann einen Förderpreis für Mitsing-Konzerte in Seniorenheimen zu verleihen (hier lesen Sie mehr dazu). Christian Köpf führte ein Interview mit dem prominenten Gast.
Herr Grönemeyer, Sie sind Gesellschafter der Stiftung „Musik Bewegt“. Wo liegt Ihre persönliche Motivation, sich mit Ihrem Namen für diese Stiftung und ihre Förderprojekte zu engagieren?
Herbert Grönemeyer: Ich glaube einfach, dass Künstler zum einen viel Aufmerksamkeit erzielen können, aber nur selten was gemeinsam machen. Gleichzeitig geht es uns darum, diese Vielfalt zu zeigen: Was gibt es alles an freiwilliger Arbeit, was leisten die vielen Ehrenamtlichen, in Deutschland und überall auf der Welt, um andere Leute zu unterstützen, ihnen zu helfen? Wir fördern derzeit an die 70 Projekte und versuchen dabei Künstler zusammenzubringen, ohne dass die das dann nutzen, selbst ins Rampenlicht zu treten und Promotion für ihre Person zu machen, sondern dass sie sich einsetzen für Dinge, die ihnen persönlich am Herzen liegen, die ihnen wichtig sind. ,Musik Bewegt’ wagt diesen Versuch, und es ist noch eine zarte Pflanze, die da wächst. Wir gehen auch ganz behutsam und mit Respekt den Künstlern gegenüber vor, die sonst ja nur immer gewohnt sind, vor irgendeinen Karren gespannt zu werden. Vielmehr fragen wir sie selber, was sie wesentlich finden. Welche Dinge haltet ihr für unterstützenswert? Dabei geht es nicht immer nur darum, Spenden zu sammeln, sondern auch über diese Künstler Aufmerksamkeit zu erzeugen, dass sich deren Fans beispielsweise darüber informieren, was gibt es alles, für das es wert ist, sich einzusetzen, und dass sie vielleicht auch inspiriert werden, selbst etwas zu machen.
Warum halten Sie gerade das Projekt „Volxgesang“ des Pfaffenhofener Intakt-Musikinstituts für förderungswürdig und womit haben insbesondere die Mitsingkonzerte in Seniorenheimen diese Auszeichnung verdient?
Grönemeyer: Naja, man hat sich bei uns beworben, dann haben wir uns eingehend über das Projekt informiert – und das klang alles sehr bestechend. Dass diese Musiker eben ohne jeglichen Eigennutz an ältere Leute herantreten, ihnen eine schönen Abend bereiten, der sie belebt, der in ihnen Erinnerungen auslöst, und der auch ein Gemeinschaftsgefühl auslöst, indem sie schlicht zusammensitzen und singen. Und spätestens was wir heute hier erlebt haben, hat dies auch bestätigt, mit welcher Sorgfalt und Fürsorge und Liebe die Protagonisten dieser Initiative sich den Senioren zuwenden. Das, fanden wir, passt gut zu ,Musik Bewegt’. Weil wir eben glauben, dass Musik gerade für diese Mitmenschen, die zum Teil ja sehr in der Vergangenheit, in der Erinnerung leben und manchmal auch Schwierigkeiten haben, sich zu erinnern, ein ganz wesentlicher Bestandteil sein kann, sich geborgen zu fühlen. In der Musik. Ich weiß das von meiner eigenen Mutter. Und dass es da jemanden gibt, der in Seniorenheime geht und dort Musik macht, das fanden wir einfach wunderbar. Das entspricht genau der Idee, die wir mit unserer Initiative vertreten.
Herbert Grönemeyer (2. v. l.) bei der Preisverleihung; rechts Intakt-Chef Michael Herrmann.
Ihrer eigenen Musik, ihrem ganzen Schaffen, so unterstelle ich jetzt mal, liegt seit jeher auch die Intention zugrunde, Menschen zu bewegen. Was bewegt Herbert Grönemeyer aktuell selbst, etwa beim Blick auf die gesellschaftliche Situation in Deutschland, auf die Weltlage – und was würde er gerne noch bewegen mit seiner Musik, mit seinem sozialen Engagement?
Grönemeyer: Ich sehe, dass die Welt momentan sehr nervös ist. Aber andererseits sehe ich sie auch mit meinem Optimismus. Ich denke, die Welt ist wie eine Familie. Wir gehören zusammen. Wir sind vielfältig, wir sind vielschichtig, aber gerade in der Gemeinsamkeit erleben wir auch uns selbst ganz anders. Das ist das Schöne daran, Menschen aus verschiedenen Kulturen kennen zu lernen. Ich glaube einfach, dass die Welt zusammenrückt, weil die Welt auch nur zu retten ist, wenn die Menschen endlich begreifen, dass sie das nur gemeinsam schaffen. Sonst wird’s ganz, ganz fatal. Das zu vermitteln, versuche ich auch mit meiner Musik. Ich bin dann manchmal selber verblüfft, wenn man Konzerte spielt, wie sehr die Menschen reagieren, wie sehr sie sich freuen, wie sehr sie beschwingt nach Hause gehen – und auch ich selber beschwingt nach Hause gehe. Der Glaube an diese Gemeinschaftsidee, das ist es, was ich auf dieser Welt vertrete. Etwa auch die Situation mit den Geflüchteten. Das ist zum Teil sicher sehr schwierig, das weiß ich aus eigener Erfahrung, ich kümmere mich in Berlin um eine Wohngemeinschaft für unbegleitete Geflüchtete. Aber gleichzeitig halte ich das Ganze auch für einen Glücksfall. Weil wir wieder mal daran erinnert werden: Was sind eigentlich unsere mitmenschlichen Kompetenzen, wo liegen die? Die muss man wieder hervorkitzeln. Weil sich viele von uns in so einer Komfortzone bewegen. Ich glaube, hier haben wir die Möglichkeit, mal wieder unsere mitmenschliche Wärme zu zeigen. Dass wir uns auch selbst das Gefühl geben, wir können helfen! Das machen viele Menschen sehr toll, doch das birgt natürlich auch immer Probleme. Aber generell ist das eine Perspektive: Wir rücken zusammen, weil wir ja sowieso zusammengehören.
Herr Grönemeyer, sie durften vor kurzem ihren 61. Geburtstag feiern. Und Ihre Konzerte sind längst so etwas wie Mitsingkonzerte. Wie lange dauert es noch, bis wir in Seniorenheimen Grönemeyer-Songs singen? Und, freuen Sie sich da drauf?
Grönemeyer: (Lacht laut auf) Das wär kein Problem! Von mir aus gerne! Das ist die Schönheit, wenn man Musik macht. Ich mach die auch viel nur für mich, spiel gerne für mich selber. Ein wenig auch mit Blick auf meine Eltern. Mein Vater (verstorben 2003; Anm. d. Red.) hat an Altersdemenz gelitten, meine 90-jährige Mutter ist ebenfalls an Alzheimer erkrankt. Jedenfalls hab ich mal gehört, dass Klavierspielen die linke und die rechte Seite unseres Gehirns über Kreuz sehr gut anspricht. Es tut mir einfach gut und ich werde hoffentlich so lange Musik machen dürfen, wie's nur irgendwie geht. Wenn meine Lieder mal im Seniorenheim gesungen werden oder ich später vielleicht sogar selber mal in meinem eigenen Heim singe: Kein Problem, auch gerne! Ich sehe es am besten an meiner Mutter: Sie lebt in ihrer eigenen Welt, spricht kaum noch, aber wenn ich mit ihr singe, lächelt sie, wippt im Takt – und das tut gut. Uns beiden! Musik bewegt, in jedem Alter. Sie kann auch sehr bewegend sein. Und gleichzeitig so vieles bewegen.
Ausführlicher Artikel zur Preisverleihung: Darum war Herbert Grönemeyer in Pfaffenhofen