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Nach ihrem Kirchenaustritt hat eine Frau aus Hettenshausen Post vom Pfarrer bekommen – er wirft ihr „schwere Verfehlung“ und Pflichtverstoß vor

Von Tobias Zell

Steffi K. (Name geändert) aus Hettenshausen war kürzlich im Rathaus, um dort ihren Austritt aus der katholischen Kirche in die Wege zu leiten. Bürokratisch gesehen keine große Sache, Kostenpunkt: 31 Euro. Die Angelegenheit wird weitergeleitet und man zahlt dann keine Kirchensteuer mehr. Die Gründe für den Kirchenaustritt spielen indes keine Rolle, das ist Privatsache.

Für die Frau war der Fall damit erledigt. Für die katholische Kirche jedoch nicht. Denn Steffi K. bekam am Samstag Post vom Pfarrverband Ilmmünster, dem die katholischen Pfarrgemeinden Reichertshausen, Ilmmünster und Hettenshausen angehören – unterzeichnet vom zuständigen Pfarrer. Und was der Geistliche da schreibt, ließ Steffi K. dann umso mehr stutzen, je weiter sie las.

Der Brief beginnt harmlos. Mit Bedauern habe er erfahren, „dass Sie vor der zuständigen zivilen Behörden Ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärte haben“, steht da, und: „Ihre Entscheidung ist mir keineswegs gleichgültig.“ Über die Gründe, die Steffi K. zu diesem Schritt bewogen haben, würde er gerne mit ihr sprechen, führt der Geistliche aus.

Im zweiten Absatz wird es dann theologischer: „Wer in der katholischen Kirche getauft oder in sie aufgenommen wurden, hat ja auf seine Weise Anteil an der Sendung des ganzen christlichen Volkes der Kirche und Welt. Katholische Christen genießen alle Grundrechte zur aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben, doch sind diese untrennbar mit der Erfüllung der Grundpflichten in der kirchlichen Gemeinschaft verbunden.“

"Dachte, der Leibhaftige klopft an die Tür"

„So weit, so gut“, sagt Steffi K. im Gespräch mit unserer Zeitung. „Ich habe mir den Schritt zum Kirchenaustritt reiflich überlegt. Und es ist auch okay, wenn der Pfarrer Interesse zeigt und es dass ihm nicht egal ist, wenn jemand seine Kirchengemeinde verlässt.“ Doch der Brief geht ja noch weiter. „Und da dachte ich mir beim Lesen schon, der Leibhaftige klopft an die Tür.“

Denn da steht: „Die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung vor der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft. Wer vor der zuständigen Behörde seinen Kirchenaustritt erklärt, verstößt gegen die Pflicht, die Gemeinschaft der Kirche zu wahren“, proklamiert der Pfarrer und legt nach: „Das bedeutet nicht nur eine Ablehnung oder Verlassen  einer Organisation/eines Vereins, sondern auch Ablehnung Gottes, der die Kirche auf das Fundament der Apostel gegründet hat.“

Steffi K. geht das zu weit. „Es mag aus Sicht der Kirche bedauerlich sein, wenn ein Schäfchen die Gemeinschaft verlässt“, sagt sie. Aber eine schwere Verfehlung und einen Pflichtverstoß wolle sie sich dann doch nicht vorwerfen lassen. Schließlich sei die Religionsfreiheit ein Grund- und Menschenrecht. Und zur Religionsfreiheit gehöre eben auch die Freiheit von Religion, sprich: die Freiheit, keiner Religion oder keiner bestimmten Religion angehören zu müssen sowie das Recht, nicht an einen Gott zu glauben.

"Vielleicht die Tragweite nicht ermessen"

„Gerade weil ich davon ausgehe, dass ein Pfarrer die Grundrechte kennt, verwundert mich die Art und Weise seiner Ausführungen in dem Schreiben schon sehr“, sagt Steffi K., die im letzten Absatz des Briefes, der unserer Redaktion vorliegt, dann auch noch zu lesen bekommt: „Vielleicht haben Sie die Tragweite Ihrer Entscheidung nicht ermessen und möchten diesen Schritt rückgängig machen.“

Steffi K. findet das nahezu unverschämt. „Man darf schon davon ausgehen, dass man nicht mal eben, weil einem langweilig ist, ins Rathaus geht, um aus der Kirche auszutreten“, sagt sie. „Und ich weiß auch nicht, warum ich mich für diesen Schritt rechtfertigen muss und was da einer Klärung bedarf.“ Denn der Pfarrer schreibt: „Ich lade Sie ein, ein Gespräch zur Klärung mit mir oder einem anderen katholischen Seelsorger Ihrer Wahl zu führen.“

Die Adressatin glaubt indes nicht, dass sie auf das Angebot eingehen wird. „Wenn ich diesen Brief lese, dann muss ich ja angesichts der mir vorgeworfenen Verfehlungen befürchten, dass der Pfarrer mich sofort verflucht. Da kriegt man ja Angst vor einem Gespräch.“

An diesem Eindruck, den Steffi K. unmissverständlich gewonnen hat, wie sie mehrfach versichert, ändert dann selbst der wieder freundliche Abschluss des priesterlichen Schreibens nichts mehr. „Aber auch dann, wenn Sie nicht an eine Änderung Ihres Entschlusses denken, bin ich an einem Gespräch mit Ihnen interessiert und würde mich diesbezüglich über Ihre Rückmeldung freuen.“

Steffi K., die sich nach eigenen Worten für durchaus bibelfest hält, wird aller Wahrscheinlichkeit nach weder auf das Schreiben antworten noch auf das Gesprächs-Angebot eingehen. „Mit Vorwürfen und Verurteilungen gewinnt man bestimmt niemand zurück“, betont sie und hat für das Gespräch mit unserer Zeitung sogar ein Bibel-Zitat vorbereitet. Lukas-Evangelium, Kapitel 6, Vers 37: „Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammet nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben.“


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