Die EU dürfte sich nicht auf neue Deals mit der türkischen Regierung unter Erdoğan einlassen, so die FDP-Europa-Abgeordnete Nadja Hirsch gestern in Pfaffenhofen.
Von Alfred Raths
Ihre Position zur aktuellen EU-Politik, speziell zum Umgang mit der Türkei, hat Nadja Hirsch, FDP-Abgeordnete im Europäischen Parlament und Mitglied des gemischten Ausschusses EU-Türkei, im Pfaffenhofener Café Hofberg anlässlich eines Pressegespräches am gestrigen Nachmittag deutlich gemacht. Am Abend gab es dann einen Vortrag von ihr, in dem sie die Menschenrechte in der Türkei beleuchtet.
"Die EU darf sich nicht auf neue Deals mit der Regierung Erdoğans einlassen. Sein Drängen auf Visums-Freiheit und Erweiterung der Zoll-Union zeigt, dass auch Erdoğan politisch und wirtschaftlich auf die EU angewiesen ist", so Hirsch. Sie erwarte von EU-Kommissionspräsident Juncker und Ratspräsident Tusk eine klare Haltung bei den Gesprächen. "Deeskalation ja, Entgegenkommen nein."
Erdoğans Missbrauch von Anti-Terror-Maßnahmen zur Unterdrückung von Menschenrechten und Rechtsstaat sowie sein unverhältnismäßiges Vorgehen in Afrin mache neue Deals mit der EU bis auf weiteres unmöglich, befand die EU-Abgeordnete. Beim jüngsten EU-Krisengipfel in Bulgarien habe man sehen können, dass die vielen Agenda-Punkte dort noch länger stehen würden. Die Beitritts-Verhandlungen der Türkei zur EU seien nämlich eingefroren, weil es seit dem Putsch in 2016 zu keinen Verbesserungen komme.
Die Meinungs- und Pressefreiheit sei weiterhin eingeschränkt, Richter und Staatsbedienstete würden beurlaubt oder gar entlassen und obendrauf seien viele NGO-Angehörige oder etwa kurdische Bürgermeister inhaftiert. "Ein Punkt ist auch, dass sich das Justiz-System an sich noch verschlechtert hat", so Hirsch. Obgleich das türkische Verfassungsgericht bereits einige Klagen von Inhaftierten akzeptiert habe. "Wir sehen aber auch, dass die Justiz dort nicht mehr wirklich unabhängig ist und politisch gesteuert wird."
Ein EU-Beitritt kommt deshalb nach Ansicht von Hirsch im Moment nicht in Frage, obgleich formal die Türkei aber im EU-Beitrittsprozess sei und dafür auch Gelder bekomme. Medienberichten zufolge bezeichnete der türkische Präsident kurz vor seiner Abreise nach Bulgarien den EU-Beitritt als "strategisches Ziel". Er wolle die Fortsetzung der Beitrittsgespräche, sagte er. Unabhängig davon, so Hirsch, habe das Nato-Mitglied Türkei mit dem Einmarsch im syrischen Afrin deutlich eine Grenze überschritten – das sei nicht akzeptabel. Eine weitere große Baustelle bleibe überdies das Flüchtlings-Abkommen.