Ein Pressetermin in Oberstimm wurde heute begleitet von ein bisschen Randale sowie Emotionen und Kundgebungen.
(ty) Zu einem kleinen Tumult ist es am heutigen Vormittag bei einem Pressetermin gekommen, zu dem die Regierung von Oberbayern ins bayerische Transit-Zentrum Manching-Ingolstadt auf dem Areal der Max-Immelmann-Kaserne bei Oberstimm eingeladen hatte. Protestierende Schwarzafrikaner wollten den Medien-Vertretern auf deren Rundgang folgen und versuchten deshalb eine Zaun-Absperrung einzureißen. Vor dem Gelände gab es unter dem Motto "Abschiebelager abschaffen statt ausweiten" eine beim Pfaffenhofener Landratsamt angemeldete Demonstration, auf dem Gelände taten sich Flüchtlinge zu einer Kundgebung zusammen.
Bereits vor dem Zwischenfall an dem Bauzaun war es auf dem Weg innerhalb der Einrichtung zu einer spontanen Demonstration von geschätzt gut 50 Flüchtlingen – darunter etliche Frauen mit Kleinkindern – gekommen, die ebenso lautstark wie emotional und gestenreich forderten, ihr Essen selbst zubereiten zu dürfen sowie aus dem Transit-Zentrum in andere Unterkünfte verlegt zu werden. Einige sprachen auch von einer zu langen Aufenthaltsdauer, die sich mitunter über viele Monate bis zu Jahren hinziehe. Manche Asylbewerber verabschieden sich offenbar schon vorher, wie zu erfahren war, und tauchen sozusagen unter: Seit September 2015 haben das angeblich ungefähr 800 Menschen gemacht.
Als die Regierungsbeamten dann eine Station weitergingen, was sie jenseits der besagten Bauzaun-Absperrung führte, wollte ihnen eine Asylbewerber-Gruppe folgen, was jedoch Sicherheitsdienst-Mitarbeiter verhinderten. Daraufhin versuchten einige Schwarzafrikaner auf aggressive Weise, diese Sperre einzureißen – doch wegen der Gegenwehr der Security-Leute gelang ihnen dies nicht. Die Lage beruhigen konnte schließlich der Leiter des Transit-Zentrums. Die für die Journalisten organisierte Besichtigungstour verlief danach ohne weitere Zwischenfälle.
Auf Anfrage unserer Zeitung nahm Martin Nell, Pressesprecher der Regierung von Oberbayern, am Abend Stellung zu dem Geschehen an dem Zaun. Wörtlich teilte er mit: "Im Bayerischen Transitzentrum Manching/Ingolstadt (BayTMI) sind etwa 1100 Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive untergebracht (Stand Anfang Mai 2018). Vor diesem Hintergrund bewerten wir die Situation so, dass kein übermäßig hohes Aggressionspotential vorliegt. Insgesamt arbeitet die Regierung von Oberbayern stets dafür, die Sicherheit der Bewohner sowie die der Mitarbeiter zu gewährleisten. In Gesprächen mit den Bewohnern und in enger Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst und der Polizei versuchen wir deshalb, Auseinandersetzungen aufzuklären und für die Zukunft zu vermeiden. Auch bei dem von Ihnen beschriebenen Vorfall während des heutigen Sammeltermins hat sich die enge Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst bewährt: Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sowie der Regierung von Oberbayern konnten die Situation schnell beruhigen, ohne dass es zu nennenswerten Problemen gekommen wäre."
Spielzimmer.
Wie Regierungs-Vizepräsidentin Andrea Degl während der Führung erklärte, hatte man sich aufgrund zahlreicher Anfragen von Medien zu der heutigen Informations-Veranstaltung ("Sammeltermin") entschlossen. Gezeigt wurden den Journalisten dabei neben Spiel- und Kreativzimmern auch ein Wickelraum, ein Klassenzimmer, ein Bettenraum und die Kantine. Daniel Waidelich, Sachgebiets-Leiter von der Regierung, erläuterte ausführlich das Asyl-Procedere und ging auf oftmals geäußerte Kritikpunkte zu Ernährung und Schulbesuch ein. Es gebe etwa kleinkindgerechtes Essen, auf religiöse Aspekte werde Rücksicht genommen. Kantinen-Essen sei jedoch immer ein Kompromiss.
Kantine.
Dass sich die Asylbewerber ihre Speisen nicht – wie häufig von ihnen gewünscht – selbst zubereiten könnten, sei einerseits den Brandschutz-Vorschriften geschuldet, andererseits gebe es entsprechende gesetzliche Vorgaben wie das Sachleistungsprinzip. Schulunterricht gebe es sehr wohl, wenn auch nicht in Manching selbst, wo nur wenige schulpflichtige Kinder lebten. "Es gibt vier Übergangsklassen in Ingolstadt", außerdem zwei Sprach-Intensivklassen für berufsschul-pflichtige Asylbewerber. Waidelich stellte für den 1. Juni sogar drei Hebammen in Aussicht, die für das Transit-Zentrum tätig sein werden.
Kreativzimmer.
Gegenwärtig leben in dem Transit-Zentrum – das neben dem Kasernen-Gelände noch drei Standorte in Ingolstadt umfasst – laut offiziellen Angaben insgesamt rund 1100 Personen aus den Westbalkan-Staaten, der Ukraine, Afghanistan und Nigeria. Auf dem Areal der früheren Max-Immelmann-Kaserne in Manching-Oberstimm selbst seien es gut 410. Die Verfahren sollen dort durch die Bündelung von Behörden und weiteren Stellen beschleunigt werden. Seit Anfang vergangenen Jahres habe es dort etwa 365 Abschiebungen und etwa 740 freiwillige Ausreisen gegeben.
Kundgebung der Flüchtlinge während des Medientermins.
Nicht bestätigt hat Regierungs-Pressesprecher Nell übrigens heute die Mutmaßung, wonach in Manching ein so genanntes Anker-Zentrum (Ankunft, Entscheidung, Verteilung beziehungsweise Rückführung) für Asylbewerber geplant sein soll. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) brachte unlängst Manching als Vorbild für mögliche "Anker-Zentren" ins Spiel und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte für September oder Oktober die ersten Pilot-Rückführungszentren an.
Das bayerische Transit-Zentrum Manching/Ingolstadt für Flüchtlinge ohne Bleibe-Perspektive könnte deutlich ausgebaut werden. Man verfüge derzeit über eine Kapazität von rund 2080 Plätzen, hatte eine Sprecherin der Regierung von Oberbayern im Februar gegenüber unserer Zeitung erklärt. Langfristig sei es aber "grundsätzlich möglich", das Transit-Zentrum auf eine Kapazität von etwa 3000 Plätzen auszubauen. "Einen konkreten Zeithorizont gibt es hierfür jedoch nicht", hieß es damals auf Anfrage.
Flüchtlinge taten ihren Unmut kund.
Gegen derartige Einrichtungen protestierte heute das Bündnis "Lagerfreies Bayern" vor den Toren des Transit-Zentrums während des Medien-Termins. In dem Bündnis sind zahlreiche Organisationen, Initiativen und Parteien vereint – darunter auch der Landes- und Bezirksverband der Grünen sowie der Landesverband von "Die Linke". Sie kritisieren etwa, dass sich hinter Begriffen wie "Ankunfts- und Rückführungs-Einrichtungen", "Transit-Zentren" oder "Anker"-Einrichtungen konkret Abschiebe-Lager verbergen, in denen Geflüchteten die Integration verwehrt werde und aus denen sie möglichst schnell sowie im Verborgenen abgeschoben werden könnten. Das Bündnis fordert die sofortige Schließung solcher Einrichtungen, eine schnelle Verteilung der Geflüchteten auf kleinere Unterkünfte sowie faire rechtsstaatliche Asylverfahren, eine Verfahrensberatung und einen Rechtsbeistand für alle.
Asylbewerber mit Plakat.