Nach dann 24 Jahren als Bürgermeister von Hohenwart will er sich bei der nächsten Wahl nicht mehr für den Posten bewerben. Wir sprachen mit ihm.
Von Tobias Zell
Manfred Russer (CSU) hört nach fast einem Viertel-Jahrhundert als Bürgermeister von Hohenwart auf. Bei der anstehenden Kommunalwahl werde er nicht mehr kandidieren, erklärte der 63-Jährige heute im Gespräch mit unserer Zeitung. Er habe lange nachgedacht: Doch zum einen würden selbst weitere sechs Jahre nicht ausreichen, um alles abzuarbeiten. Und zum anderen wolle er nicht eines Tages betriebsblind an seinem Stuhl festhalten. "Am Ende einer weiteren Amtszeit wäre ich 71 Jahre alt. Das will ich den Leuten nicht antun – und mir selbst auch nicht."
Nur ein aktueller Rathauschef im Landkreis Pfaffenhofen ist noch länger im Amt als Russer: Reinhard Heinrich (CSU), Bürgermeister von Reichertshausen, hat ein Dienstjahr mehr auf dem Buckel. Auch er hat bereits erklärt, sich bei der Kommunalwahl im März nächsten Jahres nicht mehr zur Wiederwahl zu stellen. Beide sind Schwergewichte in der hiesigen Politik. Russer ist Sprecher aller Gemeinde-Oberhäupter im Landkreis und Vorstandsmitglied der Kreis-CSU, Heinrich ist Fraktions-Sprecher der Christsozialen im Kreistag und gilt auch hinter den Kulissen als Regisseur.
Keine Empfehlung
Sie wollen zwar ihren Chefsessel im Rathaus räumen, sich aber nicht aus der Politik verabschieden: Beide möchten erneut für ein Mandat im Kreistag kandidieren; wobei Heinrich sich angeblich den Posten des Vize-Landrats ganz gut vorstellen könnte. Russer hält sich da bedeckter. "Ich arbeite gerne weiterhin auf Kreis-Ebene mit", sagt er, unterstreicht aber zugleich: Der Hohenwarter Bürgermeister-Kandidat der CSU müsse auf der Kreistags-Liste auf jeden Fall vor ihm stehen, "alles andere wäre ein falsches Signal". Wer das sein wird? "Da halte ich mich raus", sagt Russer. "Ich werde keine Empfehlung bezüglich meines Nachfolgers abgeben."
Klar sei aber eines, erklärt er mit Blick auf seine zu Ende gehende Zeit als Bürgermeister: "Ich gehe ohne jeglichen Groll." Der Ankündigung, im nächsten Jahr aufhören zu wollen, seien lange und reifliche Überlegungen vorausgegangen. In einem Interview mit unserer Zeitung hatte er bereits im Sommer 2016 – anlässlich seines 20-jährigen Dienst-Jubiläums – erklärt, es sei noch unklar, ob er sich 2020 überhaupt für eine weitere Amtszeit bewerben werde. "Ich ringe noch mit mir", sagte er damals, "bin hin- und hergerissen". Seit geraumer Zeit stehe seine Entscheidung nun fest, ließ er heute wissen.
Mal wieder Theater
"Es wird nicht einfacher", sagt er zu den Gründen. "Irgendwann hat man vielleicht nicht mehr so den Willen, auch die mühseligen Dinge abzuarbeiten", vermutet er. Doch er will es eben nicht darauf ankommen lassen, das herauszufinden. Nach 24 Jahren an der Spitze der Gemeinde von Hohenwart soll deshalb Schluss sein. Abgesehen von der Kreis-Politik, der er sich weiterhin widmen will, hat er schon konkrete Pläne für seine Zeit als Ex-Bürgermeister. "Ich werde mich im sozialen Bereich bei 'Regens Wagner' engagieren", sagt er. Außerdem würde er gerne die Theater-Szene in Hohenwart wieder beleben.
Doch noch gut ein Jahr lang hat Russer die Geschicke der Kommune zu lenken. "Ich bin bis zum letzten Tag voll dabei", versichert er und verweist auf etliche größere Projekte. Wie etwa die B300-Umgehung für Weichenried, auf die man seit Jahrzehnten wartet und die nun vom Staatlichen Bauamt Ingolstadt endlich realisiert werden kann. Außerdem werden vor den Toren von Hohenwart für mehrere Millionen Euro ein neuer Bauhof und ein neuer Wertstoffhof errichtet.
Schul-Neubau denkbar
Neben dem Rathaus, mitten im Ort, soll ein Neubau entstehen, der mehr Platz für die Gemeinde-Verwaltung bringt. "Im Herbst wollen wir mit dem Bau anfangen", sagt Russer. Und noch ein weiteres größeres Vorhaben steht auf der Agenda. Die Grund- und Mittelschule ist sanierungsbedürftig; auch ein Neubau ist denkbar. "Die Grundsatz-Entscheidung muss noch heuer fallen", betont Russer. Den Schul-Standort Hohenwart sieht er als gesichert an. Die Mittelschule sei dauerhaft einzügig, temporär zweizügig. Und die Grundschule sei zweizügig, zeitweise dreizügig. Jeder Euro sei hier gut investiert.
Hohenwart hat sich bemerkenswert entwickelt in den vergangenen Jahren. Doch die Aufgaben reißen nicht ab. "Selbst eine weitere Amtsperiode als Bürgermeister würde nicht ausreichen, um alles umzusetzen", sagt Russer. Hinzu kommen immer neue Herausforderungen. Unter anderem gilt es, die Weiterentwicklung wohl dosiert in die richtigen Bahnen lenken, dem demografischen Wandel Rechnung tragen, die Infrastruktur zeitgemäß zu halten und ausbauen. Darum wird sich ab dem Frühjahr 2020 federführend sein Nachfolger kümmern müssen. "Am Ende einer weiteren Amtszeit wäre ich 71 Jahre alt", sagt Russer. "Das will ich den Leuten nicht antun – und mir selbst auch nicht."
Er kam als Quereinsteiger
Seine berufliche Karriere begann Manfred Russer als Bankkaufmann. Nach Hohenwart verschlug ihn die Liebe. Ins Rathaus kam er einst als Quereinsteiger. Er stammt aus Karlshuld. Nach seiner Ausbildung zum Banker heiratete er sozusagen nach Hohenwart ein. Als dann dort im Jahr 1977 eine Stelle im Rathaus frei wurde, bewarb er sich kurzerhand. "Ich hatte damals keine Ahnung von der öffentlichen Verwaltung", räumt er freiweg ein. Doch das sollte sich durch die entsprechende Ausbildung ändern. Als Bankkaufmann dafür prädestiniert, führte er zeitweise die Gemeindekasse, 1980 übernahm er dann das Bauamt.
Archivfoto aus dem Jahr 1996: Manfred Russer wird als Bürgermeister von Hohenwart vereidigt.
1996 wurde Russer erstmals zum Bürgermeister gewählt. Sein Vorgänger, der inzwischen verstorbene Ludwig Ade, kandidierte altersbedingt nicht mehr und Russer hatte seinen Hut in den Ring geworfen. "Ich kannte die Örtlichkeiten und die Leute, traute mir das zu", erinnert er sich. Und die Wähler trauten es ihm offensichtlich ebenfalls zu. Ein Gegenkandidat war mit ins Rennen um den Chef-Sessel im Rathaus gegangen, doch der "Zuagroaste" setzte sich klar durch. Seither wurde er weitere drei Male wiedergewählt – jeweils ohne Herausforderer. Zuletzt, im Jahr 2014, erhielt er 88 Prozent der Stimmen.
"Erste Gehversuche"
Was vor rund 23 Jahren, nach seiner Wahl zum Bürgermeister, folgte, bezeichnete Russer in einem Gespräch mit unserer Zeitung einmal als "erste Gehversuche". Hohenwart war im Umbruch, auch im Gemeinderat ergaben sich etliche Wechsel. Und es gab einiges zu tun, die Zukunft wollte in Angriff genommen werden. Rückblickend sagt Russer: "Wir haben, so meine ich, die richtigen Weichen gestellt." Sein bisheriges Fazit: Hohenwart habe sich sehr positiv entwickelt.
In Zahlen liest sich das so: Als Russer Bürgermeister wurde, zählte die Gemeinde 3900 Einwohner, jetzt sind es bald 4700. Das Haushalts-Volumen der Kommune umfasste seinerzeit 6,7 Millionen Mark, heute sind es um die 15 Millionen Euro. Die Gewerbesteuer-Einnahmen betrugen damals rund 200 000 Mark, zuletzt waren es 3,7 Millionen Euro. Solche Werte sind freilich nicht alles, doch Russer sieht den Kurs bestätigt. Man wollte die Wirtschaftskraft von Hohenwart steigern, habe großen Aufwand betrieben – und das hat sich aus seiner Sicht ausgezahlt.
Nicht mehr wegzudenken
Die Ansiedlung des Edeka-Markts sieht er nach wie vor als einen Meilenstein. Einst von manchen als "Totengräber des Einzelhandels" tituliert, sei der längst "nicht mehr wegzudenken". In Hohenwart gibt es heute – neben zahlreichen Gewerbe-, Handwerks- und Dienstleistungs-Betrieben – Einkaufsmärkte, Hausarzt-Praxen und ein privat betriebenes Senioren-Zentrum. Nicht zu vergessen freilich die traditionsreiche Behinderten-Einrichtung "Regens Wagner", die nicht nur überregionale Bedeutung hat, sondern zahlreiche Arbeitsplätze bietet. Mit dem Baugebiet "Kerschberg II" wurden erst kürzlich 90 Parzellen geschaffen, größtenteils wird hier schon gebaut.
Landrat Martin Wolf (von links) gratulierte im Jahr 2016 vier Bürgermeistern im Landkreis zum 20-jährigen Dienst-Jubiläum: Albert Vogler (Schweitenkirchen), Karl Huber (Ernsgaden), Anton Steinberger (Ilmmünster) und Manfred Russer.
Russer ist nicht nur seit 23 Jahren Bürgermeister, er sitzt bereits ebenso lange im Pfaffenhofener Kreistag. Im CSU-Kreisverband fungiert er als Schatzmeister. Doch er ist weit mehr als der "Kassier" – sein Wort hat Gewicht, nicht nur bei den Christsozialen im Landkreis, sondern quer durch die Fraktionen. Er gilt als Mahner für den behutsamen Umgang mit Steuergeldern, als Streiter für Bürgernähe und als Anwalt der kleinen Leute. "Mein Ziel war es immer, auf dem Teppich zu bleiben", sagte er in einem früheren Gespräch mit unserer Zeitung. "Ich will nicht der Überflieger sein und fühle mich auch nicht höher gestellt."
"Erwarte, dass Wort gehalten wird"
Wenngleich er manchem in seiner Partei mitunter zu kritisch sein mag: Russer spricht auch die unbequemen Dinge unverhohlen aus. Wenn etwas schief läuft, dann thematisiert er das. Als Landrat Martin Wolf (CSU) unlängst für Aufregung gesorgt hatte, weil er öffentlich mit dem Gedanken spielte, doch nicht – wie vorab versprochen – seine Amtszeit zu verkürzen, stellte Russer klar: "Ich erwarte, dass Wort gehalten wird. Wenn man sich nicht mehr auf das Wort der CSU verlassen kann, dann wird das nicht mehr mein Kreisverband sein." Ende der Durchsage. Letztlich ruderte Wolf zurück.
Von 2002 bis 2008 war Russer Vize-Chef des Pfaffenhofener Kreisverbands im bayerischen Gemeindetag, seit 2008 ist er Vorsitzender und damit praktisch der Sprecher aller 19 Bürgermeister im Landkreis. Ein Ehrenamt, das er sehr gerne ausübt – und das er nach eigenen Worten sehr vermissen wird, wenn er nächstes Jahr als Rathauschef von Hohenwart aufhört. Russer kämpft gegen unnötige staatliche Bürokratie und Bevormundung, er hält die kommunale Selbstverwaltung hoch und wirbt für Handlungs-Spielraum der Gemeinden.
Und er hatte einst weitere politische Ambitionen. Bei der Nominierung des CSU-Landrats-Kandidaten im Jahre 2011 hatte auch er seinen Hut in den Ring geworfen. Am Ende unterlag er nur knapp Martin Wolf, der damit für die Christsozialen in den Wahlkampf zog und gewann. So blieb Manfred Russer, was er war: Gemeinde-Chef von Hohenwart. Nächstes Jahr soll diese Ära zu Ende gehen.
Inzwischen gibt es eine neue Entwicklung: Martin Lutz (CSU) will der nächste Rathauschef von Hohenwart werden