Fachberater Andreas Kastner vom Pfaffenhofener Landratsamt erklärt, worauf man achten und was man alles bedenken sollte.
(ty) Zahlreiche Menschen arbeiten gerne in der Natur – und auch mit der Natur. Die Anlage einer Streuobstwiese biete dafür eine ideale Möglichkeit, findet Andreas Kastner, der zuständige Fachberater am Pfaffenhofener Landratsamt. "Streuobstwiesen prägen zudem das Landschaftsbild, sind wertvolle Elemente für die Natur und stellen Trittsteine zur Verbindung wertvoller Flächen dar", so der Experte. Dennoch müsse bei der Anlage einer solchen Streuobstwiese einiges beachtet werden – und auch der Pflegeaufwand sollte laut Kastner kritisch hinterfragt werden. "Vielen ist nicht bewusst, dass ein ausgewachsener Hochstamm ein paar hundert Kilogramm Obst produzieren kann und dieses auch einer Nutzung zugeführt werden sollte." Auch das Schneiden von 20 oder 30 Bäumen erfordere einen hohen zeitlichen Aufwand. Wir fassen nachfolgend etliche konkrete Tipps und Hinweise zum Thema Streuobstwiese zusammen.
Habe man sich für eine Streuobstwiese entschieden, sollte sie auch gepflegt werden, betont Kastner. "Streuobst pflanzen und dann verwildern lassen, macht nur wenig Sinn, denn die Bäume können sich dann nicht richtig entwickeln. Und lässt man das komplette Fallobst liegen, wird nicht unbedingt eine artenreiche Blumenwiese gefördert", erklärt der Experte. Einen Teil des Fallobsts sollte man seinen Worten zufolge aber dennoch liegen lassen, denn das stehe bei vielen Tieren auf dem Speiseplan und erhöhe damit die Artenvielfalt. Im Winter könnten zum Beispiel Drosseln oder Amseln am Fallobst beobachtet werden.
Bei der Anlage eine Streuobstwiese sei eine schrittweise Pflanzung ein guter Weg. Hier sei genügend Zeit, sich mit dem Obstbaum-Schnitt und der Materie auseinanderzusetzen. Die gewünschten Sorten könnten nach und nach ergänzt werden. "Eine sehr gute neuere Apfelsorte ist Florina", weiß Kastner. Bewährt als Tafel- und Backobst habe sich der "Rote Boskoop". Eine sehr robuste Most-Obst-Sorte sei zum Beispiel der "Rheinische Bohnapfel". Als Sommeräpfel zum baldigen Verzehr seien "Jakob Fischer" und auch der "Gravensteiner" geschmacklich besonders gut. Bei den Birnen kann Andreas Kastner "Madame Verte" oder die "Gute Graue" trotz der mittleren Anfälligkeit für Feuerbrand als Alternative empfehlen.
Zu prüfen ist laut Kastner, ob eine Streuobstwiese in die Umgebung passt. Klar lägen die Vorteile auf der Hand, doch zum Beispiel auf Magerrasen, Biotopflächen oder bei Wiesenbrütern schade eine Anlage gegebenenfalls mehr, als deren Nutzen für die Natur erbringen könne. Auch Kaltluft-Senken, nasse oder sehr trockene Bereiche schränkten die Pflanzmöglichkeiten ein. "In feuchten Bereichen funktionieren eher Äpfel und je nach Unterlage Zwetschgen", sagt Kastner. "Warme Standorte werden von Birnen oder Kirschen bevorzugt."
Außerdem seien ausreichende Abstände zu Wäldern, Hecken oder den Grundstücks-Grenzen erforderlich. Von einem Wald oder einer Hecke seien 20 Meter Abstand eine sichere Entfernung, um eine ungestörte Entwicklung der Obstbäume zu gewährleisten. Der Abstand zwischen den Bäumen sollte um die zehn Meter betragen, rät Kastner.
Zur Grundstücksgrenze sollten laut Kastner am besten fünf bis sechs Meter Abstand eingehalten werden, auch wenn per Gesetz zwei oder vier Meter angegeben sind. Damit dürfte kein Konflikt bei überhängenden Ästen oder Fallobst entstehen. "Bei kleines Gärten ist ein gut gepflanzter Baum besser als zwei oder drei, die zu eng stehen und danach wieder entfernt oder zusammengestutzt werden müssen", so Kastner.
Vielfach werde mit der Anfrage einer Obstwiese auch eine gewünschte Einzäunung angesprochen, die in der freien Landschaft nicht zulässig ist. Hier bietet ein Einzelstammschutz alle Möglichkeiten, die Bäume ausreichend zu schützen.
Andreas Kastner: „Wer keine eigene Streuobstwiese hat, kann auch bei Eigentümern großer Obstwiesen nachfragen, ob nicht ein Baum in Form einer Patenschaft abgeerntet werden kann.“ Außerdem können viele Menschen im Alter ihre Bäume nicht mehr pflegen und abernten. Auch hier kann eine nutzbringende Partnerschaft zwischen Jung und Alt entstehen.
Die naturschutz-fachliche Wertigkeit einer Obstwiese hänge immer vom Nutzungs-Charakter ab. Bei extensiv gepflegten Obstwiesen könne auch einmal ein Baum im Abgang belassen werden. "Hier bilden sich dann notwendige Lebensräume für selten gewordenen Tierarten. Gerade Baumhöhlen oder Spalten können zum Beispiel für Fledermäuse, Höhlenbrüter, Kleinsäuger oder auch Käfer interessant sein", weiß der Kreisfachberater. Der Wiedehopf als besonders auffälliger Vogel komme vor allem in extensiv genutzten Obstkulturen vor und sei auch im Landkreis Pfaffenhofen schon gesichtet worden. Auch der Wendehals könne eine Streuobstwiese oder große Gärten beim Vorhandensein von Bruthöhlen als Lebensraum nutzen.
Schmetterlinge – wie das Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs oder der Zitronenfalter – überwintern laut Kastner als Falter und benötigen vor Nässe geschützte Winterquartiere, wie etwa Baumhöhlen. "Leider werden Bäume mit Baumhöhlen oft voreilig, wegen einer angenommenen Bruchgefahr, gefällt", beklagt der Experte. Um den Strukturreichtum weiter zu erhöhen, können seinen Worten zufolge gezielt angelegte Schnittgut-Haufen oder eine Hecken-Pflanzung am Rand eine Streuobstwiese bereichern. "In Schnittguthaufen überwintern beispielsweise gerne Amphibien oder Igel", berichtet Kastner.
"Das Wort Streuobstwiese beinhaltet auch das Wort Wiese", unterstreicht der Fachmann. "Diese artenreichen Gesellschaften, wie zum Beispiel Flachland-Mähwiesen mit Margeriten, Flockenblumen oder Hahnenfuß, bereichern den Lebensraum enorm". Wichtig sei, dass die Wiese insgesamt ein bis zwei Mal jährlich gemäht und nicht gemulcht werde. "Mulchen erstickt die Artenvielfalt und verringert den Nutzen für die Natur", erklärt Kastner. Außerdem müssten nicht alle Bereich jährlich gemäht werden. Vor Hecken könnten Altgras-Streifen im zwei- bis dreijährigen Turnus gemäht werden, um damit auch Insekten einen Unterschlupf im Winter zu gewähren oder Niederwild eine Möglichkeit geben, sich zu verstecken. "Werden zusätzlich noch Nistkästen angebracht oder ein Bereich für Wildbienen vorbereitet, kann eine echt wertvolle Nische in unserer Kulturlandschaft entstehen."
Und noch ein Rat vom Experten: "Bitte denken Sie daran, dass Streuobst nicht nur aus Apfelbäumen besteht. Es gibt Birnen, Kirschen, Zwetschgen oder auch Quitten. An einer Ecke ein Walnussbaum oder versuchsweise eine Esskastanie können eine Pflanzung abrunden." Im Landkreis gebe es viele Vereine, die Obst zu Saft pressen, auch kommerzielle Betriebe bieten diese Dienstleistung an. Es gebe also Möglichkeiten der Nutzung jenseits von Apfelkuchen und Kompott. "Bitte gehen Sie mit Bedacht an die Planung heran und binden Sie auch Ihre Kinder oder mögliche Nachfolger mit ein", appelliert Kastner. "Ein Obstbestand wird nur erhalten, wenn jemand Interesse aufbringt – denn es handelt sich um ein generationen-übergreifendes Projekt."