Konsum der chemisch hergestellten Drogen kann tödlich enden. Fallzahlen steigen seit einigen Jahren. Ermittler beobachten Wandel beim Altersprofil der Konsumenten.
(ty) Sie kommen in bunten Tütchen daher, wirken harmlos – und sind doch zum Teil gefährlicher als Heroin: "Neue psychoaktive Stoffe" (NpS), eher bekannt als "Kräutermischungen", "Badesalze" oder "Legal Highs". Die synthetisch hergestellten Drogen sind in Bayern auf dem Vormarsch, warnt das Landeskriminalamt (LKA). Die Fallzahlen bei Verstößen gegen das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) und beim Handel in nicht geringer Menge seien in den vergangenen drei Jahren deutlich gestiegen. Anlässlich des internationalen Tags gegen Drogen-Missbrauch und unerlaubten Suchtverkehr am heutigen Samstag warnt das LKA vor den Gefahren, die von diesen Drogen ausgehen und die oft völlig unterschätzt werden. Die Ermittler haben schon mehrere Verfahren gegen NpS-Händler geführt und dabei professionelle, versandfertige NpS-Packungen im Gesamtwert von mehreren Millionen Euro sichergestellt.
Aber was genau ist unter "Neuen psychoaktiven Stoffen" (NpS) zu verstehen? "Die am weitesten verbreitete Variante stellen so genannte Kräutermischungen dar", erklärt das bayerische Landeskriminalamt. "Bei deren Herstellung werden normale Kräuter mit teils hochpotenten synthetischen Cannabinoiden und Lösungsmitteln besprüht und in bunte Tütchen verpackt."
Da die Rezepturen ständig geändert würden und die Inhaltsangaben auf der Verpackung im Regelfall bewusst vage gehalten seien oder nicht stimmten, steige die Gefahr einer Überdosierung. "Der Konsum von Kräutermischungen ist deswegen mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden und kann für den Konsumenten tödlich enden", betont LKA-Präsident Harald Pickert.
Laut der polizeilichen Kriminalstatistik sind die Fallzahlen bei Verstößen gegen das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz von 120 im Jahr 2018 auf 247 im vergangenen Jahr gestiegen. Dabei seien hier die Fälle von NpS-Missbrauch, die dem Betäubungsmittel-Gesetz (BtMG) unterliegen, gar nicht mitgerechnet. Eine steigende Tendenz sei auch beim Handel mit NpS in nicht geringer Menge zu verzeichnen.
Damit sei eine Menge gemeint, die den Eigenbedarf deutlich übersteige. Bei NpS können laut LKA-Angaben bereits wenige Milligramm Wirkstoff für Tausende Konsum-Einheiten ausreichen und die nicht geringe Menge weit übersteigen. In diesem Delikts-Bereich seien die Zahlen von einem Fall im Jahr 2018 auf 14 im vergangenen Jahr gestiegen.
Während nach Erkenntnissen des bayerischen Landeskriminalamts noch vor einigen Jahren vor allem junge Menschen "Neue psychoaktive Stoffe" einnahmen, sind unter den Konsumenten nun vermehrt Menschen über 30 Jahren. Vor allem in der Alters-Kategorie 30 bis 40 Jahre haben die Drogen den Angaben zufolge an Popularität gewonnen.
Woran das liegt? "Ein Grund dafür könnte sein, dass NpS immer häufiger als vermeintlich legale Alternative zu den klassischen Rauschgiften angepriesen werden und Händler das Marketing über die Jahre professionell angepasst haben", heißt es aus dem bayerischen LKA. Der Konsum von NpS kann ein schlimmes Ende nehmen – auch ein tödliches.
Die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit der Einnahme von NpS sei seit dem Jahr 2017 zwar deutlich gesunken. Damals starben 37 Menschen, bei einer Gesamtzahl von 308 Drogentoten in Bayern. Seitdem liege die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit NpS jedoch konstant bei etwa einem Dutzend pro Jahr. Im vergangenen Jahr etwa waren es genau 14. Zum Stichtag 31. Mai wurden dem LKA in diesem Jahr bislang vier NpS-Tote im Freistaat gemeldet. Dabei müsse jedoch von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.
Das LKA warnt jedenfalls eindringlich vor den Drogen, die vor allem über das Internet vertrieben werden. "Die großen Online-Shops betreiben den Handel in betriebsähnlichen Strukturen mit vielen Beteiligten und unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen", heißt es dazu. "Sie treten hinter einer pseudo-legalen Fassade mit Werbung, AGBs und Service-Telefonen auf, die dem Konsumenten eine nicht vorhandene Sicherheit vorgaukeln."
Unter Federführung des LKA, des Bundeskriminalamts und der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg haben sich bundesweit mehrere Landeskriminalämter und Zollfahndungsämter mit weiteren Akteuren aus den Bereichen Medienaufsicht und Suchtberatung in einem EU-geförderten Projekt zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie dem Vertrieb von NpS im Netz ein Ende bereiten und die Hinterleute identifizieren und festnehmen. "Außerdem stecken wir viel Energie in die Präventions-Arbeit", sagt Pickert. "Denn nur wenn die Nachfrage zurückgeht, verlieren die Online-Drogenhändler ihre Geschäftsgrundlage."