Nach dem Auftritt im Münchner Olympia-Stadion will das Trio um Schlagzeuger Peter Schertel (38) weiter durchstarten. Ein großes Interview mit ihm.
(ck) "Vom Probe-Raum ins Olympia-Stadion" – so überschrieb unsere Zeitung einen Bericht über diese Gruppe. Am Samstagabend steht nun ihr Heimdebüt beim Pfaffenhofener Kultur-Sommer an (Konzert-Infos siehe unten). "Tame the Abyss", die "rocken", findet der bekannte Radio-Moderator Tom Glas von Bayern-1. Und das renommierte Hardrock-Magazin "RockHard" schreibt, die erste EP des Trios sorge "seit Wochen für Maulsperren bei Freunden des gepfefferten Rock'n'Roll". Gegründet ausgerechnet zu Beginn des ersten Corona-Lock-Downs, macht die ambitionierte Combo um den Pfaffenhofener Schlagzeuger Peter Schertel – mit Sänger und Gitarrist Georg Raig sowie Bassist Jan Szymanski – also bereits ordentlich auf sich aufmerksam. Warum das so ist und wie das geht, darüber haben wir mit dem 38-jährigen Rock-Haudegen Schertel gesprochen. Über seine Anfänge an der Spielmannszug-Trommel und seine Zukunft als "Rockstar", am besten auf einer Nightliner-Tour durch Europa.
Herr Schertel, erster Auftritt mit neuer Band – und dann gleich im Olympia-Stadion. Zwar nicht vor den üblichen 60 000 Leuten, aber immerhin vor mehreren hundert. Vergangene Woche, auf der "Sommerbühne" anlässlich des Kultur-Sommers der Stadt München. Wie war die Live-Premiere an so prominenter Stätte?
Peter Schertel: Es war einfach gigantisch. Man realisiert erst ein paar Tage später, was da passiert ist. Wenn man sich überlegt, was wir in den letzten 14 Monaten auf die Beine gestellt haben: Von der Band-Gründung über die erste EP, das erste Video, ein Live-Set mit 13, 14 Songs, im Juli dann wieder im Studio und die zweite EP aufgenommen, die jetzt im Herbst released wird – und dann spielst du dein erstes Konzert im Olympia-Stadion. Das ist natürlich schon der Hammer. Allein, wenn Du mit dem Tourbus durch das große Marathon-Tor auf die Laufbahn fährst zur riesigen Bühne vor der Südkurve. Dein Backstage-Bereich ist in den ehemaligen Umkleide-Kabinen. Überall laufen Techniker rum. Alles ist einfach super organisiert und absolut professionell. Da fühlst du dich dann schon so ein bisschen wie ein echter Rockstar.
Was erwartet die Rockfans an diesem Samstag im Innenhof des Pfaffenhofener Landratsamts? Ihr habt auch eine Vorband, "Mulberry Sky" aus Rosenheim...
Schertel: Bei der Double-Trouble-Rock-Night steht Euch das ins Haus, was der Name verspricht: Eine energie-geladene musikalische Explosion zweier neuer, hochmotivierter Rockbands, die gegenwärtig die Musikszene in Süddeutschland ordentlich aufmischen – und nach so langer Abstinenz einfach nur geil sind auf die Bühne. Wir sind happy, dass wir mit "Mulberry Sky" aus Rosenheim eine Band gefunden haben, mit der uns nicht nur musikalisch viel verbindet. Nämlich auch etliche Airplays. Beide waren wir zum Beispiel bei "Classic Rock" auf Bayern-1 zu hören oder im Newcomer-Stream beim Rocksender "Bob". Ein mittlerweile vielbeachtetes Quartett mit Frontfrau und einer wilden Mischung aus Classic-, Blues-, Stoner- und Hardrock. Es wird also ordentlich rocken.
Ihr habt Euch im Frühjahr 2020 gegründet – ausgerechnet zu Beginn des ersten Corona-Lock-Downs. Und seid gerade in Zeiten des Auftritts-Verbots sehr produktiv gewesen. Wie kam's?
Schertel: Ja, wir waren sehr umtriebig. Aber wir hatten ja Zeit. Es steckt sehr viel Arbeit drin, wenn man eine Band neu gründet. Im Vordergrund stehen natürlich die Songs, aber davor muss sich erst mal das musikalische Konzept definieren, das Grundgerüst muss stehen, jeder muss seinen Platz finden in der Band. Das dauert schon lange. Als wir dann die ersten Songs hatten, aber nicht live spielen konnten, wollten wir, dass die Leute trotzdem schon mal was von uns zu hören bekommen und sind ins Studio gegangen – und dann online, mit vier Songs der ersten EP. Die Instrumente haben wir live eingespielt bei Hicktown-Records in Raubling, den Gesang in den Studios von "Pro Sieben". Dann gleich noch das "Black Mould"-Video gedreht, unser Zombie-Video (siehe unten; Anmerkung der Redaktion), mit großem Aufwand und rund 30 Leuten am Set, dann noch ein Foto-Shooting, und so weiter. Alles von null auf 100. Und alles vorwiegend abends oder am Wochenende. Tagsüber steht jeder von uns mit beiden Beinen fest im Berufsleben, hat Familie. Die Musik ist nur unser Hobby. Allerdings ein sehr zeitintensives.
Auch auf sozialen Medien und Internet-Plattformen seid ihr von Anfang an sehr präsent gewesen...
Schertel: Die sozialen Medien waren zuletzt tatsächlich die einzige Möglichkeit überhaupt, um Präsenz zu zeigen, sich zu präsentieren. Wir schauen, dass wir einen gesunden Marketing-Mix hinkriegen aus Instagram, Facebook und You-Tube, und dass wir in den regionalen Medien gut vertreten sind. Aber bis dato hatten wir halt nur Material aus dem Studio oder Proberaum. Das wird den Followern freilich irgendwann zu langweilig. Wir wollen ihnen schon das echte Band-Leben zeigen. Und da gehören einfach Konzert-Mitschnitte und Live-Auftritte dazu. Wir sind jetzt online nicht übermäßig aktiv, es ist uns aber schon wichtig, die Leute abzuholen und regelmäßig Einblicke in unsere Arbeit und Pläne zu gewähren. Dazu kommt künftig natürlich noch die persönliche Fan-Arbeit, an der Basis sozusagen, auf Konzerten eben. Aber kurz noch zum Stichwort Internet: Da gibt es jetzt seit Neuestem auch einen 16-minütigen Podcast-Beitrag über uns. Und zwar den allerersten in der neuen Bayern-3-Reihe "Fasten your Lederhosn" von und mit Kultmoderator Matthias Matuschik. Was für eine Ehre.
Ihr beschreibt Euren Stil selbst mit "50s B-Movie-Horror trifft 60s-Band-Attitüde mit 70s-Rock-Sound und 80s-Design". Und auch als "sehr retro". Was ist dann das Neue am "Tame the Abyss"-Sound? Andererseits, auf welche Einflüsse würdet Ihr Euch berufen – wenn Ihr müsstet?
Schertel: Das Spannende an uns ist, dass wir nicht nur musikalisch tatsächlich drei komplett verschiedene Charaktere sind. Um bei mir anzufangen: Ich geh' eher so in Richtung Classic-Rock, klassischer Eighties-Rock, wie etwa "Whitesnake", "Deep Purple", mag aber auch Neueres, beispielsweise die "Foo Fighters". Der Jan kommt mehr aus der Metal-Schiene, verzerrt gerne mal seinen Bass, das prägt den Sound natürlich enorm. Und der Georg hat seinen musikalischen Schwerpunkt so in den 1960er, 1970er Jahren. Sieht man auch an seinem Equipment, mit seinen vintage-angehauchten Orange-Verstärkern. Das alles in Summe macht dann eben den speziellen Spirit bei uns in der Band aus.
Schlagzeuger Peter Schertel (von rechts), Gitarrist und Sänger Georg Raig, Bassist Jan Szymanski.
Ihr habt mit Eurem Sound auf Anhieb den Spagat geschafft, einerseits als "Tipp des Monats" April im führenden Hardrock- und Metal-Magazin "RockHard" abgefeiert zu werden, Euch andererseits aber als durchaus radiotauglich erwiesen in der Sendung "Classic Rock" von Moderator Tom Glas auf Bayern-1. Wie macht man das?
Schertel: Diesen Spagat machen wir nicht bewusst. Die Songs entstehen einfach, und je nachdem, wie wir uns fühlen, wie die Stimmung ist, geht der Song mal in die eine oder andere Richtung: Hier fehlt noch ein Fill, da wäre ein Stimmungswechsel gut – das ist situationsabhängig, wie es im Proberaum einfach so läuft. Die Grundideen bringt meistens der Georg mit, ein Riff, eine Gesangslinie, und dann schauen wir, ob wir einen Song daraus erarbeiten können. Oft sind wir selbst sehr überrascht, wie sich die Songs am Ende des Tages anhören. Und da kommen dann eben so verschiedene Sachen raus wie "This girl" (nächstes Video, Anmerkung der Redaktion), das bei Tom Glas auf Bayern-1 läuft, oder "Black Mould" mit seinem Hammer-Gitarrenriff, das auf jede Metal-Scheibe passen würde. Letztes Wochenende haben wir am Irschenberg auf dem Schwacken-Festival gespielt, einem Metal-Open-Air mit rund 200 Leuten und bekannten, alteingesessenen Metal-Bands, also vorwiegend Fachpublikum. Trotzdem war unser Merchandising-Stand ständig belagert und die Fans machten Fotos mit uns – da merkt man dann schon, dass das musikalische Konzept anscheinend irgendwie aufgeht und nach allen Seiten offen ist. Eben frei nach unserem Motto: Wir brauchen keine Schubladen, wir haben schon längst den ganzen Schrank geklaut.
Und Ihre Bandkollegen? Gibt es ein Mastermind? Wer ist fürs Songwriting verantwortlich?
Schertel: Mastermind hinter dem Ganzen ist, wie gesagt, schon der Georg: Er hatte dieses Projekt mehr oder weniger fertig in der Schublade, die musikalische Idee, sogar schon den Bandnamen, das Design – und hat das Ding dann schließlich gestartet. Aber auch hier ist das Spannende, wie wir uns einfach wahnsinnig gut ergänzen und gemeinsam wachsen. Georg war lange Zeit mit den bekannten "Shenaniganz" unterwegs, hat weltweit viele und große Bühnen gesehen, beispielsweise beim Rock am Ring, war im Fernsehen bei "Ina's Nacht". Aber auch ich hab mit meiner früheren Band "The RockSociety" viel gesehen, hab viele Konzerte gespielt, teils mit Größen wie "The Hooters", "J.B.O." oder "Gotthard". Da gewinnt man doch einiges an Erfahrung. Dagegen unser Bassist Jan, der stand im Olympia-Stadion tatsächlich zum allerersten Mal auf einer Bühne. Und dann gleich auf einer solchen. Der war komplett geplättet von den Dimensionen, der ganzen Technik. Alles Neuland. Schon wie er in die Band eingestiegen ist, haben wir ihm klargemacht: Jan, mia gem fei Gas! Und er hat nur gemeint: Okay, da bin ich dabei. Und, Chapeau, er ist ein gewaltiger Bassist und hat sich unglaublich entwickelt. Und auch, wenn unsere Songs vorwiegend aus der Ideenschmiede von Georg kommen, ist so ein Bandprojekt letztlich immer auch ein Lernprozess. Für das Kollektiv, aber auch für jeden Einzelnen.
Im richtigen Leben sind Sie Messe- und Event-Manager, außerdem zweifacher Familienvater. Wohin soll die Reise als Rockstar gehen?
Schertel: Meine musikalische Laufbahn hat ja schon sehr früh begonnen beim Pfaffenhofener Spielmannszug an der kleinen Trommel, später spielte ich dann in der Jugend-Stadtkapelle, hatte Unterricht bei Arno Haselsteiner. Mit 16, 17 ging's dann mit den ersten Schülerbands los, woraus sich schließlich die "RockSociety" entwickelt hat, mit der ich eine schöne Zeit hatte, eine EP und ein Album veröffentlichen konnte. Aber das löste sich dann irgendwann auf, der Sänger ging wieder zurück nach Österreich. Zeitgleich tat sich bei mir privat und beruflich so einiges, weshalb ich die Sticks erst mal etliche Jahre beiseite legte. Wie dann die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, hab ich wieder eine Band gesucht, aber einfach nichts gefunden. Was in erster Linie sicherlich an meinen Ansprüchen lag. Im "Le Clou" in München bin ich schließlich auf den Georg gestoßen, die Chemie stimmte auf Anhieb, und noch ohne, dass wir jemals einen Ton miteinander gespielt hatten, haben wir uns in Allach einen Proberaum gemietet. Der Rest ist Geschichte. Unser erstes großes gemeinsames Ziel mit "Tame the Abyss", was ja so viel heißt wie "zähme den Abgrund", ist das Debüt-Album auf Vinyl im kommenden Jahr. Was dagegen meinen persönlichen Traum angeht – da belächeln mich immer alle, aber wir reden dann drüber, wenn es soweit ist (lacht): Eine schöne Nightliner-Tour durch Deutschland oder vielleicht sogar Europa und jeden Abend in einer anderen Stadt eine Show spielen. Das ist mein großer Traum. Weil dann bin ich wirklich ein echter Rockstar. (Das Interview führte Christian Köpf)
"Tame the Abyss" live in Pfaffenhofen
- Samstag, 7. August, 20 Uhr (Einlass: 19.30 Uhr)
- "Double-Trouble-Rock-Night"
- "Tame The Abyss" und "Mulberry Sky"
- Innenhof des Landratsamts, Pfaffenhofen
- Eintritt: 17 Euro
- Tickets: www.okticket.de
- Weitere Infos, auch zu einer möglichen wetterbedingten Verschiebung auf www.pfaffenhofen.de/kultursommer, oder auf der Facebook-Seite des Pfaffenhofener Kultur-Sommers.
- Weitere Infos zur Band: www.tame-the-abyss.de