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Ein alter Bildstock erinnert an einen schrecklichen Arbeitsunfall, der sich vor über 100 Jahren im Landkreis Freising ereignet hat.

Von Kreisheimatpfleger Dr. Bernd Feiler

Im Landkreis Freising finden sich zahlreiche Flurdenkmäler, die man als Wegkreuze, Bildstöcke oder Marterl bezeichnet. Sie regen zur Andacht an, künden als Zeichen der Dankbarkeit von einer überwundenen Notlage oder erinnern an einen Unglücksfall. Ein geheimnisvoller Gedenkstein verbirgt sich bei Marzling am südlichen Isardamm. Der Freisinger Altphilologe Richard Schnell hat dessen Geschichte enthüllt und die Kreisheimatpflege auf den Bildstock aufmerksam gemacht.

Ein Fußweg führt von der Isarstraße aus zwischen den Flüsschen Angerbach und Goldach etwa 800 Meter durch die Isarau. Dort steht an einer Wegschleife ein stark verwitterter Steinobelisk. Auf seiner Nordseite informiert eine ovale Inschriftenplatte knapp über ein trauriges Ereignis: "Hier verunglückte Hans Sedlmayr am 24. Juni 1909." Über dem Text ist ein zuckender Blitz eingraviert. Dieses Motiv führte lange zu der Annahme, Sedlmayr sei von einem Blitz erschlagen worden.

Was sich aber tatsächlich im Frühsommer vor über 100 Jahren an dieser Stelle zugetragen hatte, berichteten damals die Zeitungen: Der 37-jährige Johann Martin Sedlmayr, der als Elektro-Monteur beim Elektrizitätswerk in München arbeitete, war mit zwei Helfern damit beschäftigt, die vom Moosburger Wasserkraftwerk Uppenborn I in die Landeshauptstadt führende Starkstrom-Leitung zu reparieren. Die Leitung war unterbrochen und stromlos. Nach Abschluss der Arbeiten gab Sedlmayr nach Moosburg telefonisch die Anweisung, den Strom wieder durchzuleiten.

Der Elektro-Monteur warnte seine Helfer vor dem wieder fließenden Strom und gab ihnen Anweisung, die Isolatoren zu beobachten. Daraufhin wandte er sich um und kam versehentlich mit der stromführenden Leitung in Berührung. Johann Sedlmayr war augenblicklich tot. Tragischerweise ereignete sich dieses Unglück an Sedlmayrs Geburtstag. Seine Frau und zwei gemeinsame Kleinkinder warteten an diesem Abend in der Münchner Arndtstraße vergeblich auf die Rückkehr des Familienvaters. Es war eine kleine Feier geplant, Sedlmayr hatte nämlich am 24. Juni Namens- und Geburtstag.

Stromleitungen wurden in dieser Zeit häufig durch Vandalismus beschädigt. Jugendliche warfen gerne Steine auf Hochspannungs-Leitungen oder zielten mit Geschossen auf sie. Der explosionsartige Knall und die sprühenden Funken gaben wohl damals manchen Heranwachsenden den notwendigen Kick. Und so warnte die Freisinger Zeitung angesichts des Unglücksfalls in den Isarauen ausdrücklich vor den fatalen Folgen derartiger Sabotage-Akte. Eltern wie Lehrer wurden aufgerufen, die Jugend darüber aufzuklären.

 

Wer den Obelisken für Johann Sedlmayr errichten ließ, ist bislang nicht bekannt. Waren es Verwandte, Kollegen oder gar der Arbeitgeber? Der Bildstock steht auf Marzlinger Gemeinde-Gebiet, die Zuständigkeiten bedürfen der Klärung. Die Denkmalschutz-Behörde hat das Flurdenkmal noch nicht entdeckt, in der Denkmal-Liste findet sich kein entsprechender Eintrag. Der Gedenkstein ist in einem schlechten Zustand. Starke Verwitterung beeinträchtigt seine Oberfläche, die Inschrift ist kaum noch lesbar.

Außerdem müsste die Standsicherheit des Steines überprüft werden. Vielleicht findet sich ein Weg, den Obelisken zu restaurieren. Schließlich ist er ein wichtiges heimatgeschichtliches Denkmal, das an die historische Strom-Trasse erinnert, mit der einst München von Moosburg aus mit Elektrizität versorgt wurde. Der Bildstock gibt darüber hinaus Zeugnis von einem tragischen Schicksal, das vor 112 Jahren an dieser Stelle einem Mann widerfahren ist. Und das macht den Gedenkstein umso wertvoller.


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