Bundesweite Aktion am Dienstag. Kliniken machen auf wirtschaftliche Situation aufmerksam: Steigende Kosten, fehlende Refinanzierung. Klinikum Ingolstadt ruft zu Unterzeichnung einer Petition auf.
(ty) Mit einem bundesweiten Aktions- beziehungsweise Protest-Tag machen am morgigen Dienstag, 20. Juni, unter der Überschrift "Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not" zahlreiche Kliniken in Deutschland auf ihre wirtschaftliche Situation aufmerksam. Auch die Ilmtalklinik-GmbH, unter deren Dach die beiden Krankenhäuser in Pfaffenhofen und Mainburg firmieren, beteiligt sich. Man sehe sich "durch immense inflationsbedingte Kosten-Steigerungen und fehlende Refinanzierung betroffen", heißt es in einer offiziellen Mitteilung, die am heutigen Montagabend veröffentlicht wurde. Auch das Klinikum in Ingolstadt unterstützt die Aktion und ruft dazu auf, eine Petition der deutschen Krankenhaus-Gesellschaft für eine bessere Finanz-Ausstattung der Kliniken zu unterzeichnen.
Ilmtalkliniken
Christian Degen, Geschäftsführer der Ilmtalklinik-GmbH, die von den Landkreisen Pfaffenhofen und Kelheim getragen wird, erklärt: "Wir schließen uns dem Protest und dem Aktions-Tag an, weil wir endlich wieder Verlässlichkeit bei der Finanzierung der Kliniken benötigen." Man habe im vergangenen Herbst mit einer Rettungsfahrt durch Deutschland auf die Missstände aufmerksam gemacht. "Es gab danach auch politische Hilfe", räumt Degen ein – "aber zum einen nicht genug und vor allen Dingen nicht nachhaltig".
Sein Appell: "Wir müssen weg von immer neuen Hilfspaketen. Die Krankenhäuser benötigen verlässliche Sicherheit. Sicherheit für Krankenhaus-Träger, Beschäftigte aber auch und vor allem für Patientinnen und Patienten." Er prophezeit: "Wenn politisch nicht gehandelt wird, erleben wir einen eiskalten Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgungs-Sicherheit."
Schon im Herbst vergangenen Jahres – so die Ilmtalklinik-GmbH – sei von Krankenhäusern darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie extremer Insolvenz-Gefahr ausgesetzt seien. "Auch unabhängige Untersuchungen, wie der Krankenhaus-Rating-Report, spiegeln wider, dass fast jedes zweite Krankenhaus von Insolvenz bedroht ist und fast keine Klinik mehr eine schwarze Null schreibt", heißt es weiter. Die Bundesregierung habe auf die Energie-Kosten-Steigerungen reagiert und sechs Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Diese flössen aber nur teilweise wirklich in die Kliniken.
Immerhin, erklärt die Ilmtalklinik-GmbH, habe sich die Politik nun aber kurzfristig entschlossen, dass vier dieser sechs Milliarden Euro als direkte pauschale Hilfen ausgezahlt würden. Andere inflationsbedingte Mehrkosten – wie bei Material, externen Dienstleistern oder Lebensmitteln – träfen die Kliniken trotzdem weiterhin. "Die Krankenhäuser haben aber keine Möglichkeit, die gestiegenen Preise weiterzugeben", wird betont. Die Preissteigerungen der Kliniken seien für das laufende Jahr bei 4,3 Prozent gesetzlich gedeckelt – die Inflation liege jedoch weit darüber.
"Durch die inflations-bedingten Kosten-Steigerungen werden die Krankenhäuser in Deutschland bis Ende des Jahres 2023 ein Defizit von rund zehn Milliarden Euro angehäuft haben", heißt es aus der Ilmtalklinik-GmbH. Zu den Kosten-Belastungen gehöre auch die nur teilweise gesicherte Refinanzierung der Tarif-Steigerungen. Und für nächstes Jahr seien nach dem Tarif-Abschluss im öffentlichen Dienst weitere Kosten-Steigerungen absehbar. Die Kliniken fordern laut Ilmtalklinik-GmbH an dem bundesweiten Aktionstag die Politik dazu auf, "verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie wieder in wirtschaftlicher Sicherheit verlässlich ihre Arbeit planen können".
Bis die große Krankenhaus-Reform wirklich greife, müssten Insolvenzen in den Krankenhäusern vermieden werden, damit die Versorgungs-Sicherheit überall im Land gesichert sei. Daher sei es entscheidend, dass die Arbeit der Kliniken nicht immer wieder durch kurzfristige Hilfsprogramme und Rettungsschirme unterstützt werde. Vielmehr benötige das Krankenhaus-System verlässliche und nachhaltige Finanzierung, die die Kliniken aus der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit heraushole.
Klinikum Ingolstadt
"Die wirtschaftliche Situation für Krankenhäuser war schon in den vergangenen Jahren schwierig", sagt Jochen Bocklet von der Geschäftsführung des Klinikums in Ingolstadt. Der hohe finanzielle Druck auf die Krankenhäuser habe sich in der ersten Jahreshälfte weiter erhöht. "Zu den von der Inflation getriebenen Kosten-Steigerungen, die nur zu einem Teil ausgeglichen werden, kommen noch die Tarif-Erhöhungen, deren Refinanzierung ebenfalls nicht vollständig gesichert ist." Seine Forderung: "Wir benötigen endlich verlässliche adäquate finanzielle Rahmenbedingungen, damit wir die Versorgung unserer Patienten auf dem medizinisch hohen Niveau weiterhin gewährleisten können."
Andreas Tiete, Co-Geschäftsführer am Klinikum von Ingolstadt und ärztlicher Direktor, ergänzt: "Bis zur Wirkung der geplanten Struktur-Reform für die Krankenhaus-Vergütung durch die Bundesregierung wird zu viel Zeit verstreichen, deswegen sind Soforthilfen des Gesetzgebers nötig." Die Krankenhäuser benötigten finanzielle Unterstützung für den Übergang in neue Versorgungs-Strukturen. So müssten sich die Kliniken neben den kommenden Restrukturierungen der Versorgungs-Angebote und -Leistungen, der Reduktion vorhandener Standorte und Betten-Kapazitäten auch darauf vorbereiten, dass sie künftig deutlich mehr medizinische Leistungen ambulant anstatt bisher stationär erbringen müssten.
Die bayerische Krankenhaus-Gesellschaft – so führt das Klinikum Ingolstadt in Zahlen aus – gehe nach ihrer jüngsten Umfrage unter den Klinik-Leitungen von einer dramatischen Verschlechterung der finanziellen Situationen: Im Jahr 2021 habe etwa jedes zweite Krankenhaus in Bayern ein Defizit gemeldet, im vergangenen Jahr seien es bereits 71 Prozent gewesen – und für heuer rechneten 89 Prozent der Krankenhäuser im Freistaat mit teils hohen Verlusten.
Der vergangene Woche erschienene Krankenhaus-Rating-Report des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschafts-Forschung gehe in einem Szenario davon aus, dass heuer bundesweit 18 Prozent der Krankenhäuser erhöht insolvenz-gefährdet seien und sich diese Zahl bis zum Jahre 2030 auf 44 Prozent erhöhen könnte.
Die Geschäftsführung des Klinikums von Ingolstadt rief heute ausdrücklich dazu auf, die Petition der deutschen Krankenhaus-Gesellschaft für eine bessere Finanz-Ausstattung der Kliniken zu unterzeichnen. Das ist online möglich unter diesem Link.
Bayerns Gesundheits-Minister
Der bayerische Gesundheits-Minister Klaus Holetschek (CSU) setzt sich nach eigenem Bekunden für eine deutliche Steigerung der Investitions-Kosten-Förderung für bayerische Kliniken in den kommenden Jahren auf eine Milliarde Euro pro Jahr ein. Er begrüßte heute ein vom CSU-Parteivorstand beschlossenes Regierungs-Programm mit dem entsprechenden Vorhaben. "Unser Ziel ist, die Klinik-Milliarde als neuen Standard zu verankern. Das ist gerade mit Blick auf die Herausforderungen durch die Krankenhaus-Reform des Bundes ein kraftvolles Bekenntnis zu unserer Planungs- und Finanzierungs-Verantwortung als Staatsregierung", erklärte er. "Ich werde alles daran setzen, die Klinik-Milliarde gemeinsam mit dem Finanzminister in den dafür notwendigen Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem bayerischen Landtag zu verankern. Die Klinik-Milliarde sollte so bald wie möglich reale Politik werden."
Holetschek weiter: "Schon heute investiert Bayern von allen Flächenländern am meisten in seine Krankenhäuser – allein seit 2018 nehmen wir Jahr für Jahr 643 Millionen Euro in die Hand. Das sind insgesamt weit mehr als drei Milliarden Euro in fünf Jahren." Mit der Klinik-Milliarde wolle man die Krankenhaus-Investitionen somit um mehr als 50 Prozent pro Jahr erhöhen. Das sei im Bundesvergleich absolutes Spitzenniveau. "Daran sollte sich die Bundesregierung ein Beispiel nehmen, wenn es beispielsweise um Unterstützung bei der Betriebs-Kosten-Finanzierung geht", findet der Minister.
"Damit schaffen wir die Grundlage für die Sicherung einer leistungsfähigen Krankenhaus-Versorgung in Bayern", so Holetschek. "Unsere Förderung hat sich bestens bewährt, und wir werden sie bedarfsgerecht und zukunftsorientiert weiterentwickeln. Angesichts der aktuellen Herausforderungen wie steigende Baukosten, Klimaschutz und die geplante Krankenhaus-Reform des Bundes müssen wir die finanzielle Unterstützung für unsere Kliniken weiter ausbauen." Er versichert: "Selbstverständlich stehen wir auch in diesen turbulenten Zeiten an der Seite unserer Krankenhäuser. Denn die flächendeckende stationäre medizinische Versorgung der Menschen in Ballungsgebieten und im ländlichen Raum muss gewährleistet sein."
Gerade auf die kleineren Krankenhäuser im ländlichen Raum kommen seinen Worten zufolge teils hohe Investitionen zu, "um die in den kommenden Jahren notwendigen Anpassungen zu meistern und den Wettbewerbs-Druck zu schultern, der durch die neuen Vorgaben aus Berlin entsteht". Holetschek: "Wir wollen die Kliniken dabei unterstützen, moderne Strukturen zu schaffen. Für die erforderliche Transformation stellen wir zusätzliche 100 Millionen Euro über die kommenden fünf Jahre zur Verfügung." Zugleich proklamiert der CSU-Politiker: "Aber auch die Bundesregierung darf sich bei der finanziellen Unterstützung der Krankenhäuser nicht wegducken." Der Bund sei in der Verantwortung, die Betriebskosten der Kliniken zu sichern. "Ich fordere die Bundesregierung daher erneut auf, dieser Verantwortung endlich nachzukommen."
Holetschek mit Blick nach Berlin: "Die Krankenhaus-Reform des Bundes enthält zwar richtige Ansätze, um die finanzielle Schieflage der Kliniken zu beseitigen. Aber es braucht im Rahmen der Reform auch zusätzliche Mittel für eine auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser." Zudem müssten die Kliniken, bis die Reform greife, finanziell gesichert werden, über die versprochenen Energie-Kosten-Hilfen hinaus.
"Ohne weitere finanzielle Unterstützung kann es angesichts der wirtschaftlichen Situation der Kliniken sonst in der Tat recht rasch zu Insolvenzen kommen", sagt auch er. "Einen kalten Strukturwandel müssen wir unbedingt verhindern, vor allem bei kleineren Krankenhäusern." Bayern habe das erkannt und handele, so der CSU-Politiker: "So stellen wir den bayerischen Krankenhäusern aus dem bayerischen Härtefall-Fonds einmalig 100 Millionen Euro mit Blick auf bislang nicht gedeckte Sachkosten-Steigerungen im Jahr 2023 zur Verfügung."
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