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Zur Freilicht-Inszenierung des Musicals „Der Mann von la Mancha“  im Ingolstädter Turm Baur – Mit Video

Von Michael Schmatloch 

Es gibt kaum ein Stück Weltliteratur, das faszinierender wäre als „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes. Und keines, das sich nachhaltiger einer gültigen Interpretation entzieht. Gerade deshalb hat es unzählige Musiker, Maler und Philosophen nachhaltig beflügelt. Und auch Dale Wasserman und Mitch Leigh, die aus diesem Stoff das Musical „Der Mann von La Mancha“ gemacht haben. Und das setzt in der Regie von Cornelia Crombholz als letzte Inszenierung im Turm Baur einen grandiosen Schlusspunkt unter eine überaus engagierte Saison. Ein furioses Feuerwerk aus Fantasie und Spielfreude, aus komödiantischem Esprit und musikalischem Charme.

Es ist in der Tat überaus kurzweilig, was Cornelia Crombholz da aus einem vor spielerischem Format strotzenden Team herauszaubert, wie sie geschickt die halbrunde Bühne des Turm Baur für dieses Spiel im Spiel nutzt. Es ist ja nicht der Don Quijote, wie man ihn kennt, der dieses Musical so faszinierend macht, sondern die Idee, den Autor Miguel de Cervantes in einem Kerker der Inquisition zu zeigen, wo er den Mitgefangenen quasi als eigene Verteidigungsrede in einem fingierten Verfahren sein Stück vorspielt. Aus ihm selbst wird sein Romanheld, die Mithäftlinge mutieren zu Ritter, Schlossherr, Pfarrer oder Edelfräulein.

Das lässt sich natürlich überaus amüsant in Szene setzten. Und das ist Crombholz zweifelsfrei gelungen. Das Repertoire ihrer Einfälle scheint nahezu unerschöpflich, vom subtilen Scherz bis zum platten Slapstick lässt sie kaum etwas aus. Und das Publikum folgt ihrem komödiantischen Feuerwerk mit wachsender Begeisterung. Zumal mit Peter Reisser als Don Quijote und Renate Knollmann als Dulcinea eine traumhaft souveränes Protagonistenpaar auf der Bühne steht. Das ist einfach nur noch grandios.

Auch die hochfunktionellen hölzerne Bühnebauten (Marion Hauer) und der souveräne Griff in den Kostümfundus des Hauses machen diesen „Mann von la Mancha“ zu einem Freilichtvergnügen, wie man es sich kaum perfekten wünschen könnte. Das sollte, das muss man einfach gesehen haben.

Und wenn Miguel de Cervantes nach knapp zwei pausenlosen Stunden auf einem geflügelten Ross das Halbrund des Turm Baur im Theaternebel verlässt, um nun sein Verhör vor der spanischen Inquisition zu bestehen, mag man das als Zeichen seines sicheren Sieges deuten. Oder auch nur als letztes Symbol dafür, dass man gerade im Freilichttheater dem Affen eben gerne Zucker gibt.

Bei aller Qualität und all dem hinreißenden Charme dieser Inszenierung bleibt von der im Grunde doch tragikomischen Geschichte der tragische, der indifferente, der geheimnisvolle Teil des Stoffes ein wenig blass. Was gerade das Schlussbild trefflich verdeutlicht. Denn Miguel de Cervantes hat mit seinem Kerkerspiel ja genau das geschafft, was er seinem Romanhelden Don Quijote als Aufgabe mit auf den Weg gegeben hat: Er hat die groben Gesellen im Kerker ein Stück weit zu Idealisten geformt, die Hure Aldonza wirklich ein klein wenig zu Dulcinea werden lassen. Diese Szene, die eher die Tränen des Publikums einfordert denn das Lachen, die haben beispielsweise Peter O’Toole und Sophia Loren in der berühmten Verfilmung des Musicals aus den 70er Jahren geradezu genial vorgegeben. In der Ingolstädter Inszenierung gerät das finale „To dream the impossible dream“ aber ebenso wenig zum Beweis für die Kraft der von Don Quijote verkörperten Ideale, wie das rührende Duett von Aldonza und Quichote am Sterbebett die Wiedergeburt des „unmöglichen Traums“ glaubhaft machen könnte.

Das Geheimnisvolle des Don Quijote ist nicht die Sache dieser Inszenierung. Wie sich weit draußen über der offenen Ebene der Mancha die hagere Gestalt des Don Quijote zu einem Fragezeichen krümmt – so hat es der große spanische Philosoph José Ortega y Gasset einmal trefflich formuliert – das zeigt dieser Ingolstädter „Mann von la Mancha“ weniger.

Was dem Vergnügen dieses Theaterabends indes keinen Abbruch tut. Eine geschlossene Ensembleleistung, mitreißend in Szene gesetzt und trefflich untermauert von der musikantischen Spielfreude der Theaterband unter der Leitung von Nina Wurman reißen die Zuschauer zu Recht zu begeistertem Applaus hin.


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