Erneut wurde im Kreistag von Pfaffenhofen über die tiefroten Zahlen und das weitere Vorgehen debattiert. Am Ende verordnete man sich mal wieder das Prinzip Hoffnung.
Von Tobias Zell
In einer Sonder-Sitzung des Kreistags von Pfaffenhofen ist es diese Woche nicht nur darum gegangen, dass die Ilmtalklinik-GmbH für heuer ein neuerliches Rekord-Defizit erwartet, sondern es wurde auch über die Gründe und die weitere Vorgehensweise diskutiert. Dabei reichten die Einlassungen von der Forderung nach schonungsloser Aufklärung über Appelle zu mehr Mut bis hin zu Durchhalte-Parolen. Aber wie therapiert man zwei finanziell schwerkranke Kliniken, wenn man sich schon bei der Diagnose nicht einig ist? Angesichts divergierender Ansichten und einer gewissen Ratlosigkeit verordnet man sich das Prinzip Hoffnung – und zwar keinesfalls in homöopathischen Dosen.
Die Finanzierung der Ilmtalklinik-GmbH, unter deren Dach die Krankenhäuser in Pfaffenhofen und Mainburg – getragen von den Kreisen Pfaffenhofen und Kelheim – firmieren, wird eine immer größere Herausforderung. Das vergangene Jahr wurde mit einem Fehlbetrag von knapp 14 Millionen Euro abgeschlossen. Laut Wirtschaftsplan war sogar ein Defizit von 19,7 Millionen Euro erwartet worden. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Zumal für heuer mit einen Minus von rund 23 Millionen Euro gerechnet wird – der nächste Negativ-Rekord. "Wenn wir die bestehenden Strukturen so weiterfahren, wird es keine großen Veränderungen geben", sagt Ilmtalklinik-Geschäftsführer Christian Degen. Einen ausführlichen Bericht dazu lesen Sie hier: Ilmtalklinik-GmbH droht nächstes Rekord-Defizit: Zahlen, Fakten, Hintergründe
"Sau-teures" Gutachten
In der öffentlichen Kreistag-Sitzung waren die neusten Zahlen präsentiert worden. In seinem Situation-Bericht legte der – quer durch die Fraktionen immer wieder für Engagement und Transparenz gelobte – Ilmtalklinik-Chef Degen jede Menge an Daten und Erläuterungen auf den Tisch. Anschließend wurde wieder einmal engagiert und kontrovers diskutiert. Andreas Aichele (CSU) forderte angesichts der Entwicklungen "schonungslose Aufklärung". Er verwies dabei auch auf das jüngste, "sau-teure" Gutachten bezüglich der beiden Ilmtalkliniken, aus dem wenig umgesetzt worden sei.
Und das zusätzliche Regional-Gutachten, das auf ein gemeinsames Vorgehen beziehungsweise eine Kooperation der kommunalen Krankenhäuser in der Gegend abzielt, "zerbröckelt" nach Einschätzung von Aichele. Zumindest werde sich "alles ewig verzögern", befürchtet er auch mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl, die Klinik-Reform des Bundes und – was die Region angeht – die Oberbürgermeister-Wahl in Ingolstadt. Er sieht jedenfalls den Pfaffenhofener Landrat Albert Gürtner (FW), der auch Vorsitzender des Ilmtalklinik-Aufsichtsrats ist, in der Pflicht und fordert von ihm: "Übernehmen Sie endlich Führung und Verantwortung und sorgen Sie dafür, dass wir das in den Griff bekommen."
"Wir haben eine gute Richtung"
Gürtner hatte diese Woche, nach der traditionellen Herbst-Klausur mit den Spitzen der Kreistags-Fraktionen, per Presse-Mitteilung erklärt: "Die Unsicherheit zwingt uns zu Flexibilität und zu neuen Ansätzen, die wir mit einer gemeinsamen Medizin-Strategie für die Region auf den Weg gebracht haben. Gleichzeitig muss der Landkreis natürlich auch sorgsam mit den vorhandenen Mitteln haushalten." Im Kreistag verwies er auf Lohnsteigerungen, die Millionen für die Kliniken ausmachen, und warb erneut für ein gemeinsames Vorgehen in der Region: "Wir haben eine gute Richtung." Zugleich kritisiert er fehlende Vorgaben "von oben", also von der großen Politik, und sieht die Verantwortung bei der Landes- und Bundesregierung.
Die Kliniken würden kaputtgemacht, so Gürtner. Aus seiner Sicht bedarf es einer Krankenhaus-Planung für Bayern – inklusive Klärung der Frage, welche Häuser systemrelevant sind. Auch in Bezug auf die Äußerung von Aichele erklärte er, die Situation der Ilmtalkliniken "hat nichts mit einem Freie-Wähler-Landrat im Kreis Pfaffenhofen zu tun". Steigende Krankenhaus-Defizite seien ein Grundproblem, das die Kommunen an die Grenze der Leistungsfähigkeit bringe. Er appellierte an die Kreisräte, Druck zu machen auf die Landtags- und Bundestags-Abgeordneten. "Die Führungsstärke wäre da", attestierte sich Gürtner selbst – doch seine Arme reichten nicht bis zum Bundesgesundheitsministerium.
"Es geht ums Durchhalten"
Man habe hier "kommunalisierten Ärger" beziehungsweise "Ärger von oben nach unten", fasste Markus Käser (SPD) zusammen, dessen Partei derzeit den Bundesgesundheitsminister stellt. "Es geht ums Durchhalten", so die Botschaft des hiesigen SPD-Kreisvorsitzenden. Wer die aktuelle Phase überstehe, der könne auch nachher noch ein Krankenhaus haben – deshalb müsse man auch die Sanierung fortführen. In Richtung Aichele meinte er, es sei "Theater-Donner", jetzt den Frust beim Landrat abzuladen.
Michael Franken (Bürgerliste), Bürgermeister von Reichertshofen, erinnerte daran, dass die Ilmtalklinik-GmbH vor 15 Jahren noch kostendeckend gearbeitet hatte. Nun müsse der Landkreis Pfaffenhofen allein zum Ausgleich des Defizits aus dem laufenden Jahr gut 16 Millionen Euro einplanen – das entspreche in etwa den Grundsteuer-Einnahmen aller Landkreis-Gemeinden. Er sei "nervös" angesichts der Finanzlage des Landkreises mit steigenden Schulden. Nach Informationen unserer Zeitung könnte die Verschuldung des Kreises Pfaffenhofen bis zum Jahr 2030 nach derzeitigem Stand auf bis zu 85 Millionen Euro klettern.
"Wir waren nicht mutig genug"
Landrat Gürtner machte sich im Laufe der Debatte noch einmal dafür stark, gemeinsam in der Region eine zukunftsfähige Krankenhaus-Struktur aufzubauen, und warb für couragiertes Handeln. "Wir waren nicht mutig genug", räumte er mit Blick auf die Vergangenheit ein. Andreas Meyer (Bürgerliste), der Bürgermeister von Münchsmünster, sieht den Hauptgrund für die defizitäre Situation der Ilmtalklinik nicht im Landkreis Pfaffenhofen. Man habe doch eine Vollauslastung der beiden Häuser, sagte er unter Verweis auf die zuvor von Degen dargelegten Zahlen.
"Und jährlich grüßt das Murmeltier", befand Martin Rohrmann (CSU) wegen der erneut tiefroten Zahlen und der wieder einmal geführten Debatte. Ein Fehlbetrag von 23 Millionen Euro – das sei eine Summe, die sich ein normaler Bürger gar nicht mehr vorstellen könne, sagte er sinngemäß. Rechnerisch zahle man pro Operation 1000 Euro drauf, proklamierte er und mahnte Ehrlichkeit an. Er kritisierte, dass man sich nicht traue, strukturelle Maßnahmen anzugehen. Man müsse öffentlich darüber reden, einzelne Abteilungen zu schließen, sowie endlich auch mal Unliebsames diskutieren. Und man müsse die Maßnahmen ergreifen, die immer schon vorgeschlagen worden seien, meinte er mit Blick auf diverse Gutachten. Rohrmann ist auch Mitglied des Klinik-Aufsichtsrats.
"Uns steht das Wasser bis zum Hals"
"Wenn wir Kosten sparen wollen, müssen wir Abteilungen zumachen", entgegnete Landrat Gürtner und warnte vor den möglichen Folgen eines diesbezüglich überstürzten Handelns. Er plädierte gebetsmühlenartig für ein planmäßiges Vorgehen in der Region – andernfalls könnten seiner Meinung nach die Kapazitäten nicht mehr ausreichend sein. Auch Brigitta Winkelmann (Grüne) warnte vor einer "panikartigen" Schließung von Ilmtalklinik-Abteilungen. "Uns steht das Wasser bis zum Hals", hielt Rohrmann dagegen.
Josef Finkenzeller (FW) erinnerte daran, dass er vor zehn Jahren einmal angedeutet habe, dass man die Ilmtalklinik privatisieren könnte, und daraufhin gesteinigt worden sei. Darauf reagierte Gürtner jetzt mit einem ebenso pragmatischen wie bemerkenswerten Satz: "Heute nimmt uns keiner mehr!" AfD-Mann Alois Federl, der bekanntlich aus seiner Fraktion ausgeschlossen worden war und seither als fraktionsloses Mitglied im Kreistag sitzt, erklärte sinngemäß, dass Jammern über die Finanz-Situation der Ilmtalkliniken nichts helfe, "wenn wir von oben das Geld nicht kriegen". Werner Hammerschmid (SPD), auch Mitglied des Klinik-Aufsichtsrats, riet dazu, Kosten zu reduzieren und Patienten-Ströme schon am Eingang zu lenken.
"Von Anfang an Schwachsinn"
Stefan Skoruppa (ÖDP), Allgemein-Mediziner aus Jetzendorf, Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbands von Pfaffenhofen und ebenfalls Mitglied des Ilmtalklinik-Aufsichtsrats, betonte, dass die Personal-Anforderungen für Kliniken von der Politik über die Jahre immer weiter erhöht worden seien. Und an den Ilmtalkliniken habe man immer weiter aufgebaut, um mitunter an beiden Standorten dieselben medizinischen Leistungen erbringen zu können. Ein Herzkatheter-Labor in Mainburg sei "von Anfang an Schwachsinn" gewesen, monierte er. Ein struktureller Vorschlag: Seiner Ansicht nach sollte man am Krankenhaus in Mainburg eine Geriatrie einrichten. Gemeinsam ein Gesamt-Konzept für die Region zu entwickeln, ist seiner Meinung nach der richtige Weg. Er weiß aber auch: "Die privaten Kliniken sind uns meilenweit voraus."
Bemerkenswerterweise wurde diese öffentliche Sitzung des Kreistags, in der es am Montag ausschließlich um Ilmtalklinik-Themen ging, entgegen der üblichen Praxis, nicht live im Internet übertragen. Bekannt gegeben worden war das im Vorfeld nicht. Bürger und Medien waren vom Landratsamt nicht informiert worden. Unsere Redaktion hatte erst auf Nachfrage und sehr kurzfristig am Montag davon erfahren. Lokalpolitiker wussten offenbar ebenfalls nichts von dieser einsamen Entscheidung: Die Grünen hatten sogar auf "Facebook" noch Reklame für den vermeintlichen Live-Stream gemacht (siehe Screenshot oben).
Technische Schwierigkeiten
Auf Anfrage unserer Zeitung wurde aus dem Landratsamt am Montag erklärt: "Aufgrund der technischen Schwierigkeiten in den letzten Kreistag-Sitzungen sind heute Techniker der Hersteller-Firma der Mikrofon-Anlage vor Ort, um die Anlage im Live-Betrieb zu überprüfen. Daher haben die Verantwortlichen im Haus entschieden, die heutige Sitzung nicht im Live-Stream zu übertragen."
Einen ausführlichen Bericht zur Finanz-Situation der Ilmtalkliniken lesen Sie hier: Der Ilmtalklinik-GmbH droht das nächste Rekord-Defizit: Zahlen, Fakten, Hintergründe