Wenn es nur nach dem Bürgermeister ginge, würde sich Pfaffenhofen wohl nicht an der landkreisweiten Bewerbung für das Förderprogramm "Leader" bewerben – doch auf Druck von verschiedenen Seiten hin hat er nun seine Meinung ziemlich schnell und um 180 Grad geändert
Von Tobias Zell
Auf den ersten Blick liest sich das bemerkenswert selbstlos. Obwohl die Kreisstadt Pfaffenhofen keine sachlichen Gründe dafür sieht und trotz der Kosten, will sie an dem Förderprogramm „Leader“ teilnehmen. Aus „Solidaritätserwägungen“, wie heute in einer Pressemitteilung aus dem Rathaus erklärt wurde. Denn praktisch alle anderen 18 Landkreisgemeinden machen mit. Auf Initiative von Bürgermeister Thomas Herker (SPD) persönlich soll nun ein entsprechender Beschlussvorschlag in der nächsten Stadtratssitzung am 31. Juli zur Abstimmung stehen. Das ist bemerkenswert. Denn man muss diese Solidaritätsbekundung des Rathauschefs einzuordnen wissen. Sie kamen nämlich nach Informationen unserer Zeitung nicht so ganz freiwillig zustande, sondern ist vielmehr eine Reaktion auf mehr oder weniger sanften Druck – auf Landkreis-Ebene und auch aus Reihen der Koalition im Stadtrat.
Im Grunde geht es um die Symbolik: Ausgerechnet Pfaffenhofen könnte es sich wohl schwer erlauben, bei einer landkreisweit angelegten Bewerbung nicht mitzumachen. Ausgerechnet die Kreisstadt als weißer Fleck – wo doch eine Förderregion ein geschlossenes Gebiet sein sollte. Doch genau das hätte der Bürgermeister offenbar am liebsten durchgezogen. Denn Herker, das ist kein Geheimnis, hält von der Teilnahme an dem Leader-Programm nicht sonderlich viel. Und so ist man in der heutigen Presseerklärung von Seiten der Stadt auch merklich bemüht, herauszuarbeiten, dass man nun wirklich nicht voller Begeisterung der Teilnahme entgegenblickt, sondern eben aus Solidarität mit ins Boot steigt.
Für die Pfaffenhofen sei das Leader-Programm mit seinem besonderen Augenmerk auf ländlich geprägte Räume aus mehreren Gründen „nur von untergeordneter Bedeutung“, heißt es aus dem Rathaus. Die Kreisstadt verfüge nämlich mit ihrem Klimaschutzkonzept und dem umfangreichen Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) seit längerer Zeit über strukturierte Planungen als verbindliche Richtlinien für konkrete Maßnahmen. Und für das Großprojekt der Gartenschau 2017 bilde wiederum das so genannte EFRE-Programm die maßgebliche staatliche Förderung. Seit Herbst betreibe die Stadtverwaltung hierzu – im Verbund mit vier Umlandgemeinden – die Aufnahme in dieses Programm, „das den Teilnehmern ungleich höhere Fördersummen bietet“, wie betont wird. Zudem verursache EFRE „einen deutlich geringeren organisatorischen Aufwand, so dass auch kein vergleichbarer Kostenaufwand entsteht“. Und darüberhinaus sei die EFRE-Zielsetzung einer nachhaltigen Stadt-Umland-Entwicklung „sehr viel besser auf die für und um Pfaffenhofen geplanten Maßnahmen zugeschnitten“, argumentiert man.
Höchst skeptisch wird also die Teilnahme an „Leader“ im Pfaffenhofener Rathaus bewertet. Und das mag auch der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass Bürgermeister Herker diesbezüglich lange kein sonderlich großes Engagement an den Tag gelegt hat. Beziehungsweise gar keines. Das zeigt sich schon daran, dass hier bislang über die Teilnahme noch nicht einmal öffentlich diskutiert worden ist – während 16 der 19 Landkreis-Gemeinden bereits ihre Teilnahme offiziell beschlossen haben, wie uns heute vom Landratsamt bestätigt wurde. Bleiben also drei Gemeinden: In Rohrbach steht das Thema demnächst noch einmal auf der Tagesordnung, Hohenwart gehört zur Leader-Arbeitsgruppe „Donaumoos“ und nimmt auf diesem Wege teil – und Pfaffenhofen hat sich im Stadtrat noch nicht einmal richtig damit befasst.
Dabei steht heute Abend seit 18.30 Uhr im Deutschen Hopfenmuseum in Wolnzach schon die erste von drei Auftaktveranstaltungen an. „Machen Sie mit! Kommen Sie zu den nächsten Veranstaltungen! Eingeladen sind alle Bürgerinnen und Bürger, die sich in diesen Prozess einbringen wollen, insbesondere Vorsitzende von Vereinen und Organisationen und Kommunalpolitiker“, heißt es dazu aus dem Landratsamt – während in Pfaffenhofen noch nicht einmal klar ist, ob man nun mitmacht. Die Tatsache, dass heute Abend die erste Veranstaltung steigt, dürfte indes auch erklären, warum – ohne sonstigen Anlass – just heute Nachmittag die Presseerklärung aus dem Pfaffenhofener Rathaus versandt wurde, in der nun signalisiert wird, dass man nun „voraussichtlich“ an dem Förderprogramm teilnimmt.
„Voraussichtlich.“ Weil ob die Kreisstadt wirklich mit im Boot ist, das muss erst die Abstimmung im Stadtrat zeigen. Von einem Ja ist allerdings auszugehen, nachdem der Bürgermeister mit seinem Sinneswandel die Richtung vorgegeben hat – und die Zahl derer, die gegen die Teilnahme an einem Förderprogramm sind, gegen null gehen dürfte. Nachdem Herker bislang anscheinend versucht hat, das Thema auszusitzen – sonst hätte er es längst im Stadtrat behandeln lassen – hat er es nun nicht nur höchst persönlich auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gestellt, sondern wirbt damit, der Leader-Teilnahme zuzustimmen.
Der Herker’sche Umschwung kam aber nicht von ungefähr. Wie zu erfahren ist, gab es auf Landkreis-Ebene verschiedene Bemühungen, ihn doch noch dazu zu bewegen, einer Teilnahme Pfaffenhofens das Wort zu reden und damit den Weg zu bereiten. Wie das ablief, da gehen die Schilderungen auseinander. Der eine berichtet, man habe ihn intensiv gebeten. Ein zweiter weiß, dass es schon ein bisschen gestaubt hat. Der dritte meint, Herker sei mit seiner möglichen Zukunft konfrontiert worden; will sagen: Sollte er irgendwann doch kreispolitische Ambitionen haben sollte, die über seinen Sitz im Kreistag hinausgehen, dann würde man sich und ihn möglicherweise daran erinnern, dass er damals in Sachen „Leader“ der Geisterfahrer gewesen sei. Gesichert ist: Auf Einwirkung von mehrerer Politiker aus Stadt und Kreis schwenkte Herker um; binnen kürzester Zeit und um 180 Grad.
Das liest sich nun so: „Auch wenn sachliche Gründe keine Beteiligung am Leader-Projekt des Kreises erfordern und trotz der dadurch für den Stadthaushalt entstehenden einwohnerbezogenen Kosten, wird sich die Kreisstadt Pfaffenhofen gleichwohl aus Solidaritätserwägungen mit den übrigen 18 Landkreisgemeinden voraussichtlich für eine Teilnahme am Leader-Projekt 2014-2020 entscheiden.“ So wurde es heute in der besagten Pressemitteilung aus dem Rathaus verkündet. Ein entsprechender Beschlussvorschlag sei auf Vorschlag von Herker für die Stadtratssitzung am 31. Juli schon vorbereitet.
„Wir begrüßen die Beteiligung der Stadt Pfaffenhofen an der Leader-Initiative des Landkreises“, kommentiert Landrat Martin Wolf (CSU) die aktuelle Entwicklung gegenüber unserer Zeitung. Er hat angeblich dieser Tage selbst noch einmal mit Engelszungen auf Herker eingeredet und für „Leader“ geworben. Die Bemühungen des Kreischefs dürften allerdings wohl kaum den Ausschlag gegeben haben. Denn man muss kein Insider sein, um zu wissen, dass sich die beiden nicht sonderlich mögen.
Wolf aber gibt sich angesichts der für den Landkreis erfreulichen Nachricht sachlich. „Die Kreisstadt kann wichtige Impulse im Verlauf des Leader-Prozesses einbringen“, sagt er und betont: „Die Chancen, bei der nächsten Förderperiode zum Zuge zu kommen, steigen damit deutlich, weil der Landkreis als geschlossene Einheit auftreten kann. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.“
Herker war heute Abend für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, meldete sich aber nach der Veröffentlichung dieses Artikels per SMS zu Wort: "Ich bestreite schlicht, dass es entsprechende Bemühungen gab, mich umzustimmen, definitiv keinen solchen Versuch von Landrat Wolf in jüngster Zeit, ganz im Gegenteil, ich bin auf ihn zugegangen." Er sei auch Teilnehmer am ersten Workshop gewesen, so Herker weiter, und er habe heute Matthias Scholz, den Geschäftsführer der städtischen Wirtschafts- und Servicegesellschaft (WSP), als Vertreter zu der Leader-Veranstaltung entsandt, da er selbst auf dem Städtetag weile. Diesbezüglich habe er sich "bereits vor vier Wochen entschuldigt und auf die schlechte Wahl des Termins verwiesen, zumal auch zwei Kollegen der großen Landkreisgemeinden nicht teilnehmen können".
Derzeit wird, wie berichtet, die landkreisweite Bewerbung um die Aufnahme in das europäische Förderprogramm „Leader“ für die Jahre 2014 bis 2020 vorbereitet. Die Aufnahme als Leader-Region soll der Entwicklung des ländlichen Raumes dienen; als Ziel der Förderung gilt es, regionale und lokale Konzepte für Lebensqualität, Anziehungs- und Wirtschaftskraft insbesondere im Blick auf Dörfer, Infrastruktur und Innovation in ländlich geprägten Räumen zu unterstützen. Eine Umsetzung unter Beteiligung der Bevölkerung wird dabei besonders hervorgehoben.
Für jedes ausgewählte Fördergebiet, das mindestens 60 000 Einwohner umfassen muss, steht voraussichtlich eine Gesamtsumme von etwa einer Million Euro – verteilt auf sieben Jahre – zur Verfügung. Bezuschusst werden Projekte mit zuwendungsfähigen Kosten zwischen 5000 und 300 000 Euro. Damit „Leader“ aber überhaupt aktiv werden kann, muss vor Ort eine lokale Arbeitsgruppe (LAG) eingerichtet werden, die dann eine „lokale Entwicklungsstrategie“ (LES) erarbeitet. Nach einem intensiven, mehrstufigen Auswahlverfahren stehen die geförderten Projekte fest.
Der Landkreis hat bereits ein Fachbüro beauftragt, um diese LES zu verfassen, sagte heute ein Sprecher des Landratsamts auf Anfrage. Diese Strategie soll im Herbst fertiggestellt und dann beim bayerischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingereicht werden. Ein Leader-Manager für den Landkreis würde im Falle der Aufnahme in das Förderprojekt eingestellt werden; er soll dann beim Kommunalunternehmen für Strukturentwicklung im Landkreis (KUS) angesiedelt werden.
Zur Finanzausstattung der Organisation vor Ort sind bis zum Ende der Leader-Periode im Jahr 2020 sind – für PR-Ausgaben, Geschäftsführung, Veranstaltungen und das Entwicklungskonzept selbst – per anno 118 000 Euro veranschlagt – also rund ein Euro pro Landkreis-Einwohner. Wobei 50 Prozent vom Kreis und 50 Prozent aus den teilnehmenden Gemeinden finanziert werden soll.