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Am vierten Verhandlungstag im Geiselnehmerprozess sagte der Chirurg aus, der den Geiselnehmer nach der Befreiungsaktion wieder zusammengeflickt hatte 

(ty) Was genau ist passiert, als das Sondereinsatzkommando der Polizei am 19. September 2013 im Alten Rathaus nach neun Stunden das Vorzimmer von Bürgermeister Sepp Mißlbeck stürmte, um die Geiseln zu befreien, die Sebastian Q. den ganzen Tag über in seiner Gewalt gehabt hatte. Wie genau ist der so genannte „Zugriff“ abgelaufen? Darauf gab der heutige Prozesstag am Landgericht zwar keinen Aufschluss. Die Aussagen des Unfallchirurgen Michael Wenzl und zweier Polizeibeamter werfen indes einige Fragen auf, was den Ablauf dieses Zugriffs betrifft.

Fünf Schüsse müssen gefallen sein. Denn fünf Patronenhülsen wurden von der Spurensicherung gefunden. Sebastian Q. hatte jedoch lediglich drei Schussverletzungen. Einer der Schüsse ging durch eine der Fensterscheiben und schlug im gegenüberliegenden Gebäude in der Moritzstraße ein.

„Glück gehabt“ meinte der Beamte der Münchner Spurensicherung lapidar. Will sagen: Das hätte auch dramatisch enden können. Denn zu dem Zeitpunkt des Zugriffs befanden sich in mindestens einer der Wohnungen in dem Gebäude in der Moritzstraße Menschen.

Sebastian Q. war damals mit drei Schüssen niedergestreckt worden. Einer traf ihn in der linken Schulter, ein zweiter in der linken Hand und ein dritter im rechten Oberschenkel. Wobei die Einschusskanäle höchst unterschiedlich waren. Während der Geiselnehmer bei Schultersteckschuss von vorne getroffen worden war, traf ihn der Schuss in den Oberschenkel von hinten. Und zwar so, dass er einen etwa 30 Zentimeter langen Schusskanal hinterließ, wie der Chirurg Michael Wenzl beschrieb, der sich um die Versorgung des Verletzten gekümmert und ihn auch operiert hatte.

Der Schuss ins Bein traf Sebastian Q. in der Mitte des Oberschenkels von hinten und das Projektil saß im Bereich der Hüfte. Was den Schluss nahelegt, der Geiselnehmer könnte zum Zeitpunkt, als dieser Schuss auf ihn abgegeben worden war, bereits auf dem Boden gelegen haben.

Nicht ganz „alltäglich“ war wohl auch der Schuss, der Sebastian Q. in die linke Hand getroffen hatte. Denn der traf nicht – wie man annehmen könnte – die Handinnen- oder Handaußenfläche, sondern hat die Hand auf der Seite der Handkante getroffen und ging glatt bis zur Daumenseite durch. Mit dem Effekt, dass der Geiselnehmer seine linke Hand nie mehr im gewohnten Umfang nutzen kann. „Die Hand wird weitgehend unbrauchbar bleiben“, meinte Michael Wenzl. Es würden schwere Schäden bleiben und mit einer grundlegenden Besserung sein nicht mehr zu rechnen.

Sebastian Q. nahm die Zeugenaussagen mit ein paar wenigen störenden Bemerkungen zur Kenntnis und hatte sich am heutigen Verhandlungstag eher darauf konzentriert, eine Raucherpause eingeräumt zu bekommen. Was ihm Richter Jochen Bösl auch einräumte. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil er bemerkt haben dürfte, dass Sebastian Q. sich – zunehmend gelangweilt – immer wieder zu störenden Zwischenrufen hinreißen ließ. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

 


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