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Ausbau der Pfaffenhofener Schlachthofstraße: Nachdem Bürgermeister Herker und die Stadtverwaltung mit ihrer Idee des boulevard-artigen Ausbaus überraschend abgeblitzt sind, zeichnet sich nun doch noch ein Kompromiss ab

Von Tobias Zell

Eigentlich schien alles bereits erledigt. Der Pfaffenhofener Stadtrat hatte jüngst mit knapper Mehrheit entschieden: Die Schlachthofstraße wird nicht boulevard-ähnlich ausgebaut. Doch nun zeichnet sich nach Informationen unserer Zeitung nachträglich doch noch ein Kompromiss ab, mit dem möglicherweise die Boulevard-Gegner und auch die Boulevard-Befürworter leben können. Jedenfalls soll im Stadtrat noch einmal über die Pläne gesprochen werden, wie Bürgermeister Thomas Herker (SPD) durchblicken lässt. Und er zeigt sich auch „guter Dinge“, dass mit „geringen Modifikationen an der bereits beschlossenen Variante allen Wünschen Rechnung getragen“ werden könne, sagte er auf Anfrage.

Die Pfaffenhofener Schlachthofstraße soll nicht boulevard-ähnlich ausgebaut werden – so hatte es ja der Stadtrat, wie berichtet, kürzlich nach kontroverser und intensiver Diskussion mit knapper Mehrheit beschlossen. Damit revidierten weite Teile des Gremiums bemerkenswerter Weise ihre Meinung vom Februar und sprachen sich nun doch für die so genannte Variante A aus, die auch von den Anliegern favorisiert wird. Von den Kosten her unterscheiden sich die Varianten A und B kaum, weshalb es hier tatsächlich vor allem um Geschmacks-, Verkehrs- und Parkplatzfragen ging. Und über Geschmack lässt sich streiten. Letztlich setzten sich jedenfalls die Boulevard-Gegner mit 13:11 Stimmen durch.

Prechters Einfluss

Einen entscheidenden Teil zu diesem Umschwung hatte Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) beigetragen, der die Variante B in der Sitzung als „Murks“ und  „nicht zumutbar“ geißelte sowie „gravierende Fehler“ sah. Da zeigte sich auch mal wieder, welchen Einfluss der frühere Rathauschef auf die Entscheidungen im Gremium hat, obwohl seine Fraktion ja gar keine Mehrheit hat. Da half es auch nichts, dass Herker seinen Amtsvorgänger daran erinnerte, dass der zuletzt doch noch selbst für die Boulevard-Variante geworben hatte. „Was hindert uns daran, klüger zu werden?“, konterte Prechter – und sah am Ende die Mehrheit des Gremiums hinter sich. Was insofern bemerkenswert ist, weil die viel beschworene bunte Koalition von SPD, FW, Grünen und ÖDP in diesem Fall nicht geschlossen hinter der von Herker und der Stadtverwaltung favorisierten Boulevard-Variante stand und diese deshalb durchfiel.

Für die einen war das eben das Ergebnis einer ganz normalen Abstimmung, bei der jeder nach seiner persönlichen Meinung votiert hat. Für die anderen war es durchaus auch eine kleine Machtdemonstration von Prechter, die zeigte, wie man die Stimmung drehen und im konkreten Fall auch die bunte Koalition sprengen kann. Hinter vorgehaltener Hand wird indes sogar kolportiert, dass Herker vorab gewusst haben soll, dass bei dieser Sitzung von Seiten der CSU, und vor allem von Prechter, ordentlich Stimmung gegen die Boulevard-Lösung gemacht werden soll. Doch offensichtlich ist es Herker nicht gelungen, die bunte Koalition geschlossen bei der Stange zu halten.

Aber nun zeichnet sich im Nachhinein doch noch eine Einigung ab. Hinter den Kulissen wurden inzwischen noch einmal Gespräche geführt, die offenbar den Weg zu einem Kompromiss geebnet haben. „Kernpunkte waren der Allee-Charakter, die versetzte Anordnung der Parkbuchten und ein breiteres Schrammboard an der Westseite und auf der anderen Seite der breite ,Boulevard’ auf der Ostseite“, sagt Herker und signalisiert, dass das Thema noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt werden soll. „Mit geringen Modifikationen an der bereits beschlossenen Variante A sollte allen Wünschen Rechnung getragen werden können“, erklärt er gegenüber unserer Zeitung.  „Im Stadtrat ist über eine entsprechende Weiterentwicklung der Variante A zu entscheiden“, so Herker. Und: „Ich bin da guter Dinge.“ 

Nun fragt man sich freilich, warum man nicht schon in der jüngsten Sitzung einen Kompromiss gesucht hat. Denn da wurde stur die Frage „Variante A oder B?“ gestellt. Dabei war die Diskussion so intensiv, kontrovers und auch ausführlich, dass man sich wundern durfte, warum denn niemand einen Vorstoß unternimmt, die Wünsche beider Lager in einem Kompromiss zu vereinen. Doch Prechter & Co. ließen keinen Zweifel aufkommen. Mit ihnen war die Variante B nicht zu machen, weil ja „Murks“. Und die Gegenseite um Herker hatte offenbar den drohenden Widerstand unterschätzt. Denn wäre man darauf wirklich vorbereitet gewesen, hätte man sicher einen Kompromiss in der Schublade gehabt. So aber gingen Herker und die Stadtverwaltung mit ihrer Boulevard-Idee baden.

Die kürzlich beschlossene Variante A unterscheidet sich von der Variante B im Wesentlichen in drei Punkten. Erstens: Bei Variante A werden die Längsparker abwechselnd links und rechts am Straßenrand angeordnet, sodass man praktisch dann im Zick-Zack–Kurs durch die Schlachthofstraße fahren muss – während Variante B alle Parkplätze auf der rechten Seite der Einbahnstraße vorsah. Zweitens: In Variante A stehen die Bäume, die die Park-Zonen flankieren, auf beiden Seiten der Straße, während sie bei Variante B eine Linie auf der rechten Straßenseite gebildet hätten. Drittens: In Variante A gibt es auf beiden Seiten einen mit 2,00 beziehungsweise 2,40 Metern bemessenen Gehweg – während Variante B auf der linken Seite einen 1,00 Meter breiten und auf der rechten einen mit 3,40 Meter bemerkenswert breiten Gehweg vorgesehen hätte, der eben den Boulevard-Charakter erzeugt hätte.

Variante A: So beschloss es der Stadtrat: Versetzte Parkflächen, versetzte Bäume, zwei relativ breite Gehwege.

Dem Stadtrat waren bereits im Februar die Planungen des Büros Dömges zum Ausbau der Schlachthofstraße mit den beiden Vorentwurfsvarianten A und B vorgestellt worden. In der Diskussion sprach sich das Gremium seinerzeit klar für die Variante B aus, durch die man „eine enorme Aufwertung des Straßenbereichs erzielen könne“, wie die Stadtverwaltung erinnerte. Einstimmig wurde im Februar auch beschlossen, zusätzlich noch eine kostengünstigere Alternative zu erarbeiten und die drei Varianten dann in einer zweiten Anliegerversammlung mit den Bürgern zu diskutieren. 

In dieser Anliegerversammlung vom 23. Juli wurden dann auch die beiden Varianten  A und B zur Neugestaltung der Schlachthofstraße vorgestellt und darüber hinaus die kostengünstige Alternative mit den Anwohnern diskutiert. Dabei zeigte sich schnell, dass die kostengünstigere Variante nicht weiter verfolgt werden soll, da sie gestalterisch wenig überzeugend war. Zudem wäre die Kostenersparnis lediglich bei um die 90 000 Euro gelegen. Damit standen also wieder die Varianten A und B zur Diskussion. Nach intensiver Debatte mit den Anliegern wurden sie zur Abstimmung gebeten. Ergebnis: Die deutliche Mehrheit der Anwohner sprach sich für Variante A und damit für eine versetzte Anordnung der Längsparker aus. Als Hauptgrund wurde eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit genannt.

Bürgermeister Herker und seine Verwaltung um Stadtbaumeister Gerald Baumann sowie die beauftragten Planungsbüros hielten dennoch weiterhin an der Variante B fest, da bereits durch die geplante Veränderung an der Einfahrt-Situation zur Schlachthofstraße  – die beide Varianten gemeinsam haben – eine deutliche Reduzierung auf Schrittgeschwindigkeit zu erwarten sei und weil bei der Kürze der Straße unverhältnismäßig hohe Geschwindigkeiten ohnehin nicht zu erwarten seien. Zudem würde aus Sicht der Stadtverwaltung eine versetzte Anordnung der Längsparker bei einer Freigabe der Straße als Radlstraße, in der Radler auch entgegen der Einbahnregelung fahren dürfen, eine Gefährdung darstellen. „Darüber hinaus zeichnet sich die Variante B durch den boulevard-artigen Gehweg aus, der als Verbindung zwischen dem künftigen Bürgerpark und der Innenstadt eine wichtige Funktion übernehmen soll“, so die Stadtverwaltung.

Variante B fiel im Stadtrat knapp durch: Alle parkenden Autos auf einer Seite, alle Bäume in einer Linie, links ein schmaler Gehweg, rechts ein Boulevard.

Doch das half alles nichts. In der jüngsten Stadtratssitzung votierte am Ende die knappe Mehrheit für die Zick-Zack-Variante mit Längsparkern links und rechts, zwei ähnlich breiten Gehwegen und damit gegen den Boulevard. Für die stattdessen beschlossene Variante A stimmten alle anwesenden CSU-Räte, die Freien Wähler mit Ausnahme von Andreas Kufer, Angelika Furtmayr von den Grünen, die beiden ÖDP-Räte Reinhard Haiplik und Richard Fischer sowie Manfred "Mensch" Mayer (GfG).

Zuvor wurde kontrovers und ausgiebig diskutiert. Herker warb für die Variante B und redete der Boulevard-Lösung das Wort – auch mit Blick auf die erhofften Besucherströme zur Gartenschau. Angesichts der von den Anwohnern favorisierten Variante A meinte er:  „Wir müssen aus der gesamtstädtischen Perspektive entscheiden.“

CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann erklärte, man habe intern das Für und Wider abgewogen, und plädierte im Namen der Christsozialen für Variante A. Seine Argumente: Die wechselseitig angeordneten Parker sorgen für eine Reduzierung des Verkehrsflusses, die beiderseitig gleich breiten Gehwege erhöhen die Sicherheit, der boulevard-artige Charakter komme auch so zur Geltung und mit Bäumen links und rechts wirke das zudem wie eine Allee. Peter Heinzlmair (Freie Wähler) meinte, jede der beiden Varianten habe ihre Vor- und Nachteile. In der Fraktion habe man sich deshalb auch nicht festgelegt – er ließ aber durchblicken, dass auch er größere Sympathien für Variante A hegt.

Reinhard Haiplik (ÖDP) bewertete das Argument, dass wechselseitiges Parken die Verkehrsgeschwindigkeit drosselt, für stichhaltig. Außerdem erklärte er, es sei nicht gut, wenn man erst Anliegerversammlungen abhalte und die Bürger abstimmen lasse – und dann anders entscheide. Weil die Kosten für die beiden Varianten praktisch gleich seien, könne man den Anliegern auch nicht unterstellen, sie würden auf ihren Geldbeutel schauen, sagte Haiplik und verwies vielmehr auf die von den Anwohnern vorgebrachten Sachargumente. Man müsse die Bürger erst nehmen, appellierte er. Haiplik war indes der einzige, der seine Haltung auch ausdrücklich mit dem Willen der Anlieger begründete.

Nun bahnt sich ein Kompromiss zum Ausbau der Schlachthofstraße an.

Dass er und seine Fraktion mit dem Wunsch der Anlieger konform gehen, war für Altbürgermeister Prechter zwar eine „angenehme Zugabe“, doch für ihn ist die Boulevard-Variante B einfach „Murks“. Sie sei „nicht zumutbar“ schimpfe er, weil sie „gravierende Fehler“ enthalte. Die Vollgas-Mentalität der 1970er Jahre wolle man heute nicht mehr, verteidigte er die wechselseitig angedachten Zonen für Längsparker in Variante A.

Steffen Koptzeky (SPD) sah eine Reduzierung beziehungsweise Ausbremsung des Verkehrs schon durch die – beiden Varianten gemeine – künftige Einfahrt-Situation in die Schlachthofstraße. In der Sache müsse man hier zwischen der Sicht der Gesamtstadt und der Sicht der Anwohner unterscheiden, sagte er und verwies auf die Bedeutung der Straße eben nicht nur für Anlieger, sondern für Passanten. Bekanntlich führt die Straße zu dem im Rahmen der Gartenschau auf dem ehemaligen Schlachthof- und Bauhof-Gelände entstehenden, großen Bürgerpark. „Ein neues, grünes Herz wird da schlagen“, formulierte es der Schriftsteller Kopetzky, und die Schlachthofstraße werde geprägt sein vom „Zugehen auf die grüne Lunge“. Die Variante B bezeichnete er jedenfalls als „wesentlich schöner“.

Auch Kopetzkys Parteifreund Peter Feßl warb für Variante B. Seiner Erfahrung nach tragen nämlich versetzte Hindernisse – hier Längsparker – nicht zur Geschwindigkeitsreduzierung bei. Bürgermeister Herker gab ihm Recht und verwies auf mehrere Stellen im Stadtgebiet, wo von den Autofahrern eher versucht werde, solche Zick-Zack-Kurse möglichst „sportlich“ zu bewältigen. 

„Wir sehen B nicht als Murks“, schaltete sich Stadtbaumeister Gerald Baumann an die Adresse von Prechter ein. Der von CSU-Fraktionschef Rohrmann angesprochenen Allee-Wirkung durch versetzte Bäume widersprach er. Und versetztes Parken ist aus seiner Sicht eher von Nachteil. Herker zitierte zudem aus einem Sitzungsprotokoll und hielt Prechter vor, dass der zuletzt noch unmissverständlich für die Boulevard-Variante geworben habe. Prechter tat das mit den Worten ab: „Was hindert uns daran, klüger zu werden?“

Die Vertreterin des Planungsbüros warb noch einmal für die von ihrer Seite favorisierte Variante B. Den Eindruck einer einseitigen Baumreihe, die zum Bürgerpark hinführe, bekomme man mit wechselseitigen Bäumen nicht, betonte sie. Und auch Kopetzky appellierte noch einmal an das ästhetische  Empfinden seiner Ratskollegen. Es gehe hier darum, „das Erlebnis der Passanten zu gestalten“, sagte er. „Wir vergeben eine große Chance, wenn wir uns nur über Verkehr und Parken unterhalten und nicht über das Erlebnis des Fußgängers.“

„Sehr poetisch vorgebracht“, meinte Prechter, ließ sich aber davon ebenso wenig umstimmen, wie vom Einwand Adi Lohwassers (SPD), der darauf verwies, dass Winterdienst, Straßenreinigung und Müllabfuhr viel einfacher seien, wenn die Längsparker nicht versetzt angeordnet seien. „Wir bauen Straßen auch für Autos“, sagte Andreas Kufer (FW) und rührte für die Variante B mit den durchgängig rechts positionierten Längsparkern die Werbetrommel. Versetztes Parken sei „Irrsinn“, befand er, das werde ein Slalom wie auf einer Go-Kart-Bahn – und die Müllabfuhr brauche hier drei Mal so lang. Doch am Ende mussten sich die Boulevard-Sympathisanten der knappen Mehrheit beugen. 

Man darf nun gespannt sein, wann das Thema noch einmal auf die Tagesordnung kommt – und wie der nun möglich scheinende Kompromiss im Detail aussieht. Fakt ist: Für die beiden Gehwege stehen insgesamt 4,40 Meter zur Verfügung – wie man die nun auf die beiden Seiten verteilt, scheint variabel. Je breiter freilich der Gehweg auf der Ilmseite wird, desto mehr wird der Boulevard-Charakter zur Geltung kommen. Vielleicht wird auch noch einmal über die Anordnung der Bäume (versetzt oder auf einer Seite) gesprochen. Unwahrscheinlich ist wohl, dass an den versetzten Parkflächen noch einmal gerüttelt wird.


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