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Drei Jugendliche stehen seit heute wegen versuchten Totschlags vor Gericht, weil sie im April einen 36-Jährigen in der Ingolstädter Harderstraße beinahe totgetreten hatten 

(ty) „Ich will gar nicht, dass sie in Haft bleiben“, meinte das Opfer, ein 36-jähriger Türke, heute im Verfahren vor dem Landgericht zur vorsitzenden Richterin im Hinblick auf die Angeklagten. Er soll am 6. April dieses Jahres vor einer zwielichtigen Bar in der Harderstraße von drei Kindern, wie er sie nennt, derart brutal geprügelt und misshandelt worden sein, dass die Staatsanwaltschaft gegen die drei Anklage wegen versuchten Totschlags zu Felde zieht. Zumindest hätten die drei den Tod des Opfers damals billigend in Kauf genommen.

Hauptangeklagter ist ein heute 18-jähriger Kosovare, der zugleich noch wegen versuchten Einbruchs vor Gericht steht. Er soll dem 36-Jährigen damals die Tritte ins Gesicht verpasst haben, die immerhin einen Jochbeinbruch, einen Kiefernbruch und einen Bruch der Augenhöhle nach sich zogen. Zu dem einen Bruch am Ellbogen. Er war an jenem Tag im April mit zwei heute 19-jährigen türkischstämmigen Ingolstädtern auf Tour gewesen. Zuerst habe man, wie die drei übereinstimmend aussagen, im Hochschulgarten ein wenig vorgeglüht, bevor man dann in die Bar gegangen sei, um sich für 50 Euro eine Flasche Wodka (oder auch Whisky) reinzubettern. So genau weiß offenbar niemand mehr, was in der Pulle war. Hauptsache Hochprozentiges.

Während die beiden Türken im Erdgeschoss geblieben waren, hatte der Kosovare es vorgezogen, sich im ersten Stock der Bar auf seine Art zu unterhalten, obschon er bereits erheblich betrunken war. Er soll alle angemacht haben, hat das Opfer ausgesagt. Jedenfalls hat es irgendwann einen Lokalverweis für den Täter und seine beiden begleiter gegeben.

Wie es allerdings zu der Begegnung von Opfer und Tätern auf der Straße vor der Bar gekommen war, das klingt einigermaßen seltsam. Nach den Aussagen des 36-jährigen Türken habe der damals 17-jährige Kosovare gesagt, er soll mit ihm nach draußen kommen. Was der auch getan hatte. Nicht aber um eine Schlägerei anzufangen, sondern um mit dem Taxi nach Hause zu fahren.

Es kam wie es in solch fragwürdigen Kreisen kommen muss. Wer den ersten Schlag geführt hat, darüber gehen die Aussagen zwar auseinander. Am Ende aber lag der 36-Jährige schwerst verletzt auf der Straße. Die drei Angeklagten und ein weiterer befreundeter Zeuge haben zwar ausgesagt, der 36-jährige Türke habe zuerst grundlos zugeschlagen, was der indes vehement bestreitet. Gesehen hat den Schlag auch niemand. Gehört, aus dem Augenwinkel wahrgenommen, nicht aber gesehen.

Und dass der Kosovare – eher der Typ unterbelichteter Komasäufer –  zuerst mit dem Gesicht nach unten auf der Straße gelegen haben soll, kann durchaus auch daran liegen, dass er zu diesem Zeitpunkt schon reichlich prall war und sich möglicherweise kaum mehr auf den Beinen halten konnte. So ganz grundlos dürfte er den Lokalverweis ja auch nicht provoziert haben.

Einer der 19-jährigen Türken hat das Opfer jedenfalls nach dem vermeintlichen Erstschlag mit einem Faustschlag und einem Tritt zu Boden geschickt. Danach habe sich der Kosovare aufgerappelt und die fatalen Tritte gegen den 36-Jährigen geführt. Hätten ihn die beiden Mitangeklagten nicht von dem Opfer getrennt, hätte das Ganze tatsächlich tödlich enden können. Zwei von ihnen hatte die Polizei wenig später am Franziskanerplatz festgenommen, den dritten zehn Tage später. Seitdem sitzen alle drei in Untersuchungshaft.

Was das Opfer erstaunlicherweise gar nicht so gut findet. Für den Türken sind es , wie er heute aussagte, noch Kinder. Zudem hätten sie sich alle und auch deren Familien bei ihm entschuldigt. Auch Schmerzensgeld – 2000 Euro – sind geflossen. Für ihn ist die Sache anscheinend erledigt, obschon er noch immer an den Folgen jenes 6. April leidet, mehrere Metallplatten im Gesicht trägt und Schmerzen im Arm hat, den er aus Angst vor dem Eingriff nicht hatte operieren lassen.

Der 36-Jährige ist offenbar das klassische Opfer. In der Türkei habe man ihn ins Gefängnis gesteckt und gefoltert, weswegen der traumatisierte Mann in Deutschland schon sieben Jahre Therapie hinter sich gebracht hat. Vielleicht sieht er die Schlägerei deswegen auch eher gelassen, hat die Entschuldigungen akzeptiert. „Ich bin nicht daran interessiert, dass sie bestraft werden“, meinte er, „ich verzeihe es ihnen.“ Für das Opfer, das gleichzeitig als Nebenkläger auftritt und neben den körperlichen Folgen auch immer noch an Gedächtnislücken leidet, eine eher ungewöhnliche Einlassung.

Ungewöhnlich auch sein Verhalten nach der beinahe tödlichen Schlägerei. So soll er, als er wieder bei Bewusstsein war, in ein Taxi gestiegen sein, um heimzufahren. Woran er selbst sich aber nicht erinnert. Und im Klinikum hat er dann einen Spiegel zertrümmert. Weil er sein entstelltes Gesicht nicht sehen konnte, wie er sagt. „Ich kann Ihnen das Gefühl nicht beschreiben.

Umso erstaunter zeigte sich der 36-Jährige heute vor Gericht, dass die Verteidiger der drei Angeklagten versuchten, ihn ein wenig in die Rolle des Aggressors zu drängen, ihm die Initialzündung für die Schlägerei anzulasten. Ihm, der sich als nachsichtiger Menschenfreund zu geben versuchte. „Lassen Sie es mich nicht bereuen, dass ich ihnen verziehen habe“, meine er. Und als die von ihm als Vorwürfe empfundenen Fragen nicht aufhörten, sagte er zur vorsitzenden Richterin Sibylle Dworazik: „Wenn Sie wollen, setzte ich mich auf die Anklagebank.“

Die Verhandlung wird am 29. Oktober und am 5. November fortgesetzt.

 


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