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Ex-Landesbischöfin Margot Käßmann spricht in Rohrbach vor 1200 Menschen über christliche Werte: Sie verurteilt die Gier und appelliert, den Glauben im Alltag zu leben – und erntet donnernden Applaus

(ty) Christliche Werte als Orientierungspunkte in einer scheinbar chaotischen Welt: Diese legte gestern Abend die ehemalige Landesbischöfin Margot Käßmann in einer eindringlichen, aber auch humorvollen Rede den 1200 Zuhörern ans Herz. Die 56-jährige evangelische Pfarrerin war auf Einladung der Hallertauer Volksbank in die voll besetzte Rohrbacher Turmberghalle gekommen.

Wäre da nicht das tendenziell eher betagte Publikum, so könnte man sich fast auf einem Popkonzert wähnen. Vor der Halle steht ein Lkw für die Bühne und die Massen drängen ins Innere. Dort erwartet die Fans von Margot Käßmann ein Merchandising-Stand, auf zwei Videoleinwänden wird das Bühnengeschehen übertragen. Nur singt hier der Star nicht, sondern er predigt Werte. Nicht dogmatisch, sondern witzig, selbstironisch und schlagfertig. „Was wirklich zählt – christliche Werte in unserer Gesellschaft“, so der Titel des einstündigen Vortrags, mit dem Käßmann seit einiger Zeit durch die Lande tourt.

Mal kritisch, mal philosophisch, mal ironisch: die Ex-Landesbischöfin

Ukraine-Konflikt, IS-Terror, Finanzkrise, Ebola-Epidemie – das alles verunsichert nach Meinung von Käßmann die Menschen derzeit in hohem Maße. „Und wenn dann eine Volksbank eine Altbischöfin zur Rede einlädt, dann werden manche wohl sagen, dass die Krise jetzt biblische Ausmaße hat“, beginnt die Theologin grinsend ihren Vortrag. Mit dieser Mischung aus Nachdenklichkeit und Humor hat die Marburgerin ab der ersten Minute das Publikum auf ihrer Seite.

Die Bibel als Buch der Antworten auf große Fragen der Zeit

Doch trotz der vielen Lacher an diesem Abend: Die christlichen Werte sind ihr ein ernstes Anliegen. Denn diese seien in Zeiten der Krise ein wirksames Mittel gegen Orientierungslosigkeit und Verunsicherung. Während christliche Tugenden in vielen Teilen der Welt selbstverständlich wären, seien genau diese in den vergangenen Jahrzehnten in Europa großteils in Vergessenheit geraten. Dabei könne gerade die Bibel in stürmischen Zeiten Halt geben. „Die Bibel ist sehr aktuell, sie kennt die Urkonflikte der Menschheit“, doziert Professorin Dr. Dr. h.c. Käßmann. In der Heiligen Schrift ließen sich kluge Antworten auf die großen Fragen der Zeit finden.

Als Leitlinien für moralisches Handeln in einer diffuser werdenden Welt empfiehlt die geschiedene Pastorin die zehn Gebote. „Das sind Lebensregeln für ein gutes Miteinander im Vertrauen“, stellt Käßmann fest. Besonders eindringlich spricht sie über das zehnte Gebot: Du sollst nicht Hab und Gut deines Nächsten begehren. „Die Gier hat in unserer Welt zu viel Raum“, zürnt die Altbischöfin. Geiz sei dem Gemeinsinn abträglich. „Geiz ist  keine Tugend, wie ein beliebter Werbespruch behauptet“, so Käßmann weiter. „Schatz, ich liebe Dich, weil du so geizig bist!“, ruft die Pastorin ins Publikum. „Können Sie sich etwa vorstellen, dass das jemand wirklich sagt?“ Lachen und Zwischenapplaus im Saal.

„Manche Banken haben nichts gelernt“

In diesem Zusammenhang übt Käßmann harsche Kritik an der Wirtschaft. So würden in Deutschland immer noch große Gewinne durch das Ausnützen der katastrophalen Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern erzielt. „Denken Sie nur an die Billiglöhne in Bangladesch – und gleichzeitig wird hier bei uns diese Ware zum Schnäppchenpreis verschleudert!“ Für Käßmann ein anti-christliches Verhalten.

Sie nimmt aber auch die Konsumenten in die Pflicht: „ Die Verbraucher haben doch die eigentliche Macht. „Nicht allein die Wirtschaft ist gierig, die Menschen sind es“, bringt es Käßmann auf den Punkt. „Wir brauchen eine Ethik des Genugs, eine Ethik der Grenzen, die vielleicht glücklicher machen“, fordert sie. Dies gelte auch für die Banken. „Manche haben ja aus der Krise wirklich nichts gelernt, sie sind gierig wie eh und je.“

Das genossenschaftliche Prinzip als „Gierbremse“

Dabei sei unternehmerisches Handeln aus christlicher Sicht per se nicht schlecht, findet Käßmann. Allerdings müsse dies gepaart mit Verantwortung und Blick auf die Gemeinschaft sein. In diesem Zusammenhang hebt sie den Gastgeber hervor: „Die Genossenschaftsbanken könnten ihr Prinzip viel stärker herausstellen. Das genossenschaftliche Prinzip Raiffeisen war ja sehr evangelisch motiviert“, erinnert sie und betont: „Es hat eine eingebaute Gierbremse, weil alle beteiligt sind. Alle können schauen, was mit dem Geld passiert und wie mit dem Geld umgegangen wird.“

Zum Abschluss äußert die Gastrednerin noch einen Wunsch: „Ich will, dass sich unsere Kirchen nicht in fromme Ecken verkriechen, sondern dass wir die Menschen stärken, als Christen Verantwortung zu übernehmen.“ Sei es in der Familie, in der Politik oder in der Schule. „Jeder Einzelne ist berufen, seinen Glauben im Alltag zu leben. Wenn alle dies täten, gäbe es in unserem Land viel mehr fröhliche Zukunftszuversicht, die anstehenden Probleme auch zu bewältigen.“ Donnernder Applaus im Saal.

Die Gastrednerin freut sich mit den Gewinnern des Foto-Wettbewerbs.

Vor ihrer Rede hatte Käßmann zusammen mit Wilfried Gerling, dem Vorstandschef der Hallertauer Volksbank, die Gewinner des Foto-Wettbewerbs „Ihr schönstes Hallertau-Foto“ geehrt. Die 13 Sieger erhielten von der Bank jeweils 200 Euro. Zudem konnten die Geehrten je ein soziales Projekt auswählen; dieses wird nun von der Volksbank mit je 500 Euro unterstützt. Die Siegerfotos des Wettbewerbs werden im Kalender 2015 der Hallertauer Volksbank veröffentlicht.


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