Das Urteil ist gefallen: Der Geiselnehmer von Ingolstadt muss für lange Zeit ins Gefängnis – zudem wurden fünf Jahre Führungsaufsicht verhängt
(ty) Im Prozess gegen den Geiselnehmer von Ingolstadt, Sebastian Q., wurde heute das Urteil gesprochen vor der großen Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt. Demnach muss Sebastian Q. für acht Jahre und drei Monate ins Gefängnis, zudem verhängte der Vorsitzende Richter fünf Jahre Führungsaufsicht. Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer zehneinhalb Jahre Haft gefordert, der Verteidiger sechseinhalb Jahre. Und der Angeklagte selbst hatte kurioserweise seinen Verteidiger überboten und gemeint: „Sieben Jahre wären in Ordnung.“
Obwohl der Angeklagte als gefährlich anzusehen ist, konnte eine unbefristete Unterbringung in der Psychiatrie laut Gericht nicht angeordnet werden. Entscheidend dafür sei, dass der Angeklagte, trotz einer psychischen Erkrankung, für sein Handeln im August 2013 voll verantwortlich sei. Der Angeklagte leide zwar an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. Trotz dieser psychische Erkrankung könne der Angeklagte jedoch für die Geiselnahme im August 2013 verantwortlich gemacht werden. Der Angeklagte sei gezielt und planvoll vorgegangen und sich der Konsequenzen der Geiselnahme bewusst gewesen. Eine verminderte Schuldfähigkeit konnte daher von Seiten des Gerichts nicht angenommen werden. Diese sei aber zwingende Voraussetzung für eine Unterbringung in der Psychiatrie. Die Kammer hat den Angeklagten daher, bei einer möglichen Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren, zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.
19. August 2013: Um 17.32 Uhr fielen mehrere Schüsse im zweiten Stock des Alten Rathauses in Ingolstadt. Durch den Zugriff eines Sondereinsatzkommandos der Polizei wurde eine Geiselnahme nach rund neun Stunden beendet. Es war der Tag, als eigentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Rathausplatz sprechen sollte. Stattdessen ein Großaufgebot an Polizei und Rettungskräften. Der 24-jährige Ingolstädter Sebastian Q. hatte sich im zweiten Stock des Rathauses verschanzt und vier Geiseln genommen. Bürgermeister Sepp Mißlbeck, einen 37-Jährigen Stadtangestellten, eine 25-Jährige Sekretärin und noch eine 35-jährige Frau.
Nach zahlreichen Verhandlungstagen, Zeugenbefragungen und Gutachten fiel heute vor dem Landgericht das Urteil gegen den Geiselnehmer, der gleich am ersten Prozesstag eingeräumt hatte: „Da habe ich wohl ein wenig übertrieben.“ Was dieses „übertrieben“ in Haftstrafe bedeutet, wurde ihm jetzt von Richter Jochen Bösl mitgeteilt.
Obwohl Sebastian Q. sich im Verlauf der Verhandlung als überaus „eigenwillig“ herausstellte, für manchen Eklat sorgte und Richter und Staatsanwalt gerne mal als „blödes Arschloch“ titulierte, war selbst im Plädoyer des Staatsanwaltes keine Rede gewesen von einer Unterbringung in einem psychiatrischen Bezirkskrankenhaus, obschon die Staatsanwaltschaft das bereits in einem früheren Verfahren gegen Sebastian Q. gefordert hatte. Damals hatte das Gericht keinen Anhaltspunkt dafür gesehen. Wäre es dazu gekommen, dann hätte die Ingolstädter Geiselnahme nie stattgefunden.
Ausführlicher Bericht: „Wir hätten beinahe irgendwelchen Gerichtsshows Konkurrenz gemacht“