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Der Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) suchte gestern in Reichertshausen unter dem Motto "Jetzt red's ihr" das Gespräch mit den Bürgern – hatte aber auch nicht auf alle großen Fragen dieser Zeit eine Antwort

Von Tobias Zell

„Die Menge der Leute macht’s nicht aus“, wollte Karl Straub gleich zu Beginn betont wissen. Das sagte er freilich nicht, weil die Bude rappelvoll war, sondern weil man doch ein paar Zuhörer mehr erwartet hätte. Einige Nachzügler fanden sich zwar noch ein beim Fuchs-Wirt von Reichertshausen, um mit dem CSU-Landtagsabgeordneten ins Gespräch zu kommen. Unterm Strich waren es aber gestern Abend halt doch bloß rund 30 Leute, die Straub mit seiner Einladung unter dem Motto „Jetzt red’s ihr“ hinterm Ofen hervorlocken konnte. 

Unter den Gästen waren auch der Reichertshausener Bürgermeister Reinhard Heinrich, der Hohenwarter Rathauschef Manfred Russer, Pfaffenhofens Altbürgermeister Hans Prechter (alle CSU), Schweitenkirchens Vize-Bürgermeisterin Gabi Kaindl sowie die beiden frisch gebackenen CSU-Kreisgeschäftsführer Christian Moser und Fabian Flössler. Und dann waren da noch drei Pressevertreter. Unterm Strich muss dass unweigerlich zu der  Erkenntnis führen, dass eine Einladung des hiesigen Landtagsabgeordneten zum Gespräch mit Otto Normalbürger auch nicht mehr so zieht, wie das vielleicht früher einmal war.

Auf die thematische Gestaltung des Abends hatte der überschaubare Besuch indes wohl keine Auswirkungen. Denn die großen, aktuellen Themen kamen allesamt zur Sprache: Von 10H und Energiewende über den Ausbau der A9 samt Lärmschutz bis hin zur Asylpolitik. Straub war sichtlich bemüht, alle Fragen ausführlich zu beantworten, konnte aber halt zu großen Bundes- oder gar Europathemen – nicht zuletzt zwecks fehlender Zuständigkeit des Landtags – auch keine Patentrezepte liefern. 

Der Wolnzacher Straub sitzt seit vergangenem Jahr im Landtag, hatte das Direktmandat errungen. Er ist Mitglied des Petitionsausschusses, im Ausschuss für Verfassung und Recht ist er vor allem zuständig für Asyl- und Ausländerpolitik und außerdem sitzt er im Ausschuss für Bund und Europa. Zudem ist Straub, der selbst zwei Autohäuser betreibt, Vorsitzender des parlamentarischen Arbeitskreises Mittelstand.

10H und die Kommunen

Aber zur Sache. Pfaffenhofens Altbürgermeister Prechter führte als erstes Thema die aktuell vom bayerischen Landtag beschlossene 10H-Regelung für Windkraft-Anlagen ins Feld. Seiner Meinung nach wird jetzt die Verantwortung auf die Kommunen abgewälzt. Das 10H-Gesetz schreibt größere Abstände zwischen Windrädern und Wohngebäuden vor: Der Abstand einer Anlage zur nächsten Wohnbebauung muss demnach künftig das Zehnfache der jeweiligen Windrad-Höhe betragen. Diese von der CSU entworfene Regelung soll dafür sorgen, dass Anlagen mit einem geringeren Abstand nicht gegen den Willen der Bevölkerung in der Nähe der Wohnbebauung oder in einer besonders sensiblen Landschaft errichtet werden. Kommunen sollen aber die Möglichkeit haben, in ihren Bebauungsplänen von 10H abzurücken und geringere Abstände festzulegen, wenn die Beteiligten vor Ort einverstanden sind. Und genau auf Letzteres spielte Prechter an. 5H hätte seiner Meinung nach auch gereicht.

Straub erinnerte daran, dass die 10H-Regelung aufgrund massiver Widerstände von Bürgern gekommen sei. Nicht so sehr bekanntlich im Kreis Pfaffenhofen, denn hier haben sich die Gemeinden selbst zu einem Planungsverband zusammengeschlossen, dem der Hohenwarter Bürgermeister Russer vorsteht. Dieser Verband entwickelt derzeit eine so genannte Positiv-Planung. Er definiert also Flächen, auf denen im Landkreis – unter Berücksichtigung möglichst aller Interessen – Windkraft-Anlagen errichtet werden dürfen.

„Ich bin ein Windkraft-Befürworter“, betonte Straub. Deshalb habe er sich auch dafür eingesetzt, dass regionale Planungen auch nach Inkrafttreten der 10H-Regelung ihre Gültigkeit behalten. Und dass durch das jüngst beschlossene Gesetz die Verantwortung an die Kommunen abgeschoben werde, sehe er nicht so. Die Gemeinden wollen doch seiner Wahrnehmung nach gerade hohe Eigenverantwortung.

Reichertshausens Bürgermeister Reinhard Heinrich, zugleich CSU-Fraktionschef im Kreistag, meinte, dass man für den Kreis Pfaffenhofen mit dem Planungsverband „die goldene Mitte gefunden“ habe. Diese Positiv-Planung lasse Windkraft ausdrücklich zu, schütze aber auch die Bevölkerung. Vor Lärm, Einkesselung durch Windräder und Verspargelung der Landschaft.

Energiewende, Atomkraft und Sigmar Gabriel

Energiewende recht und schön. Aber einer der Anwesenden befürchtete, dass hier die Kosten davonlaufen und die Leidtragenden eben die Bürger würden. Und das, meinte er, werde durch die geplanten großen Stromtrassen ja nicht besser. Straub bat hier um Geduld. Man möge diesbezüglich den von der zuständigen bayerischen Ministerin Ilse Aigner (CSU) angestoßenen Energie-Dialog abwarten – und außerdem müsse man auch abwarten, „was Berlin macht“. Denn Straub wollte klargestellt sehen, dass hier die Zuständigkeit federführend bei der Bundespolitik liege; konkret in Person von Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD). Das werde ja oft vergessen, erinnerte der Abgeordnete. Der Freistaat Bayern hätte die Energiewende jedenfalls gerne dezentral umgesetzt.

Und: „Es muss bezahlbar bleiben“, so Straub. Was ihm prompt die kritische Bemerkung einbrachte, dass „bezahlbar“ nicht mehr als ein Schlagwort sei. Was er denn mit bezahlbar konkret meine, fragte der Mann nach. Und Straub wollte oder konnte da keine konkrete Antwort geben. Er flüchtete sich in die Formulierung, dass bezahlbar für ihn bedeutet, wenn der Strompreis für die Menschen im Land „akzeptabel“ sei. Nun hätte man natürlich wieder fragen könne, was denn für ihn akzeptabel bedeutet... Aber lassen wir das. Viele Fragen in diesem Zusammenhang sind tatsächlich auf bundespolitischer Ebene zu klären. 

Unmissverständlich äußerte sich Straub zu Atomkraftwerken in der Bundesrepublik: Die Option einer Laufzeit-Verlängerung gebe es für ihn nicht. „Da würde ich dagegenstimmen“, versicherte er. Grundsätzlich betonte der CSU-Abgeordnete, dass er die Energiewende als eine „große wirtschaftliche Chance“ für Deutschland sehe, als „Vorreiter-Land“. Zur Energiewende könne er keine allumfassende Antwort geben, das sei ein Projekt, das man auf ein, zwei Generationen sehen müsse, „aber die Atomkraftwerke weiter laufen lassen, ist sicher der falsche Weg“.

Schweitenkirchen, die A9 und der Lärm(schutz) 

Gabi Kaindl, die Vize-Bürgermeisterin von Schweitenkirchen, nutzte die Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit auf ihre vom Lärm geplagte Gemeinde zu lenken. Der A9-Abschnitt bei Schweitenkirchen sei eines der am meisten befahrenen Autobahn-Stücke in Europa – aber auf einen Lärmschutz wartete man dort bislang vergebens. Straub erinnerte an die Vorgeschichte, die das Zeug zur Posse hat. 1989 sei der Lärmschutz nämlich bereits zugesagt gewesen. Doch dann kam die Wiedervereinigung und man wollte Geld sparen. Deshalb habe man die Lärm-Grenzwerte nach oben korrigiert – und Schweitenkirchen fiel raus.

Bis heute hat sich an der Situation nichts geändert. Höchstens könnte man sagen, dass noch eine zweite Posse dazugekommen ist. Denn bekanntlich wurde der Standstreifen in Richtung Nürnberg kürzlich zur vierten Fahrspur ausgebaut. In Fahrtrichtung Süden soll dieselbe Maßnahme noch folgen. Aber das ist nicht der springende Punkt, sondern: Ein solcher Standstreifen-Ausbau schafft zwar de facto eine jeweils vierte Spur, gilt aber formal nicht als achtspuriger Vollausbau. Diese Spitzfindigkeit ist deshalb so bedeutsam, weil: Bei einem Vollausbau wäre die Errichtung eines Lärmschutzes automatisch dabei; bei dem Standstreifen-Ausbau dagegen nicht. Und so müssen die Schweitenkirchener weiter warten auf den sehnlich erhofften Lärmschutz.

Zwar hat Bayern für die Fortschreibung des so genannten Bundesverkehrswegeplans die Aufnahme des Projekts „achtspuriger Vollausbau“ beantragt, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ja kürzlich bei einer Konferenz versicherte. Doch allzu große Hoffnungen darf man sich wohl nicht machen: Denn gerade erst hat man ja hier millionenschwer gebaut. Und wie jetzt bekannt wurde, verzögert sich der Standspur-Ausbau in Richtung Süden, offenbar  aus Geldmangel, ohnehin schon um ein Jahr auf 2016. 

„Die Leute fühlen sich verarscht“, schimpfte Kaindl. Sie erwarte, dass sich Minister Herrmann & Co. auch tatsächlich in Berlin für den Vollausbau und den damit verbundenen Lärmschutz einsetzen. Ansonsten brauche man eine „Zwischenlösung“ – doch die könne eine kleine Gemeinde wie Schweitenkirchen finanziell nicht schultern. „Ich sehe hier einen Sonderfall“, versuchte Straub Mut zu machen. Er verwies darauf, dass ja damals, im Jahr 1989, der Lärmschutz bereits zugesagt gewesen sei. Und er meinte damit, dass man über diese Zusage vielleicht doch noch zum Ziel komme. Straub versprach jedenfalls, sich mit all seinen Mitteln einzusetzen. Und auch der für die Region zuständige Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (CSU) aus Freising werde sicher alles in seiner Macht stehende unternehmen. 

Barrierefreies Bayern? 

Auf die Ankündigung, den Freistaat bis in rund zehn Jahren barrierefrei zu gestalten, wollte ein Zuhörer zu sprechen kommen. Ja, das werde oft missverstanden, stellte Straub gleich klar. Diese Ankündigung der Staatsregierung habe sich auf die Gebäude und Einrichtungen des Freistaats bezogen. Das wiederum wollte Hohenwarts Bürgermeister Russer nicht kommentarlos stehenlassen: „Ich bin überzeug davon, dass wir in den Kommunen denselben Druck bekommen.“ Und dann brauche es ein Förderprogramm, gerade für kleine Gemeinden. Und außerdem, so Russer, sollte man auch einmal klar definieren, was man denn eigentlich unter Barrierefreiheit verstehe, was das konkret bedeute.

Asylpolitik und ihre Tücken

Beim Thema Asylpolitik ging es um eine konkrete Problemstellung, die von einem Zuhörer ins Feld geführt wurde. Minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern hier ankommen, werden ja zum Teil in Pflegefamilien untergebracht. Und es gibt auch Familien, die sich bereit erklären würden, einen jungen Asylbewerber bei sich aufzunehmen. Allerdings darf ein Asylbewerber das Land nicht verlassen. Will sagen: Die Pflegefamilie kann – zumindest mit dem jungen Flüchtling – keinen Auslands-Urlaub machen. 

Ein Problem, das bekannt ist und immer wieder thematisiert wird, für das aber freilich auch der Landtagsabgeordnete Karl Straub keine Lösung weiß. Da gehe es um internationales Recht. Er konnte zur Verdeutlichung des Dilemmas nur klarstellen: „Wenn du ein Flüchtlings-Kind aufnimmst und mit ihm nach Österreich fährst, dann machst du dich strafbar.“ Wegen illegaler Einreise. Diese Problematik dürfte indes nicht gerade das Finden von Pflegefamilien befördern.

Ungeachtet dessen sagt Straub, er habe für sich noch keine klare Antwort darauf gefunden, ob minderjährige unbegleitete Flüchtlinge nicht vielleicht ohnehin besser in Formen von betreutem Wohnen untergebracht wären. Viele seien stark traumatisiert.


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