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2,4 Millionen Euro Beute: Internationales Quartett soll über 200 Einbrüche in Ingolstadt und München begangen haben. Heute gab die Kripo Details bekannt und schilderte, wie es zur Festnahme beim SEK-Zugriff kam

Audio-Podcast: Interview mit Kripo-Chef Alfred Grob

Von Tobias Zell

Es ist eine beispiellose Serie. Über zehn Jahre hinweg soll eine vierköpfige Bande in Ingolstadt und München mehr als 200 Einbrüche begangen haben. Erbeutet wurden Schmuck, Uhren und Bargeld im Wert von insgesamt sage und schreibe 2,4 Millionen Euro. Die Anklageschrift umfasst rund 80 Seiten, fast 300 Zeugen werden von der Staatsanwaltschaft benannt. Allein 90 Einbrüche in Ingolstadt werden dem Quartett zur Last gelegt – hier sollen die Angeschuldigten Beute im Wert von rund einer Million Euro gemacht haben.

Auf der Schanz waren drei von ihnen im Januar vergangenen Jahres dann auch im Rahmen eines SEK-Einsatzes festgenommen worden, weil ein Zeuge nach einem Einbruch in München den entscheidenden Hinweis geliefert hatte – das Kennzeichen des Autos, mit dem die mutmaßlichen Täter unterwegs waren. Und das führte bald zu einer Wohnung im Norden Ingolstadts, wo nicht nur das Lager der Bande war, sondern wo am Ende auch die Handschellen klickten.

Die Staatsanwaltschaft München I hat bereits Anfang Dezember Anklage zum Landgericht München I gegen die mutmaßliche Einbrecherbande erhoben. Es handelt sich konkret um zwei 38 und 44 Jahre alte Serben, einen in Ingolstadt geborenen und wohnhaften 47-jährigen Kroaten sowie eine 43-jährige Deutsche, die zeitweise mit einem der Männer liiert gewesen sein soll. Der Vorwurf gegen die vier: schwerer Bandendiebstahl.

Die Anklage geht von folgendem Tatverdacht:
Bereits im Jahr 2004 schlossen sich der heute 38-jährige Serbe, der Kroate und die Deutsche zusammen. Ihr Ziel war es, demnach gemeinsam in Wohnhäuser und Villen im Raum Ingolstadt und München einzusteigen. Damals beteiligte sich auch noch ein heute 43-jähriger Serbe;  gegen ihn wird noch getrennt ermittelt – er wird per Haftbefehl gesucht. Letzterer stieg vermutlich im Jahr 2008 aus der Bande aus, an seine Stelle trat indes ein heute 44-jähriger Landsmann, der nun ebenfalls mitangeklagt wurde. Ein weiterer, heute 41-jähriger Serbe kam im Jahr 2011 dazu; er wird ebenfalls gesondert verfolgt.



Bei der Durchsuchung sichergestellter Schmuck, der Einbrüchen in Ingolstadt zugeordnet werden konnte – diese Tatsache brachte die drei Männer aus dem Quartett nach dem SEK-Zugriff in Untersuchungshaft.

Über zehn Jahre sollen die vier Angeschuldigten in wechselnder Besetzung auf Beutezug gewesen und in mehr als 200 Häuser eingebrochen sein, die sie zuvor ausgespäht hatten. Dabei sollen sie stets darauf geachtet haben, dass niemand zuhause ist.
Sie hebelten Fenster, Terrassen- oder Kellertüren auf und gelangten so in die Gebäude. Abgesehen hatten sie es in der Regel auf Schmuck, Uhren und Bargeld. Insgesamt soll Beute im Wert von 2,4 Millionen Euro zusammengekommen sein. Durch das Aufhebeln der Türen und Fenster wird darüber hinaus von einem Sachschaden in einer Größenordnung von 250 000 Euro ausgegangen.

„Stützpunkt“ der Bande soll die Wohnung des 47-jährigen Kroaten im Ingolstädter Norden gewesen sein. Da ein Teil der mutmaßlichen Täter offenbar extra aus dem Ausland anreiste, soll er seine Wohnung als Unterkunft sowie als Lager für Einbruchswerkzeuge und Beute zur Verfügung gestellt haben. Er habe zudem dafür verantwortlich gezeichnet, gestohlene und aufgebrochene Tresore zu entsorgen, heißt es von der Staatsanwaltschaft.

Einen dieser Tresore zeigte die Ingolstädter Kripo heute bei einem Pressetermin im Polizeipräsidium Oberbayern-Nord. Der war im Dezember 2004 bei einem Einbruch in der Baldestraße gestohlen worden; im Februar 2014 – also zehn Jahre später – wurde er per Taucheinsatz am Baggerweg in der Donau entdeckt und geborgen. Insgesamt seien drei Tresore gefunden worden, sagte Kripo-Chef Alfred Grob. Allerdings entwickelte die Bande offenbar ihre Vorgehensweise über die Jahre weiter. Später wurde auf das aufwändige Wegschleppen von schweren Tresoren verzichtet – zu groß ist hier das Risiko, entdeckt zu werden

Dank der Aussagen der mutmaßlichen Täter weiß man auch, wie das Quartett vorging. Mit einem ganz normalen Schraubenzieher hebelten sie Fenster oder Türen auf – nach ihren eigenen Angaben dauerte das gerade mal zehn bis 15 Sekunden, berichtete Grob. Das deckt sich mit den Erfahrungen der Kripo: Gelingt ein Einbruch nicht binnen kürzester Zeit, lassen die Täter in der Regel ab und machen sich aus dem Staub. In den heimgesuchten Häusern hielt man sich üblicherweise um die 20 Minuten auf. Man trug  stets Handschuhe und vermied „Opferkontakt“; ansonsten: Flucht oder Abbruch. Abgesehen hatte man es eigentlich nur auf Bargeld und Schmuck; das Auto war immer in Tatortnähe platziert.

Mit einem ganz normalen Schraubenzieher öffneten die mutmaßlichen Täter Fenster und Türen, wie heute der Ingolstädter Kripo-Chef Alfred Grob (links) und der zuständige Kommissariatsleiter Wolfgang Schwärzer erklärten.

So trieben die Angeschuldigten über ein Jahrzehnt ihr Unwesen und räumten Haus um Haus aus – bis am 21. Dezember 2013 die Beobachtung eines aufmerksamen Zeugen den entscheidenden Hinweis liefern sollte. Wieder einmal hatte die Bande an in München zugeschlagen, allerdings wurde diesmal Alarm ausgelöst. Daraufhin nahmen die Täter Reißaus, ihr hastiger Abgang führte sie durch Gärten bis zum Auto, in dem sie mit quietschenden Reifen davonrauschten. Dem besagten Zeugen fiel diese Flucht auf, er notierte sich das Kennzeichen. Es war ein Ingolstädter Nummernschild.

Hier war sie nun, die brandheiße Spur. Sie führte die Ermittler zu der Wohnung des Kroaten im Norden Ingolstadts. Die bislang „unbekannten Täter“ sollten nun ein Gesicht bekommen. Auf den Tag genau einen Monat nach dem Zeugenhinweis erfolgte der Zugriff – mit Erfolg. Mit Unterstützung einer Spezialeinheit wurden die drei völlig überraschten Männer festgenommen. Und wie Kripo-Chef Grob sowie der zuständige Kommissariatsleiter Wolfgang Schwärzer heute berichteten, wurde bei einer Durchsuchung auch Beute sichergestellt, welche Einbrüchen zugeordnet werden konnte, die kurz zuvor in Ingolstadt begangen worden waren. Ein entscheidender Fund: Denn   das brachte die drei Männer in Untersuchungshaft – wo sie seither sitzen. Die Frau wurde schließlich am 10. Juli vergangenen Jahres geschnappt, auch für sie ging es direkt in U-Haft.

Im Verlauf der nach dem Zugriff anstehenden Ermittlungen konnte die Ingolstädter Kripo der Bande durch akribische Arbeit insgesamt exakt 141 Einbrüche zuordnen – und damit aufklären, wie Grob heute erklärte. 90 dieser Fälle flossen in die Anklageschrift ein – die restlichen 51 gelten laut Grob zwar ebenfalls als geklärt, doch die Staatsanwaltschaft wollte dem Quartett nur die Fälle zur Last legen, die hieb- und stichfest nachzuweisen sind. Zwei dieser 90 Fälle ließen sich nach Worten von  Schwärzer durch die bei der Durchsuchung entdeckte Beute belegen; weitere 88 haben die Beschuldigten letztlich selbst konkret und nachvollziehbar geschildert – und damit gestanden.

Die Taten in Ingolstadt, die der Bande vorgeworfen werden, reichen zurück bis Mitte Dezember 2004 und wurden überwiegend zur abendlichen Dämmerungszeit verübt. Grob zitierte Aussagen der Angeschuldigten, wonach zwischen 17 und 19 Uhr „die beste Einbruch-Zeit“ sei. Besonders schadensträchtig war übrigens ein Fall im Jahr 2005, als aus einem Einfamilienhaus in der Ingolstädter Sustrisstraße Geld und Schmuck im Gesamtwert von rund 150 000 Euro erbeutet wurde. Aufsehen erregend war auch ein Fall aus dem Jahr 2012, als in der Freisinger Straße Beute im Wert von 60 000 Euro gemacht wurde.

Die beiden Serben und die deutsche Frau haben die ihnen zur Last gelegten Taten „nahezu vollumfänglich eingeräumt“, heißt es von der Staatsanwaltschaft München I. Der Kroate habe dagegen erklärt, lediglich unter anderem Einbruchswerkzeug und Beute zwischengelagert sowie an den Gebäuden, in die eingestiegen wurde, Aufpasser-Dienste geleistet zu haben. Er gab demnach an, hierfür pauschal mit einem relativ geringen Betrag entlohnt worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft sieht das völlig anders: Nach ihrer Überzeugung gehörte der Mann zum Kern der Bande.


Zwei der vier nun Angeschuldigten waren bereits zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der arbeitslose Kroate, dessen Ingolstädter Wohnung eine zentrale Rolle spielte, sei zuvor „unauffällig“ gewesen, sagte Grob heute. Das Strafgesetzbuch sieht übrigens nach Angaben der Staatsanwaltschaft für schweren Bandendiebstahl Freiheitsstrafen zwischen einem und zehn Jahren vor. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens – und damit über eine mögliche Terminierung einer Gerichtsverhandlung – hat das Landgericht München I bislang noch nicht entschieden. 

In den vergangenen Jahren habe es in Bayern kein vergleichbares Gerichtsverfahren geben, sagte der Ingolstädter Kripo-Chef Alfred Grob heute mit Blick auf die 200 Taten, die den Angeschuldigten zur Last gelegt werden. Und natürlich ist die Ingolstädter Kripo auch stolz auf die Erfolgsmeldung, in diesem Zusammenhang 141 Einbrüche im Stadtgebiet aufgeklärt zu haben. Zur Einordnung: Das sind mehr Fälle, als hier in einem Jahr verübt werden.

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