Eberhard Sasse, der Präsident der IHK für München und Oberbayern, schlägt Alarm: Das dritte Mal in Folge sank die Anzahl der neuen Ausbildungsverträge. Er fordert „gesellschaftliches Umdenken und die Abkehr vom Akademisierungswahn“
(ty) Trotz aller Anstrengungen in der Lehrlings-Akquise haben die oberbayerischen Unternehmen auch im vergangenen Jahr wieder weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen: Insgesamt stellten die Betriebe aus Industrie, Handel und Dienstleistung bis Jahresende 16 940 Auszubildende neu ein – das ist ein Prozent weniger als im Vorjahr. Damit ist die Anzahl der Neu-Verträge bereits das dritte Mal in Folge geschrumpft, wie aus der aktuellen Ausbildungsstatistik der IHK für München und Oberbayern hervorgeht. Zum Vergleich: Im Ausbildungs-Rekordjahr 2008 hatten noch 18 293 Lehrlinge in Oberbayern eine Ausbildung bei IHK-zugehörigen Betrieben begonnen.
„Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist ungebrochen. Doch es gehen ihnen schlichtweg die Azubis aus“, sagt Eberhard Sasse, Präsident der IHK für München und Oberbayern. Das stelle die Betriebe bei der Fachkräfte-Sicherung „vor riesige Probleme“.
Dieses Dilemma spiegelt sich auch in der aktuellen Online-Umfrage der IHK München unter 900 Unternehmen zum Thema Ausbildung wider: Demnach plant die Hälfte der Befragten die Anzahl ihrer Ausbildungsplätze in diesem Jahr konstant zu halten, zwölf Prozent wollen weniger Stellen anbieten. Ein Viertel der befragten Firmen begründet die Reduzierung des Lehrstellenangebots für heuer laut IHK mit dem Mangel an Bewerbern.
Besonders groß sei der Azubi-Mangel weiterhin in der Gastronomie (minus 9,6 Prozent). Aber auch bei den Berufen in der Elektrotechnik, zum Beispiel bei Elektronikern für Automatisierungstechnik, wurden weniger Verträge abgeschlossen (insgesamt minus 5,7 Prozent) ebenso bei den Industriekaufleuten (minus 5,3 Prozent).
„Das Problem geht quer durch alle Branchen“, berichtet Sasse. Insgesamt wurden den Arbeitsagenturen in Oberbayern im vergangenen Jahr (Stichtag 30. September) 28 875 freie Ausbildungsplätze gemeldet. Davon blieben jedoch mehr als 3000 unbesetzt, wie die IHK betont. Gleichzeitig wurden nur noch 409 unversorgte Ausbildungsbewerber verzeichnet.
„Es ist höchste Zeit, zu handeln“, mahnt Sasse. Erforderlich seien vor allem „gesellschaftliches Umdenken und die Abkehr vom vorherrschenden Akademisierungswahn“, sagt er. „Die duale Ausbildung muss wieder als attraktive und echte Alternative zum Studium wahrgenommen werden“, fordert der IHK-Präsident. Noch immer würden die Karrierechancen nach der betrieblichen Ausbildung und die Fortbildungsmöglichkeiten über Meisterkurse bis zum Hochschulstudium unterschätzt.
Aber auch die Betriebe müssten die Ausbildung noch stärker zur Chefsache machen und auch neue Bewerbergruppen ansprechen, appelliert der IHK-Präsident. Sasse empfiehlt allen Unternehmen, frühzeitig auf Schüler zuzugehen, auch Absolventen mit weniger guten Noten eine Chance zu geben und neue Angebote wie Duales Studium und Teilzeitausbildungen einzuführen. Darüber hinaus müssten auch Studienabbrecher stärker in den Fokus der Ausbildungsbetriebe rücken, so Sasse.
Zusätzlich setzt sich die IHK für die gesicherte betriebliche Ausbildung von Flüchtlingen zu Fachkräften ein. Mit dem von der IHK entwickelten Modell „3+2“ könnten mehr Unternehmen für die Ausbildung junger Flüchtlinge gewonnen werden, unterstreicht Sasse. Das Modell sehe vor, dass Jugendliche während der Ausbildung sowie zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden dürfen. „Das gibt den Betrieben, die in die Ausbildung von Flüchtlingen investieren, die notwendige Rechts- und Planungssicherheit.“
Insgesamt sind derzeit 9823 IHK-zugehörige Unternehmen in Oberbayern in der Ausbildung aktiv und stehen für fast 60 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse. 1380 Unternehmen konnten laut IHK im vergangenen Jahr erstmals für die Ausbildung gewonnen werden.