Folke Braband inszenierte am Stadttheater Ingolstadt Ralph Benatzkys Singspiel „Im weißen Rössl“ und erntete dafür stürmischen Premierenapplaus
Von Michael Schmatloch
Ob im Weißen Rössl am Wolfgangsee das Glück in der Tat vor der Tür steht, diese Frage bedarf doch eher einer individuellen Antwort. Das Theaterglück tut es in jedem Fall. Und das nicht am Wolfgangsee, sondern am Stadttheater Ingolstadt. Dort nämlich feierte das Singspiel von Ralph Benatzky am Samstag umjubelte Premiere. Bereits nach dem ersten Vorhang gab es standing ovations für Schauspieler, Musiker und Regieteam. Und der stürmische Applaus war durchaus angemessen. Denn was Regisseur Folke Barband da auf die Bretter gezaubert hat, war eine höchst amüsante Denunzierung dieses alpenländischen Liebesreigens, eine wundervoll feinsinnige Persiflage auf eines der bekanntesten deutschen Singspiele.
Schon im Bühnenbild (Ausstattung Stephan Dietrich), das aus drei bespielbaren Kitschpostkarten besteht, ist der Kontrast angelegt. Der zur Musik, die weniger auf schluchzende Geigen setzt, sondern schon mal südamerikanische Rhythmen in die Gefilde der K.u.k.-Monarchie einfließen lässt, mal etwas flotter daherkommt als Benatzkys romantisierende Partitur, etwas härter und energischer an manchen Stellen.
Auch die frische, zwar nicht immer ganz stimmige, aber überaus fantasievolle und freche Choreografie von Dominik Büttner, der zugleich in die Rolle des Piccolo schlüpft, geht erfrischend eigenständig und „respektlos“ an das Werk heran und sekundiert dem persiflierenden Gestaltungswillen Folke Brabands perfekt.
Perfekt ist auch das Wort, das sich Antje Rietz mit ihrer Darstellung der Rösslwirtin Josepha Vogelhuber verdient hat. Eine wundervolle, gut ausgebildete Operettenstimme, viel Spielwitz und ungeheure Bühnenpräsenz zeichnen diese Josepha aus, die, wenn’s gewünscht wird, auch noch die Tuba bläst und ihrem Zahlkellner Leopold den Marsch.
Den gibt Richard Putzinger mit energischem, sicherem Gespür und erfreulichem Abstand zum einschichtig liebestollen Alpengockel.
Grandios lässt Stefan Leonhardsberger den schönen Sigismund über die Bühne tänzeln, macht Sascha Römisch aus dem Kaiser Franz Joseph eine hinreißende Solonummer, gibt Stefanie von Poser der charmant lispelnden Ottilie ebenso formidable Gestalt wie Olaf Danner dem schwäbelnden Professor Hinzelmann. Auch die übrigen Rollen sind mit Jan Gebauer, Peter Reisser, Denise Matthey, Dominik Büttner und vor allem Teresa Trauth bestens besetzt.
Das gilt auch für das kleine „Orchester“ von Tobias Hofmann, der sich frech und ohne Berührungsängste in die Partitur von Ralph Benatky schleicht, die Tempi strafft oder die Rhythmik ebenso frech wie fantasievoll aus den Alpen holt.
Folke Brabands humorvoll und gekonnt respektlose Bearbeitung des Weißen Rössls, sein Sinn für sprachliche und spielerische Details und sein unbändiger Drang zur persiflierenden Distanz machen aus dieser Inszenierung wirklich ein Theaterereignis, das man gesehen haben muss.