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Kein Söder in Pfaffenhofen oder: Wie die bayerische Heimat-Strategie den Freistaat voranbringen soll, aber der ungebrochene Flüchtlings-Zustrom fast alles zur Nebensache geraten lässt

Von Tobias Zell

Das Thema Asyl wirft derzeit oftmals die Terminpläne durcheinander, sagt Staatssekretär Albert Füracker (CSU). Deshalb war zur heutigen „Heimatkonferenz“ auch nicht, wie eigentlich angekündigt, Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) nach Pfaffenhofen gekommen, um mit den Bürgermeistern und Landräten aus der Region zu diskutieren. Söder sei in München gebunden, entschuldigte Füracker seinen Chef sinngemäß. Klar, wer als Superminister für Finanzen und Heimat zuständig ist, den betrifft in der Tat praktisch jedes Thema. Weil ums Geld geht es sowie immer und eine Heimat-Angelegenheit ist in Bayern eh irgendwie alles. Etwas weniger flapsig gesagt: Es muss ohne Frage darüber beraten werden, was zur Bewältigung des nicht abreißenden Flüchtlings-Zustroms getan werden kann und muss, was das kostet und wie es finanziert wird.

Söder war also nicht da, aber auch Füracker war freilich bestens präpariert und ließ bei dem Pressetermin nach der Heimatkonferenz keine Gelegenheit aus, um zu betonen, wie sehr sich die bayerische Staatsregierung bemüht, mit seiner „Heimat-Strategie“ den Freistaat weiter voranzubringen. Mit dem im Jahr 2013 neu geschaffenen Heimatministerium habe man die Weichen für die Zukunft in Land und Stadt gestellt, hieß es schon in der Einladung. Nach der Verfassung sei die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen ja schließlich eine Kernaufgabe des Staates. 

Heimat-Strategie = Dezentralisierungs-Strategie

Die Strategie unter dem Motto „Heimat Bayern 2020“ umfasst als zentrale Bestandteile: Behördenverlagerung, kommunaler Finanzausgleich, Maßnahmen der Landesentwicklung und Digitalisierung in den Regionen. Man wolle dazu beitragen, dass der Freistaat auch künftig eine starke Heimat bleibe. Söder und Füracker touren derzeit durchs Bayernland, um bei solchen Heimatkonferenzen die Heimat-Strategie zu thematisieren sowie mit den Rathauschefs und Landräten über die weitere Entwicklung zu debattieren. Heute also Pfaffenhofen, eingeladen waren auch Kommunalpolitiker aus den Kreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Freising und aus Ingolstadt.

Die Heimat-Strategie, betonte Füracker, der aus dem Kreis Neumarkt in der Oberpfalz kommt, die Heimat-Strategie sei eine „Dezentralisierungs-Strategie“. Angesichts der unterschiedlichen Entwicklung der Regionen sollen alle Kommunen handlungsfähig gehalten werfen. Da geht es auch ums Geld. Seit elf Jahren habe der Freistaat keine neuen Schulden mehr gemacht, unterstrich Füracker – und trat auch gleich dem Vorwurf entgegen, dass die Tilgung auf Kosten der Gemeinden gehe. Im Gegenteil, betonte er. Die bekämen mit 8,4 Milliarden Euro aktuell vom Freistaat so viel Geld wie nie zuvor. Rekord. Weil man wolle ja die ländlichen Bereiche stärken.

Bei der Pressekonferenz: Ministeriums-Sprecher Dennis Drescher (von links), der Wolnzacher Landtagsabgeordnete Karl Straub, Staatssekretär Albert Füracker, Pfaffenhofens Landrat Martin Wolf.

Zweiter Punkt: Den Breitband-Ausbau gelte es anzuschieben – obwohl der Freistaat dafür eigentlich gar nicht zuständig sei. Aber die großen Anbieter würden halt von sich aus nur dort aktiv, wo es lukrativ sei. Und vom Bund fühle man sich „im Unklaren gelassen“; sprich: Man habe die Sorge, dass das, was da in Berlin geplant werde, zu bürokratisch und obendrein schwer umsetzbar sei.

91 Prozent der Gemeinden seien aktuell im bayerischen Förderverfahren zum Ausbau der Breitband-Versorgung. Im Kreis Pfaffenhofen zum Beispiel 18 von 19 Gemeinden, 14 Millionen Euro stünden allein hier zu Verfügung. Auf den Kreis Eichstätt warten demnach 21 Millionen, für Neuburg-Schrobenhausen liegen 13 Millionen bereit. Je nach Größe und Besiedelungsdichte könne pro Gemeinde bis zu einer Million Euro fließen; die Förderquote liege zwischen 60 und 90 Prozent. In Oberbayern befinden sich laut Füracker bereits 88 Prozent der Kommunen in dem bis 2018 laufenden Zuschuss-Programm. Trotz dieses bayerischen Engagements appelliert der Staatssekretär aber auch an den Bund; denn möglicherweise reiche das vom Freistaat bereitgestellte Geld nicht, um auch alle Weiler mit schnellem Internet zu versorgen.

Kostenloses WLAN, powered by Freistaat

Nächster Punkt: Die bayerische WLAN-Strategie. Das Heimatministerium will hier durchstarten und bis zum Jahr 2020 den Freistaat mit einem Netz von kostenfreien WLAN-Hotspots überziehen. Begonnen werden soll mit den staatlichen Behörden-Gebäuden. Dieses Bayern-WLAN solle Beispiel gebend sein, sagt Füracker.

Außerdem will das Heimatministerium Regionalmanagement-Initiativen anschieben.  Und zum Landesentwicklungsprogramm betont Füracker, man wolle „weg vom Verbieten und Verhindern, hin zum Ermöglichen“. Es gelte, mehr Möglichkeiten, bei der Gewerbe-Ansiedlung zu schaffen. Denn wenn man wolle, dass sich Betriebe im ländlichen Raum niederlassen und dort Arbeitsplätze entstehen, dann müsse man auch entsprechende Veränderungen herbeiführen. Dass wird bedeuten müssen: Die Schaffung von Gewerbeflächen gilt es zu vereinfachen.

Über all diese Themen sei bei der Heimatkonferenz gesprochen worden, berichtete Füracker in der Pressekonferenz. Außerdem ging es um die grundsätzliche Frage von Straßenausbau-Beitrag-Satzungen, Abwasserförderung und Infrastruktur. Eine „sehr konstruktive, fruchtbare Diskussion“ sei das gewesen, solche Gespräche seien „wertvoll“. 

"Es gibt auch noch ein Leben neben Asyl"

Das sah auch der Wolnzacher Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) so, der betont wissen wollte: „Es gibt auch noch ein Leben neben Asyl.“ Etwas unglücklich formuliert, vielleicht. Aber Straub beeilte sich, zu konkretisieren: Die Bürger dürften nicht den Eindruck haben, dass alle andere Arbeit liegen bleibe. Man kümmere sich trotz der Flüchtlings-Problematik schon auch noch um die „eigenen Probleme und infrastrukturellen Herausforderungen“.

Der Pfaffenhofener Landrat Wolf (CSU) berichtete ebenfalls von einer „gewinnbringenden Veranstaltung“ und lobte Staatssekretär Füracker, weil der „den Ton sehr gut getroffen“ habe. Vom Bayern-WLAN erhofft sich der Kreischef eine „Sogwirkung für die Kommunen“. Und außerdem sei die Möglichkeit thematisiert worden, in Ortschaften auch dann ein Tempolimit von 30 km/h erwirken zu können, wenn es sich um eine Staatsstraße handle.

Angesprochen wurde laut Wolf zudem – einmal mehr – die Verkehrs- und Lärmproblematik an der A9. „Wir brauchen den Lärmschutz in Schweitenkirchen“, bekräftigte er. Und man benötige den Vollausbau auf zwei Mal vier reguläre Fahrspuren. Nahezu an jedem Wochenende gebe es Staus auf der Autobahn, daraus resultiere zeitweise eine große Belastung für die anliegenden Orte durch den Umfahrungsverkehr. 

Und natürlich ging es auch um die Bewältigung des Zustroms von Flüchtlingen. Füracker hob hervor, dass Bayern als einziges Bundesland den Kommunen 100 Prozent der Sachkosten zur Unterbringung von Asylbewerbern erstatte – ungeachtet freilich der personellen Herausforderung, denn die gilt es vor Ort zu schultern und zu bezahlen. Hier werde „Großartiges geleistet“, lobte der Staatssekretär auch das ehrenamtliche Engagement.

"Versagen" der EU

Doch gerade, weil Bayern nach Ansicht von Füracker so gut agiert, erhebe man auch den Anspruch, Veränderungen in der Asylpolitik einzufordern. Auch andere Bundesländer müssten ihrer Verantwortung gerecht werden. Vom Bund fordere man, dass die Verteilung der Flüchtlinge nach dem Königsteiner Schlüssel organisiert werde. An die EU-Länder appellierte er, eine gleichmäßige Verteilung der Asylbewerber zu ermöglichen und außerdem die Leistungen anzugleichen. In der Asylpolitik attestierte Füracker der Europäischen Union bis dato „Versagen“.

Der Pfaffenhofener Landrat Wolf fordert vom Bund einen Abbau der Regularien bei der Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Hier greifen bislang die Vorgaben nach der Jugendhilfe, die zum Beispiel auch für junge Menschen mit Handicap gelten.

Mit Steuer-Erleichterungen gegen die Wohnungsnot?

Hilfe von staatlicher Seite erhofft sich Wolf auch beim Wohnungsbau. Der oberbayerische Regierungspräsident Christoph Hillenbrand hatte erst dieser Tage an einem Beispiel verdeutlicht, welche Herausforderung hier bevorsteht. Den Prognosen zufolge kommen heuer alleine 30 000 syrische Flüchtlinge nach Oberbayern. Die werden schnell anerkannt, dürfen damit aus ihren Asyl-Unterkünften ausziehen und suchen dann nach Wohnraum. Weil in der Regel die Familien nachgeholt werden dürfen, müsse man die Zahl der Personen mit drei oder vier multiplizieren. Somit gehe es dann nicht mehr um 30 000 Leute, sondern um etwa 100 000. „Eine Großstadt wie Ingolstadt ist dann allein in Oberbayern auf Wohnungssuche“, veranschaulichte Hillenbrand.

Darauf nahm Wolf heute indirekt Bezug. Es gelte, in Sachen Wohnungsbau eine Dynamik auf privater Seite zu entfachen. Normale Förderprogramme hält er angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase aber eher für wirkungsschwach. Er schlägt vor, Investitions-Anreize in Form von Steuer-Erleichterungen zu schaffen. Ähnliche Überlegungen hege man auch bereits im bayerischen Finanzministerium, bestätigte Füracker – im Sinne einer Forderung an die Bundesregierung. Es gelte, durch Steuervorteile privates Kapital für den Wohnungsbau zu akquirieren. Die Bekämpfung der Wohnungsnot bezeichnete Füracker jedenfalls als „Mega-Thema“.

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