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Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof machte sich beim Jahresempfang des Augsburger Bischofs für Freiheitsrechte und Familien stark und sprach über den "sanften Verlust der Freiheit"

(pba) Der Augsburger Bischof Dr. Konrad Zdarsa hat gestern Abend zahlreiche Vertreter aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Jahresempfang im Haus St. Ulrich begrüßt. „Ihrer täglichen Mühe und Ihrer selbstverständlichen Verbundenheit verdanken wir es, dass wir als Kirche von Augsburg an vielen Orten und in vielen Aufgabenfeldern verlässlich den Glauben bezeugen und für die Menschen da sein können“, richtete sich der Bischof an die rund 400 Gäste. Den Festvortrag hielt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Paul Kirchhof. Der 72-Jährige sprach über den „sanften Verlust der Freiheit“ in unserer Gesellschaft.

Bischof Zdarsa nannte den Redner bei der Begrüßung in einer Reihe mit Ludwig Erhard. So fänden sich die Anliegen des „Vaters der sozialen Marktwirtschaft“ von der Freiheit des Einzelnen und der Bedeutung der Familie für die Gesellschaft auch bei Professor Kirchhof in vielen Büchern, Schriften und Vorträgen wieder.

Grundgesetz als "historischer Glücksfall"

In seinem Vortrag griff Kirchhof dann unter anderem auch diese beiden Themenkomplexe auf. Das deutsche Grundgesetz bezeichnete er als „historischen Glücksfall“. Es gelte, deren Grundprinzipien wie die individuelle Freiheit jedes Menschen gerade in der heutigen Umbruchssituation, neu zu bedenken, neu zu definieren und dadurch zu stärken. Dabei verwies er nicht nur auf die aktuelle Flüchtlingssituation, sondern auch auf die Preisgabe von Nutzerdaten durch den täglichen Gebrauch des Computers. Unsicherheit bezeichnete der aus Osnabrück stammende Rechtsprofessor in diesem Zusammenhang als die „größte Gefahr für die Freiheit“. 

Am Beispiel der staatlich betriebenen Kita-Politik diagnostizierte Kirchhof zudem „große Probleme der Freiheitslenkung“. Einerseits finanziere der Staat den Ausbau von Kindertageseinrichtungen, andererseits gewähre er Eltern, die ihre Kinder daheim erziehen, keinen finanziellen Ausgleich. So erscheine für viele der sanfte Verlust der Freiheit immer mehr als bedrohender. Kirchhof plädiert dafür, Freiheit wieder vielmehr als Freiheitsrecht verständlich zu machen und Familienkultur als Ideal für das schwächste Glied, das Kind, zu pflegen und zu stärken.

"Ideal von Vater und Mutter"

„Wir müssten uns dafür einsetzen, dass dieses Ideal von Vater und Mutter mit Kindern wieder mehr in das öffentliche Bewusstsein rücke“, so Kirchhof. „Wir müssen die Norm nach der Normalität machen“, forderte er mit Blick auf die familienpolitische Gesetzgebung. Das wichtigste Gut sei nicht nur, „dass man das Richtige tut, sondern dass man auch die Menschen davon überzeugt, dass es das Richtige ist, dies zu tun“, sagte er auch mit Blick auf die Ergebnisse der in dieser Woche zu Ende gegangenen Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie. 

Der frühere Verfassungsrichter betonte auch die gute Nachbarschaft von Kirche und Staat, die hierzulande im Grundgesetz verankert ist. Weltanschauungen und Religionen seien der „Humus der Staatlichkeit“, sagte der 72-Jährige. „Wir brauchen ein kulturelles Fundament, denn alles wird von den Wurzeln getragen.“ Unser christlich geprägtes Land habe nur eine kulturelle Zukunft. Deshalb rief er dazu auf, im Sinne von ethischer und moralischer Bildung in die Köpfe zu investieren.

Mut des Staates gefordert

Der Staat müsse den Mut haben, unsere Kinder in unsere Kultur einzuführen, so Kirchhof. Bei der Vermittlung der deutschen Sprache oder beim Erlernen von Musikinstrumenten werde dies wie selbstverständlich praktiziert. Nicht anders sei es mit der Religion. Die Wahrheitsfrage müsse der weltanschaulich neutrale Staat aber offenlassen. „Fragen nach dem Sinn des Lebens können wir nur religiös beantworten.“ Daher ermutigte er: „Wir müssen Kinder wieder religionsmündig machen.“ Wenn sich Kinder nie im „Raum der Religion“ aufhielten, wollten sie natürlich auch nicht länger darin bleiben. Ein Staat ohne Bürger sei ebenso wenig ein Staat, wie eine Kirche ohne Mitglieder keine Kirche sei, unterstrich Kirchhof. 


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