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Die nach einem widerrufenen Geständnis verurteilten und später nach dem Leichenfund freigesprochenen Ex-Angeklagten im Aufsehen erregenden Fall Rupp werden für ihre Zeit im Gefängnis nicht entschädigt

(ty) Gut sechs Jahre ist es nun bereits her, als der wohl spektakulärste Kriminalfall der vergangenen Jahrzehnte in der Region eine unglaubliche Wendung genommen hat. Bei der Staustufe Bergheim zog die Polizei am 10. März 2009 einen Mercedes aus der Donau. Hinterm Steuer: Die Leiche des in der Nacht auf 13. Oktober 2001 verschwundenen Rudolf Rupp aus Heinrichsheim, die keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung aufwies. Damit war klar: Die grausige Geschichte von dem in seinem eigenen Haus erschlagenen, zerstückelten und an die Hunde verfütterten Landwirt ist falsch. Zu dem Zeitpunkt saßen noch zwei der vier im Jahr 2005 Verurteilten im Gefängnis: Rupps Frau Hermine und Matthias E., der Freund der älteren Tochter. Die beiden Töchter, die wegen Beihilfe zum Totschlag verurteilt worden waren, befanden sich bereits wieder auf freiem Fuß. 

Rudolf Rupp war in der Nacht seines Verschwindens in einer Gaststätte. Acht halbe Bier hatte er intus. Er ließ die Zeche anschreiben und stieg in seinen Mercedes, um nach Hause zu fahren. Und, so befand das Landgericht im ersten Verfahren, dort wurde er umgebracht: Auf brutalste Weise; von der eigenen Frau und den Töchtern sowie dem Freund der einen. Die Leiche soll wie im schlimmsten Horrorfilm zerstückelt und den Hunden zum Fraß vorgeworfen worden sein; das Auto sei verschrottet worden. 

Grausige Geständnisse

Die vier haben laut gerichtsmedizinischer Beurteilung einen Intelligenz-Quotienten zwischen 50 und 70. Haben ausgerechnet sie das perfekte Verbrechen begangen? Spuren der angeblichen Bluttat wurden nie gefunden. Doch die vier hatten grausige Geständnisse abgelegt vom Erschlagen, Zerstückeln und Entsorgen der Leiche – die sie allerdings bald widerriefen. Was sie nicht vor dem Gefängnis bewahren sollte. Hermine Rupp und Matthias E. wurden wegen gemeinschaftlichen Totschlags zu je 8,5 Jahren Haft verurteilt, die beiden Töchter zu 3,5 und 2,5 Jahren. Damit war der Fall vier Jahre nach dem Verschwinden von Rudolf Rupp abgeschlossen. Zumindest, bis zum 10. März 2009. 

Nach dem Bergen der Leiche wurde Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. Den allerdings lehnte das Landgericht Landshut ab, woraufhin die Anwälte der Familie Rupp sofortige Beschwerde einlegten. Das Oberlandesgericht München ordnete nun an, dass das Verfahren wieder aufgerollt werden muss. Sprich: Das Landgericht wurde dazu verdonnert, den Fall neu zu verhandeln. Das Urteil fiel dann wenig überraschend aus: Alle vier wurden im Jahr 2011 freigesprochen. Eine Entschädigung für die abgesessene Haft wurde ihnen aber verwehrt.

Kampf um Haft-Entschädigung

Deshalb zogen Hermine Rupp und ihre beiden Töchter – vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Richter im französischen Straßburg haben aber nun entscheiden, die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, wie die Anwälte Regina Rick (München), Klaus Wittmann (Ingolstadt) und Alexandra de Brossin de Mere (Paris) in einer gemeinsamen Erklärung mitteilen: Die Kammer habe in ihrer umfassend begründeten Entscheidung klargestellt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht dazu berufen sei, falsche Feststellungen nationaler Gerichte oder deren Beweiswürdigung zu korrigieren. 

Gerügt worden war von den Rupps beziehungsweise von den Anwälten, dass das Landgericht Landshut eine Entschädigung für die zu Unrecht erlittene Haft trotz Freispruchs verwehrt hatte. „Im Wesentlichen hatte das Landgericht dies damit begründet, die Beschuldigten hätten durch ihre falschen Geständnisse ihre Inhaftierung selbst schuldhaft verursacht und die Folgen – trotz ihrer eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten – vorhersehen können“, erinnern die Anwälte. „Zudem hatte das Landgericht Landshut in seinen Urteilsfeststellungen den Freigesprochenen nach wie vor eine Schuld am Tod des Rudolf Rupp zugerechnet.“ In der Menschenrechtsbeschwerde sei deshalb auch ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung gerügt worden. 

"Verbotene Verhörmethoden"

Die Bundesrepublik Deutschland habe das 7. Zusatzprotokoll EMRK (Europäische Menschenrechts-Konvention) betreffend einer Verpflichtung zur Haftentschädigung bei Fehlurteilen nicht ratifiziert, erklären die Anwälte. Gerügt worden war deshalb in Straßburg eine Verletzung der Garantie des fairen Verfahrens und der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 § 1 und § 2 EMRK, „da insbesondere die angewandten Methoden zur Beweisgewinnung den Druck und Zwang zur Selbstbelastung erzeugt haben, die später, trotz Freispruchs dazu führen konnten, eine Entschädigung nicht zusprechen zu müssen“. 

Die Entscheidung aus Straßburg befasse sich dementsprechend „mit der durch die verbotenen Verhörmethoden möglich gewordene Ablehnung einer Entschädigung nach Strafentschädigungsgesetz, die in diesem Zusammenhang für die Beschwerdeführerinnen willkürlich erschien“, so die Anwälte. Doch letztlich habe die Kammer klargestellt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht dazu berufen sei, falsche Feststellungen nationaler Gerichte oder deren Beweiswürdigung zu korrigieren.


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