Bund Naturschutz macht mobil gegen geplante Erweiterung der Hähnchenmast in Wolnzach-Eschelbach auf 144 600 Tiere – Großes Interesse an Info-Abend – Einwendungen bis 5. April möglich
(ty) 30 000 Menschen im Jahr sterben an resistenten Keimen. Diese Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene nennt Marion Ruppaner. Für die Agrarexpertin vom Bund Naturschutz (BN) in Bayern besteht ein Zusammenhang zwischen diesen Todesfällen und der Massentierhaltung. Denn die war das eigentliche Thema an diesem Abend im Hotel Hallertau in Wolnzach. Mastanlagen müssten oft Antibiotika einsetzen, um die Ausbreitung von Krankheiten einzudämmen. Dabei entstünden dann immer wieder neue resistente Keime, so der BN.
Im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach soll bekanntlich eine bestehende Hähnchenmastanlage deutlich erweitert werden. Von momentan 50 000 auf 144 600 Tiere. „Das wäre dann die größte Anlage in Bayern“, sagt Ruppaner. Ihr Verband will dieses Projekt verhindern. Bereits im Jahr 2012 hat der Bund Naturschutz seine Einwände gegen einen ersten Antrag auf Erweiterung des Betriebs vorgebracht. Die Pläne wurden vom Antragsteller nicht weiterverfolgt, später zurückgezogen. Es wurde still um das Projekt. Nun aber wurde das Vorhaben neu beantragt und sorgt seither für Diskussionsstoff.
Das beantragte Vorhaben beinhaltet nach Angaben des Landratsamts die Aufgabe einer in der Ortsmitte von Eschelbach bestehenden Stallung für derzeit rund 15 000 Tiere sowie die Errichtung von zwei neuen Ställen im Außenbereich. Dort, wo gebaut werden soll, stehen bereits zwei Stallungen, die im Zuge der Betriebserweiterung saniert werden sollen. Nach der beantragten Vergrößerung der Mast-Anlage ergibt sich laut Kreisbehörde dann ein Tierbestand von insgesamt 144 600 Masthähnchen.
Protest der Tierschützer.
Auch dieser zweite Anlauf des Landwirts auf Vergrößerung des Mastbetriebs stößt im Ort auf wenig Begeisterung. Das wurde am Donnerstagabend bei dem Info-Abend deutlich, zu dem der BN eingeladen hatte. Während Aktivisten in knallbunten Kostümen gegen das Leid der Tiere protestieren, melden sich einzelne Eschelbacher zu Wort. Sie befürchten auch eine noch stärkere Verkehrsbelastung. Michael Lohr von der BN-Ortsgruppe Wolnzach-Rohrbach hat die im Landratsamt und bei der Gemeinde Wolnzach ausliegenden Plan-Unterlagen schon ein erstes Mal gesichtet. Er spricht von 2000 Transporten im Jahr, die mitten durch den Ort führen würden.
Das bereitet den Bürgern große Sorgen. Sie klagen bereits jetzt über regelmäßige Ausweichmanöver auf den Gehweg, wenn sich zwei Lastwagen oder Traktoren begegnen. Gemeinderat Max Weichenrieder (CSU) erinnert daran, dass man lange über eine breitere Ortsstraße für Eschelbach diskutiert hatte, aber letztlich sei das damals abgelehnt worden. Weichenrieder, gleichzeitig Pfaffenhofener Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV), verteidigt aber auch seinen Berufsstand gegen die Kritik der Naturschützer. Deren Vertreter Peter Bernhart hatte angeprangert, dass die Landwirte heute mehr Vieh hielten, als ihre eigenen Flächen ernähren könnten. Die sei der „Sündenfall“, so Bernhart. Monokulturen hätten dazu geführt, dass bei uns 80 Prozent der Insekten ausgestorben seine. Doch dafür will Weichenrieder nicht die Bauern verantwortlich gemacht haben. Er verweist darauf, dass man die „Bodenkultur immens gesteigert“ habe.
Gesteigert hat man auch die Aufzucht von Hähnchen. Davon gebe es viel mehr als man in Deutschland verbrauche, empört sich Ruppaner. Die Überschüsse würden dann nach Afrika und Asien zu Dumpingpreisen verkauft. Dort zerstörten sie die einheimischen Märkte, die vorher mühsam mit Entwicklungshilfe aufgebaut worden seien.
Max Weichenrieder, Gemeinderat (CSU) und Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands.
Für den Neffen des Antragsstellers sind all diese Argumente nicht überzeugend. Er kritisiert den BN-Ortsvorsitzenden Michael Lohr. Der hatte erklärt, dass auch die beiden bestehenden Ställe um 3400 Tiere aufgestockt werden sollen, und war von einer Vergrößerung der Gebäude ausgegangen. Diese Vergrößerung dementierte der Neffe der Eigentümerfamilie. Ein weiteres Familienmitglied verwehrte sich gegen Spekulationen, dass die beiden neuen Ställe eine Fehlinvestition werden könnten. „Was ich mit meinem Geld mache, ist doch meine Sache“, stellte er klar.
Der Bund Naturschutz verwies darauf, dass selbst das Bundeslandwirtschaftsministerium die momentane Tierhaltung als nicht zukunftsfähig ansehe. Josef Konrad vom Pfaffenhofener Landwirtschaftsamt meldete sich aus dem Publikum. Er erzählte von zwei Mastbetrieben in Niederbayern. Die hätten in einem Versuch den Hähnchen genug Auslauf und sogar Spielzeug geboten. Doch das Experiment sei „elendig gescheitert, weil der Verbraucher nicht das Geld ausgeben will“.
Zahlreiche Besucher waren zum Info-Abend des BN gekommen.
Die Frage eines Bürgers, ob denn Ökolandbau überhaupt in der Lage wäre, die Weltbevölkerung zu ernähren, beantwortete die Agrarexpertin des BN mit einem Ja. Es gebe Studien, die dies für möglich hielten – „rein rechnerisch“. Dazu müsste aber die Bevölkerung zum Beispiel in Deutschland ihren Fleischkonsum halbieren. Biobauer Stefan Kreppold aus Aichach, auch Mitglied im Landwirtschafts-Arbeitskreis des BN-Landesverbands, wies darauf hin, dass ein Biohahn doppelt so lang gemästet werde wie ein konventionelles Hähnchen.
Nach Abschluss der Diskussion forderte der Bund Naturschutz alle Zuhörer auf, ausliegende Sammeleinsprüche gegen die Erweiterung des Mastbetriebs in Eschelbach zu unterschreiben. Im Sommer sollen alle Einwände in einem öffentlichen Verfahren erörtert werden. Danach wird das Landratsamt über den Antrag entscheiden.
Einwendungen bis 5. April möglich
Derzeit läuft, wie berichtet, am Landratsamt das so genannte immissionsschutzrechtliche Verfahren. Alle Bürger können in diesem Zusammenhang Einwendungen gegen das Vorhaben erheben – und zwar unabhängig von der persönlichen Betroffenheit. Die Unterlagen liegen einen Monat lang zur allgemeinen Einsichtnahme aus. Seit 23. Februar und noch bis 22. März können sie im Landratsamt (Zimmer B 306) und im Wolnzacher Rathaus (Zimmer 11, 1. Stock) von jedermann eingesehen werden – montags bis mittwochs von 8 bis 16.30 Uhr, donnerstags von 8 bis 17.30 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr.
Einwendungen gegen das Vorhaben können schriftlich während dieser Auslegungsfrist sowie innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf dieser Auslegungsfrist – also bis einschließlich 5. April – beim Landratsamt oder beim Markt Wolnzach erhoben werden. „Die Einwendungen müssen schriftlich mit Angabe von Name und Anschrift des Einwenders erhoben werden sowie den geltend gemachten Belang und gegebenenfalls das Maß der Beeinträchtigung erkennen lassen“, teilte dazu das Landratsamt mit.
Bisherige Beiträge zum Thema:
Widerstand gegen Hähnchenmast-Erweiterung