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Wie der Wolnzacher Bürgermeister Jens Machold (CSU) sich über die Gemeindeordnung hinwegsetzt, seine Dienstpflicht verletzt – und damit offenbar ganz locker durchkommt

Von Tobias Zell 

Die bayerische Gemeindeordnung regelt es unmissverständlich. Der Gemeinderat ist „unverzüglich einzuberufen, wenn es ein Viertel der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder schriftlich oder elektronisch unter Bezeichnung des Beratungsgegenstands verlangt.“ Und: „Die Sitzung muss spätestens am 14. Tag (...) nach Eingang des Verlangens stattfinden.“ Soweit zur Theorie. In der Praxis sieht es so aus, dass der Wolnzacher Bürgermeister Jens Machold (CSU) sich offenbar mit voller Absicht über diesen Artikel 46 der Gemeindeordnung hinwegsetzen kann – und wenig bis gar nichts zu befürchten hat. 

Der Fall offenbart ein bemerkenswertes Zusammenspiel der Regierung von Oberbayern, der Kommunalaufsicht am Pfaffenhofener Landratsamt und dem Wolnzacher Rathaus. Die Regierung, die im Vorfeld noch eine Ansage gemacht hatte, die an Deutlichkeit kaum zu überbieten war, hält sich nun lieber zurück mit der Bewertung. Man wolle dem Landratsamt nicht vorgreifen, heißt es auf Anfrage. Bei der Kreisbehörde wiederum kommt man immerhin zu der Feststellung, dass Machold seine Dienstpflicht verletzt hat. Aber nicht schuldhaft, wie man findet. Denn: Man habe die Behandlung des Antrags auf Sondersitzung mit dem Markt Wolnzach erörtert und abgewogen.

Frist ablaufen lassen 

Der Antrag auf Sondersitzung war gekommen von den Fraktionen von SPD sowie FDP, UW und BGW. Man wollte diese anberaumt wissen, um grundsätzlich über die künftige Baulandpolitik in der Gemeinde zu sprechen. Wobei es im Grunde keine entscheidende Rolle spielt, worüber die Antragsteller reden wollen – so lange sie es klar mitteilen, es kein direkter Schmarrn ist und die Formalitäten erfüllt sind.

Wie die Kommunalaufsicht am Landratsamt auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte, ging der Antrag auf Abhaltung einer solchen Sondersitzung im Laufe des 23. März im Rathaus ein. „Die Frist begann daher am 24. März, 00.00 Uhr, zu laufen und endete am 6. April, 24 Uhr.“ Die geforderte Sitzung fand aber nicht innerhalb dieser Frist statt. Denn Machold setzte sie einfach nicht an.

"Opposition um der Opposition willen"

Der Rathauschef hat nämlich für das oppositionelle Ansinnen nur Kopfschütteln übrig, wie er auf Anfrage erklärte. Er verstehe nicht, warum man eine Sondersitzung brauche, wenn doch nur einen Tag nach Ablauf der Frist, am 7. April, sowieso der Gemeinderat tagt. Außerdem findet er es „fragwürdig“, ausgerechnet in den Ferien eine Sondersitzung zu fordern. „Ich kann hier keinen Sinn erkennen“, sagt Machold, „außer Opposition um der Opposition willen.“

Der Stil der Opposition entlarve sich hier selbst, meint Machold. „Querulatorisch“ sei das, sich jetzt aufzuregen. Außerdem wäre es seiner Meinung nach schlichtweg eine Verschwendung von Steuergeldern gewesen, kurz vor der regulären Sitzung eine Sondersitzung abzuhalten. Das hätte 3500 bis 4000 Euro gekostet, rechnet er vor und verteidigt seinen Kurs: „Lieber eine Rüge bekommen, als zu Recht im Schwarzbuch der Steuerzahler stehen.“

"Demokratische Grundrechte mit Füßen getreten" 

Zumindest im Kopfschütteln sehen sich Machold und die Opposition vereint. Denn die Antragsteller haben keinerlei Verständnis dafür, dass ihr Antrag ignoriert worden ist. „Hier werden demokratische Grundrechte einfach mit Füßen getreten“, empört sich Thomas Stockmaier (FDP). „Die Qualität eines Bürgermeisters zeigt sich unter anderem daran, wie er mit seiner Opposition umgeht“, sagt er. Und Macholds Kopfschütteln wertet er als „Kopfschütteln der Ignoranz“. 

Jedenfalls fand am 7. April dann die besagte reguläre Sitzung des Marktgemeinderats statt. Dabei wurde das Thema Bauland-Politik zwar behandelt. Aber erstens nach Ablauf der Sondersitzungs-Frist. Und zweitens nicht so, wie sich die Opposition das gewünscht hätte. „Das war nur eine einfache Information aber keine Beratung“, moniert der frühere Bürgermeister und ehemalige Landrat Josef Schäch (UW). Hier gehe es schließlich um ein Thema, das „entscheidend für Jahrzehnte“ sei.

 

Bürgermeister Jens Machold (CSU). 

Auch Werner Hammerschmid, der Chef der SPD-Fraktion, ist nicht zufrieden mit der Vorgehensweise. „Es blieben ja auch am 7. April wieder viele Fragen offen“, sagt er zur Sache selbst. Und das Verhalten von Machold in Zusammenhang mit dem vom Tisch gewischten Antrag auf Sondersitzung bewertet er als „Gutsherrenart“. Die Geschäftsordnung „ist die Bibel des Bürgermeisters“, findet Hammerschmid. Die könne Machold nicht auslegen, wie es ihm gerade passe. Und wenn die Kommunalaufsicht dieses Gebaren hinnehme, dann sei sie nicht mehr als ein zahnloser Tiger, sagt er sinngemäß. 

Dass es zur Sache selbst noch Gesprächsbedarf gibt, zeigt sich schon daran, dass in der Gemeinderat-Sitzung, die am heutigen Abend (Beginn: 19 Uhr) stattfindet, das Thema Bauland erneut auf der Agenda steht. Laut Tagesordnung als einer von zwölf Punkten. Bei der Opposition nährt das alles den Verdacht, das Machold möglicherweise gar keine Lust darauf hat, das Thema in der von ihr gewünschten Art und Ausführlichkeit zu debattieren. Und damit rückt die verweigerte Sondersitzung wieder in den Fokus. 

Formell nicht eingehalten, aber...

Wie das Landratsamt am 7. April auf Anfrage bestätigte, „wurde die in der Bayerischen Gemeindeordnung vorgesehene Frist von zwei Wochen, innerhalb derer die Sitzung hätte abgehalten werden müssen, nicht erfüllt“. Grund sei nach Mitteilung des Markts Wolnzach an das Landratsamt gewesen, „dass der für die Sitzung benötigte Fachreferent erst am 7. April terminlich zur Verfügung steht“.  Der Fachvortrag sei vom Marktgemeinderat beschlossen worden. Die Frist sei damit „zwar formell nicht eingehalten“, unter Abwägung aller Gesichtspunkte gehe man beim Landratsamt jedoch davon aus, „dass gerade mit der Anwesenheit eines Fachreferenten dem Anliegen der Antragsteller Genüge getan und diese Lösung tragfähig ist“. 

Die Opposition ist da anderer Meinung. Für sie wäre nämlich in der geforderten Sondersitzung die Anwesenheit eines Juristen gar nicht nötig gewesen. Man wollte vielmehr „eine ergebnisoffene Diskussion mit einer umfassenden Analyse der bisherigen Baupolitik“. 

Klarer Fingerzeig aus der Regierung von Oberbayern

Bei der Kommunalaufsicht am Landratsamt hatte man zudem einen klaren Fingerzeig der Regierung von Oberbayern ausgeblendet. Bereits am 30. März erreichte nämlich eine E-Mail aus München die Pfaffenhofener Kommunalaufsicht, und in der wurde eine klare Ansage gemacht. „Da die Voraussetzungen für die Einberufung einer Sondersitzung des Marktgemeinderats nach den uns vorliegenden Unterlagen offensichtlich erfüllt sind, bitten wir, im Rahmen der rechtsaufsichtlichen Beratung nachdrücklich auf den Markt Wolnzach einzuwirken, um die Einberufung einer fristgerechten Sondersitzung durch den ersten Bürgermeister oder im Fall seiner Verhinderung durch dessen Stellvertreter zu erreichen“, heißt es in der Nachricht, die unserer Redaktion vorliegt. 

In diesem Zusammenhang wies die Regierung von Oberbayern auch darauf hin, dass die Einberufung der geforderten Sitzung „zu den Dienstpflichten des ersten Bürgermeisters gehört und die schuldhafte Verletzung einer solchen Dienstpflicht als Dienstvergehen (...) auch der disziplinarrechtlichen Würdigung unterliegt“.

"Nicht vorgreifen"

Das war, wie gesagt, im Vorfeld. Inzwischen äußerte man sich bei der Regierung von Oberbayern zurückhaltender. „An unserer gegenüber dem Landratsamt Pfaffenhofen vertretenen Auffassung, dass eine nicht fristgerechte Einberufung einer Sondersitzung eines Gemeinderats (...) im Regelfall eine Dienstpflichtverletzung des ersten Bürgermeisters darstellt, halten wir fest“, erklärt man auf Anfrage unserer Zeitung, schiebt jedoch nach: „Die Frage, ob im konkreten Fall eine Verletzung von Dienstpflichten vorliegt, muss aber (...) vom Landratsamt als der für die Rechtsaufsicht über den Markt Wolnzach unmittelbar zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde geprüft und bewertet werden.“ Man bitte um Verständnis dafür, „dass wir einer abschließenden Prüfung dieser Angelegenheit durch das Landratsamt nicht vorgreifen“. 

Und zu welchem Schluss kommt nun die Kommunalaufsicht am Landratsamt? Sie stellt klar: „Da diese Frist nicht eingehalten wurde, liegt eine Dienstpflichtverletzung des Ersten Bürgermeisters vor.“ Und erklärt weiter: „Die schuldhafte Verletzung einer solchen Dienstpflicht unterliegt als Dienstvergehen gemäß Artikel 2 des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayDG) sowie Paragraf 47, Absatz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) auch der disziplinarrechtlichen Würdigung.“ 

Verletzung der Dienstpflicht: ja, schuldhaft: nein

Die verschiedenen Arten der Disziplinarmaßnahmen ergäben sich aus Artikel 6 ff des Bayerischen Disziplinargesetzes, heißt es weiter. Für diese ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch nach Meinung der Kommunalaufsicht „keine rechtliche Grundlage“, da ein Dienstvergehen im Sinne des Beamtenstatusgesetzes nur dann vorliege, wenn der Beamte schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletze. „Dies ist nach unserer umfassenden rechtlichen Würdigung jedoch nicht der Fall“, wird ausgeführt. Denn: „Die Behandlung des Antrags wurde mit dem Markt Wolnzach eingehend erörtert und alle maßgeblichen Gesichtspunkte über die Verfahrensweise wurden sorgfältig abgewogen.“ 

Auf gut Deutsch kommt die Kommunalaufsicht also zu dem Fazit, dass Machold zwar seine Dienstpflicht verletzt hat – dass mit dieser Erkenntnis die Sache aber auch erledigt ist. Und es geht sogar noch weiter. Denn am Landratsamt vertritt man anscheinend sogar die Auffassung, dass man irgendwie auch gar nicht die richtige Adresse ist. 

Kein Anspruch auf Einschreiten der Kommunalaufsicht?

Wörtlich teilte die Kommunalaufsicht am Landratsamt unserer Redaktion nämlich mit: „Grundsätzlich verweisen wir darauf, dass die durch die Rechtsaufsichtsbehörde ausgeübte Aufsicht ihrer Funktion nach der Kontrolle, dem Schutz und der Stärkung der gemeindlichen Selbstverwaltung dient, nicht aber auf den Schutz subjektiver Rechte Dritter abzielt. Diese können nicht beanspruchen, dass die Rechtsaufsichtsbehörde einschreitet beziehungsweise wie sie tätig wird.“ Damit scheint alles gesagt.


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