Hallertauer Volksbank: Vorstand und Aufsichtsrat beklagen bei Vertreterversammlung zunehmende Regulatorik sowie steigenden Kostendruck als Folge der Niedrigzins-Politik – Überlegungen zu Filialstruktur und Negativ-Zinsen für Großanleger – 3,0 Prozent Dividende beschlossen
Von Tobias Zell
Die anhaltende Niedrigzinsphase und die zunehmenden regulatorischen Vorgaben – das sind die Leitplanken, zwischen denen Thomas Lange und Andreas Streb die Hallertauer Volksbank in die Zukunft führen müssen. Die beiden Vorstandsmitglieder betonten gestern bei der Vertreterversammlung im Pfaffenhofener Stockerhof, welche Herausforderungen damit verbunden sind. Allein durch das geringe Zinsniveau fehlen der Bank jährlich eine Million Euro. Es gilt demnach die Produktivität zu erhöhen und an der Kostenschraube zu drehen.
Der Kostendruck werden in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, prophezeite Streb – „da die Erträge aus dem Zinsgeschäft erodieren und die sonstigen Erlöse nicht in diesem Ausmaß gesteigert werden können“. Zusätzlich erhöhe die Bankenaufsicht den Druck. „Dieses Umfeld zwingt uns dazu, auch über Themen wie Überprüfung der Filialstruktur und negative Zinsen für Großeinleger nachzudenken“, sagte Streb.
Ernst Petz, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, ging in seiner Rede vor allem kritisch mit der von der EU verfügten, zunehmenden Regulatorik ins Gericht, der sich die Banken unterworfen sehen. Ungeachtet der jüngsten Reformen habe die EU-Kommission kürzlich vorgeschlagen, die nationalen Sicherungssysteme in eine gemeinsame EU-Einlagensicherung zu überführen. „Das hieße jedoch“, unterstrich Petz, „die zum Schutz der Ersparnisse in Deutschland gesammelten Mittel für Krisenfälle anderswo in Europa einzusetzen, ohne die Risiken dort steuern zu können.“ Deshalb lehnen die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken dieses Vorhaben der EU ab, so Petz.
„Da kannst stocknarrisch werden“, schimpfte Vorstandsmitglied Thomas Lange über diese EU-Pläne und verdeutlichet: Für die Hallertauer Volksbank bedeute das, dass sie acht Jahre lang jeweils 60 000 Euro in diesen Topf einzahlen müsse. „Und das, obwohl wir hiervon niemals profitieren werden.“
"Frage nach der Zielgenauigkeit einzelner Maßnahmen"
Im vergangenen Jahr seien die Stimmen lauter geworden, die „eine Verschnaufpause bei der Banken-Regulierung“ fordern, sagte Aufsichtsrats-Chef Petz. Der in den acht Jahren seit der Finanzkrise geschaffene Regulierungsrahmen solle einer kritischen Bewertung unterzogen werden. „Es stellt sich die Frage nach der Zielgenauigkeit einzelner Maßnahmen, dem Zusammenwirken verschiedener Regelungen sowie nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis von regulatorischen Vorhaben“, sagte Petz.
Die anhaltend niedrigen Zinsen wirken sich freilich auch auf die Zinsspanne der Hallertauer Volksbank aus. Und angesichts der dauerhaft expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sei auch in den kommenden Jahren mit einem weiteren Rückgang der Zinsspanne zu rechnen. Gleichzeitig wirken sich die zunehmenden Regulierungs-Vorgaben auf die Kosten der Hallertauer Volksbank aus, so der Aufsichtsrats-Vorsitzende. Denn deren Umsetzung sei personal- und damit kostenintensiv.
Vorstandsmitglied Andreas Streb bei seiner Rede.
Dennoch: Das Geldinstitut habe sich im vergangenen Geschäftsjahr „in einem herausfordernden Marktumfeld erfolgreich behauptet und ihre Position in der Region weiter gestärkt“, befand Petz. „Unsere Kunden vertrauen uns.“ Das sei die Basis für die gute Entwicklung des Kredit- und Einlagengeschäfts. Trotz der Auswirkungen der anhaltenden Niedrigzinsphase und der steigenden regulatorischen Anforderungen sei das vergangene Jahr „insgesamt gut verlaufen“, attestierte Petz.
„Eine Lawine an zusätzlicher und unnötiger Bürokratie rollt auf uns zu“, sagte Vorstandsmitglied Lange. Während die EZB zweifellos gut mit dem Geschäft internationaler, kapitalmarkt-orientierter Großbanken vertraut sei, falle es einer europäischen Zentralbehörde schwer, die Besonderheiten regionaler und landestypischer Bankenstrukturen in sämtlichen europäischen Ländern zu beurteilen. „Während es in England nur fünf Banken gibt, sind es in Deutschland 1700 – vornehmlich Genossenschaftsbanken und Sparkassen.“
"Der Zinseszins-Effekt ist praktisch abgeschafft"
Die Geldpolitik der EZB mit der anhaltenden Niedrigzinsphase treffen Sparer und regionale Banken gleichermaßen, betonte Lange. Die Hallertauer Volksbank bezahle mittlerweile für ihr Guthaben bei der EZB einen Minuszins von 0,4 Prozent. Und auch das genossenschaftliche Zentralinstitut, die DZ-Bank, könne sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Auf ihr Guthaben dort werde die Hallertauer Volksbank ab Juli ebenfalls Minuszinsen zu entrichten haben, kündigte Lange an und nannte eine Größenordnung von 150 000 Euro pro Jahr.
Für die Sparer, insbesondere mit Blick auf die private Altersvorsorge, sei diese Entwicklung „katastrophal“, erklärte Lange. „Der Zinseszins-Effekt ist praktisch abgeschafft.“ Er rechnete vor: Während man 2001 als Anleger noch etwa 14 Jahre benötigte, um sein Kapital zu verdoppeln, seien es aktuell rund 440 Jahre.
Aber auch die Banken leiden unter der dahinschmelzenden Zinsspanne. Je länger dieses extrem niedrige Zinsniveau anhalte, desto stärker belaste es die Gewinn- und Verlustrechnung der Hallertauer Volksbank, so Lange. Oder ganz konkret ausgedrückt: „Jahr für Jahr sinken unsere Zins-Erträge im Kundengeschäft um zirka eine Million Euro.“
Trotzdem hat die Hallertauer Volksbank, wie berichtet, für das abgelaufene Geschäftsjahr beachtliche Zahlen vorgelegt. Mit 871 Millionen Euro lag die Summe der Kredite zum Ende des vergangenen Jahres um 8,7 Prozent über Vorjahresniveau. Die Gesamt-Einlagen stiegen um gut acht Prozent auf 1,04 Milliarden Euro. Die Bilanzsumme nahm um 7,5 Prozent oder 90 Millionen Euro auf 1,29 Milliarden Euro zu.
"Menschenverstand ist immer weniger gefragt"
Trotz ständig steigender Anforderungen in Sachen Regulatorik und Dokumentation ist es nach Worten von Thomas Lange gelungen, die Sach- und Personalkosten deutlich zu senken. „Wir werden auch weiterhin ständig Maßnahmen ergreifen, um unsere Produktivität stetig zu verbessern“, kündigte er an. „Der gesunde Menschenverstand ist immer weniger gefragt“, bedauerte Vorstandskollege Streb mit Blick auf die Vorgaben aus Brüssel. „Auch scheint man in der Politik der Meinung zu sein, dass alle Selbstverständlichkeiten geregelt und dokumentiert werden müssen.“
Unterm Strich steht bei der Hallertauer Volksbank für 2015 ein Betriebsergebnis von elf Millionen Euro zu Buche. Damit sei man „unter den gegebenen Umständen zufrieden“, so Lange. Rund 3,9 Millionen Euro wurden an Steuern bezahlt. Letztlich wies man einen Gewinn von gut zwei Millionen Euro aus. In Übereinstimmung mit dem Aufsichtsrat schlug der Vorstand gestern der Vertreterversammlung vor, eine Dividende von 3,0 Prozent auszuschütten – was später auch einhellig beschlossen wurde.
Alle Beschlüsse wurden bei der gestrigen Vertreterversammlung einstimmig gefasst.
Personell geprägt war das vergangene Jahr bei der Volksbank von Veränderungen in der Chef-Etage. Wie berichtet, hatte Vorstandschef Wilfried Gerling das Haus zum Ende 2014 in Richtung Münchner Bank verlassen. Für ihn wurde Thomas Lange im September 2015 in den Vorstand berufen. Im Zuge der Nachfolge-Regelung leitete Lange in den folgenden drei Monaten gemeinsam mit Vorstandsmitglied Walter Zillner den Vertriebsbereich. Ende November wurde Zillner dann in den Ruhestand verabschiedet. Seither wird das Geldinstitut von den beiden gleichberechtigten Vorstandsmitgliedern Thomas Lange und Andreas Streb geführt.
Die Anstellten der Bank sind offensichtlich recht zufrieden mit ihrem Arbeitgeber. Streb berichtete von einer Mitarbeiter-Befragung, an der sich 84 Prozent der Beschäftigten beteiligt hatten. Die „Gesamtzufriedenheit“ liegt demnach bei 76 Prozent – das seien zehn Punkte mehr als der Durchschnitt im Branchenvergleich. Die Schulung der Mitarbeiter soll laut Streb auf hohem Niveau bleiben, da sowohl die Anforderungen der Kunden als auch die aus der Regulatorik stetig zunehmen. „Hier werden wir weiter investieren.“
Steigender Kostendruck und die Folgen
Nötig sei es aber auch, die Produktivität kontinuierlich zu steigern, so Streb. Prozesskosten, die weder aufsichtsrechtlich gefordert sind noch vom Kunden benötigt werden, müssten konsequent reduziert werden. Das sei eine Aufgabe, die man nur durch systematisches Vorgehen umsetzen könne. „Somit reden wir hier nicht von einem Projekt, sondern von einer Philosophie“, betonte Streb: „Die individuellen Kundenwünsche müssen wir intern so schlank und produktiv wie möglich abarbeiten.“
Der Kostendruck werden in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, prophezeite Streb – „da die Erträge aus dem Zinsgeschäft erodieren und die sonstigen Erlöse nicht in diesem Ausmaß gesteigert werden können“. Zusätzlich erhöhe die Bankenaufsicht den Druck. „Dieses Umfeld zwingt uns dazu, auch über Themen wie Überprüfung der Filialstruktur und negative Zinsen für Großeinleger nachzudenken“, sagte Streb. Allerdings wolle man hier mit Augenmaß vorgehen. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte Streb, dass man über diese Schritte „nachdenke“ – nicht mehr und nicht weniger. Negativ-Zinsen kämen, wenn überhaupt, nur für Summen ab einer Größenordnung um eine Million Euro in Frage.
Nach den Bestimmungen der Satzung scheidet ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats der Hallertauer Volksbank jedes Jahr aus dem Gremium aus. Diesmal waren das Georg Kiermeier, Ludwig Roßner und Sigrid Waldmüller – alle drei wurden allerdings einstimmig wiedergewählt, weshalb der Aufsichtsrat unter der Regie von Ernst Petz personell unverändert bleibt.