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Wie eisig ist der Wind tatsächlich, der Audi und Ingolstadt um die Nase weht?

Von Michael Schmatloch

Angst, Sorgen und Ernüchterung. Das sind die Begriffe, denen man in Ingolstadt allenthalben begegnet, wenn es um das Thema Audi geht. Der Diesel-Skandal hängt wie ein Damoklesschwert über dem Konzern und der Stadt Ingolstadt. Sind das schon schwere Zeiten oder kommen die erst noch? Stellt der Gewerbesteuerausfall, von dem die Stadt derzeit gebeutelt wird, schon den viel zitierten Gau dar oder doch nur die Spitze eines Eisberges, der Ingolstadt auf eine Ebene bringen könnte mit Städten wie Detroit?

Viel ist zu hören hinter vorgehaltener Hand, viele Puzzleteile formen sich mehr und mehr zu einem Bild, das bedrohlicher nicht sein könnte. Ob das nun – nach den bereits verlängerten Sommerferien für die A6-Produktion – die Schichten in Neckarsulm sind, die bei der Produktion für den A4 und den A6 heute ausgefallen sind, wie die „Heilbronner Stimme“ berichtet. Oder die inzwischen recht offen geführte Diskussion um einen möglichen Wegfall einer von drei Dauernachtschichten in Ingolstadt, der die Betroffenen immerhin um weit über 30 Prozent ihrer Einnahmen bringen könnte. Und welche Folgen hat es für das Werk in Ingolstadt am Ende des Tages wirklich, dass die Produktion des neuen Q5 nach Mexiko abgewandert ist und der A4 doch nicht so gut läuft wie erhofft?

Bis 2018 gilt für beide deutschen Audi-Werke eine Beschäftigungsgarantie. Wie es danach aussieht, das vermag heute niemand zu sagen. Und die Märkte werden zunehmend schwieriger. Ob nun in China oder in den USA, wo Audi zwar Monat für Monat Absatzrekorde einfährt, der Gesamtmarkt aber deutliche Abkühlungstendenzen zeigt. Zudem: Die Absatzzahlen sind das eine, die Umsatzrendite das andere. Und da steht Audi sicher nicht an vorderster Front.

Wenn Audi einen Schnupfen hat, dann hat Ingolstadt eine Lungenentzündung. Ein Satz, den man in Ingolstadt seit Jahrzehnten immer wieder gerne benutzt, um die monostrukturelle Abhängigkeit der Stadt von dem Autobauer zu verdeutlichen. Was aber hat die Stadt erst, wenn Audi selbst schon eine Lungenentzündung hat? Dass die Folgen des Abgas-Skandals weit mehr sind als ein harmloser Schnupfen, das weiß inzwischen jeder.

Wie wohl auch viele ahnen, dass beispielsweise das viel gepriesene IN-Campus-Projekt wohl kaum in dem vor der Krise angedachten Zeithorizont realisiert werden dürfte. Das indes wäre kaum mehr als ein hinnehmbarer Dämpfer bei Wachstumstempo. Zumindest gibt es Vorstellungen, die dramatischer sind.

„Wenn Sie vorhaben, Ihr Haus zu verkaufen, dann sehen Sie zu, dass sie das in den nächsten vier Wochen tun.“ So klingt beispielsweise der Rat von einem, der einen tieferen Einblick hat in die Entwicklung bei Audi. Oder besser gesagt: Der wissen müsste, wie tragfähig der Faden noch ist, an dem das zitierte Damoklesschwert hängt.

Quo vadis Audi, quo vadis Ingolstadt? Zwei Fragen, die im Grunde eine sind. Und auf die Audi-Chef Rupert Stadler, der selbst im Fadenkreuz steht, am morgigen Mittwoch zumindest der Belegschaft den Versuch einer Antwort geben könnte, wenn er bei der Betriebsversammlung spricht. Mit einem Merkelschen „Wir schaffen das“ dürfte die Stimmung in der Belegschaft jedenfalls kaum noch aufzupolieren sein. Und eine Politur scheint die dringend nötig zu haben. Denn der Stolz, ein Audianer zu sein, ist bei vielen der Enttäuschung und der Frustration gewichen. Und an dem so gerne beschworenen Familiengeist nagt bei manchem längst die innere Kündigung.


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