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Hinterkaifeck: Landkreisführerin Maria Weibl bietet Interessierten eine gruselige Führung zum ehemaligen Tatort, an dem sechs Menschen ermordet wurden 

Von Alfred Raths 

Audiopodcast: Maria Weibl erzählt

Sechs Tote. Auf grausamste Art und Weise wie im Blutrausch hingeschlachtet. Täter unbekannt. Der Tatort, heute eine Wiese voll mit duftendem Wildem Thymian, hieß früher einmal Hinterkaifeck. Es gibt ihn nicht mehr, der Einödhof wurde bald nach der Tat  abgerissen. An diesem Ort war einer der bis in unsere Tage mysteriösesten Verbrechen in der deutschen Kriminalgeschichte geschehen.

Mitten auf der wohl weniger als ein Viertel eines Fußballfeldes messende Magerrasenfläche steht Landkreisführerin Maria Weibl mit einer Gruppe von 26 Personen, denen allesamt schaudert, als sie die dramatische Geschichte von Andreas und Cäzilia Gruber, ihrer Tochter Viktoria Gabriel und deren Kinder Cäzilia und Josef, sowie der Dienstmagd Maria Baumgartner, zu hören bekommen. Die Gäste haben gerade einen über zwei Kilometer langen Fußmarsch von Waidhofen aus – der auch dem Schulweg der siebenjährigen Cäzilia ziemlich genau entspricht – hinter sich. Nun stehen sie genau an der Stelle, wo  der in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 1922 der Mehrfachmord verübt worden war.

Zuvor allerdings stärkte sich der Trupp mit einem Vier-Gänge-Menü. Blattsalat mit gebratenem Speck, Lebernockerlsuppe und Schweinefilet im Kräutermantel. Die Nachspeise ist als Belohnung nach insgesamt viereinhalb Kilometer bewältigter Feldwege bei der Rückkehr zum Gasthof Bogenrieder versprochen.

Ausgestattet mit nostalgisch anmutenden Laternen geht es vom Hof des Gasthauses aus los. Erste Station, die Pfarrkirche Mariä Reinigung. Mordopfer Viktoria Gabriel, die auch im Kirchenchor sang – so erfährt man von Weibl – soll eine so schöne Stimme gehabt haben, dass sie die „Lerche von Hinterkaifeck“ genannt worden sei.

„Manchmal habe ich auch über fünfzig Teilnehmer“, erzählt Weibl während es in stockfinsterer Nacht am örtlichen Friedhof vorbei in Richtung Tatort geht. Ihre Teilnehmer kommen diesmal aus der Region, die weiteste Anreise haben zwei Damen aus Böblingen. „Erst neulich war eine Gruppe aus Savannah im US-Bundesstaat Georgia hier", sagt Weibl, die bereits seit mehr als fünf Jahren diese makabere Tour anbietet. Die heutige sei schon ihre 46. in diesem Jahr. Eine 98-jährige Dame war bislang die älteste Teilnehmerin, Schüler serviert sie eine um viele grausige Details abgespeckte Erläuterung der damaligen Vorgänge.

Merkwürdig still war es seinerzeit auf dem Einödhof Hinterkaifeck. Die Nachbarn Lorenz Schlittenbauer, Jakob Sigl und Michael Pöll wollten dieser unnatürlichen Ruhe  am 4. April 1922 auf den Grund gehen. Sie waren es, die die sechs übelst zugerichteten Leichen entdeckt hatten. Vier von ihnen lagen im Stall, zwei im Haus. Ihnen waren vermutlich mit einer so genannten Reuthaue die Schädel eingeschlagen worden. Manchmal stockt Weibl fast unmerklich die Stimme, als sie davon erzählt. Besonders nahe geht ihr das Schicksal der Siebenjährigen. Sie soll sich vor Schmerz im über mehrere Stunden dauernden Todeskampf büschelweise die Haare vom Kopf gerissen haben, die sie bei der Obduktion noch in ihren Händen hielt.

Bild der Münchner Kriminalpolizei von 1922 vom Tatort.

Nachbildung der Tatwaffe (Foto: Maria Weibl).

 

Neben der eigentlichen Tat gibt es in diesem Fall viele Merkwürdigkeiten. Von Schuhabdrücken im Schnee, die zum Bauernhof hin, aber nicht mehr zurück führten ist die Rede, verschobene Dachziegel und versorgtes Vieh deuten auf eine sich noch über Tage nach der Tat dort versteckt haltende Person hin. 

Es ist die Rede von Blutschande, einem für damalige Verhältnisse immensen Vermögen Grubers, etwaigen ominösen Geschäften und vielen anderen Dingen, die für sich genommen eine an Spannung kaum zu überbietende Romanvorlage liefern. Hinzu kommt eine völlig überlastete Dorfpolizei, der die Münchner Kripo – damals in ihrer Aufbauphase – in nichts nachstand. So soll sie nicht einmal über ein eigenes Fahrzeug verfügt haben und von einem „Profiling“ war man seinerzeit so weit entfernt wie vom Flug zum Mond.  

Etliche Meter neben dem früheren Anwesen steht ein Marterl. „Wir beten hier, singen ein Lied oder gedenken still der Toten“, so Weibl. Die Gruppe entschließt sich zum stummen Gedenken. Gleich neben dem Marterl ragt eine imposante Fichte mit fünf Wipfeln in die Höhe. „Für jeden Kaifecker steht ein Wipfel. Der Baum, so erzählt man hier, hat alles gesehen“, sagt Weibl. Zawr waren es sechst Tote. Aber die Magd Maria Baumgartner sei ja – frisch angestellt – erst einige Stunden auf dem Hof gewesen und werde von daher nicht mitgezählt.

Auf dem Rückweg bohren sich aufgeblendete Scheinwerfer in die Augen der Nachtwanderer. Drei Fahrzeuge sind auf dem Weg zum Ort der Morde. Dieser Fleck scheint eine mystische Anziehungskraft zu haben. Das bestätigt auch Weibl, die von einem regelrechten Tourismus spricht: „Immer mehr und in letzter Zeit auch überraschend viele junge Leute interessieren sich für Hinterkaifeck.“ Tag und Nacht könne man im Umfeld des Tatortes auf Besucher treffen.

Maria Weibl hat mittlerweile ihre eigene Theorie zu den Hintergründen des grausigen Verbrechens entwickelt. Davon erzählt sie am Ende der Führung und jeder kann sich auf dem Weg zurück nach Waidhofen so seine eigenen Gedanken dazu machen.

Nach über vier Stunden nächtlichem Abenteuer steht zum Abschluss die Paradiescreme mit Himbeeren auf dem Programm. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, sich über die Morde und Tatmotive auszutauschen.

Wer sich gruseln will und sich nicht scheut, fast fünf Kilometer nächtens über Stock und Stein zu wandern, kann sich an Maria Weibl (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) oder Sieglinde Bogenrieder (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) zur Hinterkaifeck-Führung per E-Mail anmelden.


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