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Man ist nicht glücklich in der politischen Beziehung mit der CSU, fühlt sich schlecht informiert und hat überhaupt schon bessere Zeiten erlebt – Mit dem neuen Vorsitzenden Albert Gürtner herrscht jetzt aber zumindest Aufbruch-Stimmung bei den Freien Wählern im Kreis Pfaffenhofen. Und die Landrats-Wahl wirft auch schon ihre Schatten voraus: Ein eigener Kandidat wäre ganz recht.

Von Tobias Zell  

Die Freien Wähler im Landkreis Pfaffenhofen haben wahrlich schon bessere Zeiten erlebt. „Aus höchsten Erfolgen“ gekommen, wie Max Hechinger es formulierte, mussten sie arge Stürme über sich ergehen lassen. Claudia Jung saß einst im Landtag, heute ist sie nicht einmal mehr bei den Freien Wählern. Josef Schäch war einst Landrat, dann wurde er seines Amtes enthoben, heute sitzt er für die FDP im Kreistag. Christian Dierl war einst hoffnungsvoller Kreisvorsitzender, dann zwangen ihn gesundheitliche Gründe zum Rücktritt und Vize Hechinger musste praktisch übernehmen. Aus 13 Kreisräten waren bei der jüngsten Wahl zehn geworden. 

Seit 2014 pflegt die FW-Riege im Kreistag nun mit der CSU-Fraktion eine so genannte Kooperation. Ausdrücklich keine Koalition, wie man beiderseits immer betont wissen will. „Auf dem Weg zur politischen Findung“, so Hechinger, sei man diese Verbindung eingegangen. Herausgesprungen ist dabei immerhin der Posten des Dritten Landrats, den Josef Finkenzeller bekleiden darf. Von ihm wird später noch die Rede sein. „Okay“ sei die Zusammenarbeit mit den Christsozialen, sagte Hechinger am Mittwochabend bei der Jahresversammlung in Rohrbach.

 

„Okay“, das ist schon eine bemerkenswerte Wortwahl. Weil Hechinger ist ja keiner, der irgendwas erzählt und sich hinterher dann damit herausredet, dass es aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt worden oder überhaupt anders gemeint gewesen sei. Nein, wenn Hechinger „okay“ sagt, dann meint er „okay“. Nicht weniger, aber halt auch kein bisschen mehr. Und im politischen Geschäft ist „okay“ nicht gerade eine Liebeserklärung. Nüchtern betrachtet, ist es wohl die negativste unter den zumindest noch positiv klingenden Formulierungen. 

Oder sagen wir’s anders: Es plätschert halt so dahin mit CSU und FW. Da wird kein neutraler Beobachter widersprechen, denn dafür mangelt es an Belegen. Man würde sich wünschen, sagte Hechinger, „dass man uns mehr und früher informiert“. Eine Absicht will er den Christsozialen da aber nicht unterstellen. Zum Trost der Freien Wähler mag vielleicht beitragen, dass sich bekanntlich selbst so mancher CSU-Kreisrat mitunter schlecht von der CSU informiert fühlt. Und immerhin, ließ Hechinger wissen: „Wir bekommen auf unsere Fragen immer Antwort.“

 

Josef Finkenzeller: "Schwierig"

Das Erfreulichste, was man daraus mutmaßlich schließen darf, ist: Man redet immerhin noch miteinander. Obwohl, offenbar auch nicht so oft. Das letzte Treffen der politischen Partner habe es vor einem halben Jahr gegeben, berichtete Finkenzeller. Der Kooperation mit der CSU und Landrat Martin Wolf (CSU) attestierte er „noch Luft nach oben“. Seine Diagnose: Es ist „schwierig“. Finkenzeller selbst sieht sich als Dritter Landrat ins Tagesgeschäft „nicht eingebunden“; seine Tätigkeit beschränke sich auf Repräsentationspflichten. 

Jedenfalls: Mit dieser Beziehung, da braucht man sich nichts vorzumachen, steht es nicht zum Besten. Das wird umso deutlicher, wenn man Hechinger noch einen Satz länger zugehört hat. Er sagte nämlich nicht nur: „Wir bekommen auf unsere Fragen immer eine Antwort.“ Sondern ergänzte: „Ob wir dann zufrieden sind, ist etwas anderes.“ Würde man hier nicht von einer politischen, sondern von einer realen Partnerschaft reden, man riete mindestens zur Paar-Therapie. Oder zur Trennung. Es fällt mitunter schwer zu erkennen, wo und wie die FW von dieser Kooperation profitieren.

Albert Gürtner, der neue Kreisvorsitzende der Freien Wähler.

Seit Mittwochabend aber herrscht nun Aufbruch-Stimmung beim FW-Kreisverband. Trotz Champions-League – der FC Bayern spielte gegen den PSV Eindhoven – waren rund 70 Leute zum „Alten Wirt“ in Rohrbach gekommen. „Die Freien Wähler leben noch“, schloss Finkenzeller daraus. Benno Zierer, Landtagsabgeordneter aus Freising, zeigte sich ähnlich angetan: Einen vollen Saal bei einer Jahreshauptversammlung, das habe er „überhaupt noch nie erlebt“. Und Albert Gürtner, der an diesem Abend zum neuen Kreisvorsitzenden gewählt wurde, meinte gar: Ohne FW sei eine Politik im Landkreis nicht möglich. 

Überhaupt Gürtner. Er ist möglicherweise so etwas wie der neue Hoffnungsträger. Mitglied des Kreistags, langjähriger Vize-Bürgermeister von Pfaffenhofen und ehemaliger langjähriger Vorsitzender des dortigen MTV. Er wurde mit 43 von 43 Delegierten-Stimmen zum neuen Chef der Freien Wähler im Landkreis gewählt, zuvor war er deren Schriftführer. Letzteren Posten übernimmt nun Manfred Sterz, im Hauptberuf Bürgermeister von Scheyern. 

Gürtner zur Seite stehen als Vize Max Hechinger und als Dritter Vorsitzender  der Manchinger Rathauschef Herbert Nerb. Kassier bleibt Josef Alter, Presse-Referent ist Ralf Hochmuth und als Beisitzer im Kreisvorstand fungieren fortan Anja Koch, Josef Finkenzeller und Karl-Heinz Reil. Die Kasse wird von Georg Littel und Alfons Gigl geprüft.

Die nächste Gelegenheit für die Freien Wähler, sich öffentlichkeitswirksam zu profilieren, bietet sich spätestens im Zuge der Landrats-Wahl im kommenden Mai. Der Kreistag wird bekanntlich erst 2020 wieder gewählt, denn seit der Amtsenthebung von Schäch sind die beiden Urnengänge aus dem Takt geraten. Deshalb gibt es ja – zuletzt am lautesten von der SPD und den Grünen – die Forderung, der nächstgewählte Landrat möge freiwillig seine Amtszeit auf drei Jahre halbieren, damit dann 2020 der Kreistag und der Kreischef wieder zusammen gewählt werden können. 

In diese Forderung stimmen nun auch die Freien Wähler mit ein, wie Hechinger signalisierte. Denn wenn nur der Landrat gewählt werde, sei die Wahlbeteiligung recht gering. Und das habe letztlich zur Folge, dass eine Minderheit der Bevölkerung den Landrat bestimme. Das sei aber, so Hechinger, „kommunalpolitisch falsch“. Sein Postulat lautet deshalb: Landrat Wolf, der bekanntlich noch einmal antreten will, sollte sich für eine dreijährige Amtszeit bewerben. 

Wolf selbst hat sich, wie mehrfach berichtet, noch nicht entschieden. Zwar gibt es in seiner Partei gewichtige Stimmen, für die eine freiwillige Verkürzung der Amtszeit nicht zur Debatte steht, doch Wolf selbst denkt offenbar ernsthaft über beide Möglichkeiten nach. Er wird seine Entscheidung allerdings wohl erst kurz vor der Nominierungs-Versammlung der CSU kundtun, die vermutlich im November stattfindet.

MdL Benno Zierer: Ein eigener Kandidat wäre wichtig, findet er.

Ob die Freien Wähler einen eigenen Kandidaten in die Landrats-Wahl schicken, ob sie Wolf unterstützen oder „sonstige Aktivitäten starten“, wie Hechinger es formulierte – das ist noch offen. Man habe sich noch nicht positioniert, sagte er. Jedoch wurden am Mittwochabend mehrere Stimmen laut, die für einen eigenen Bewerber sind. Das sei wichtig, betonte etwa der Abgeordnete Zierer. Und auch Finkenzeller erklärte: „Ein eigener Kandidat würde uns gut anstehen.“ Namen wurden nicht genannt.

Geld für den Wahlkampf wäre jedenfalls in der Kasse. Aktuell verfügt der FW-Kreisverband über 31 000 Euro, wie Josef Alter in seinem Bericht darlegte. Seinen Worten zufolge kostete der Landrats-Wahlkampf von 2014 den Freien Wählern gut 28 000 Euro. Damals zwang der Quereinsteiger Rolf Deml den späteren Sieger Martin Wolf in die Stichwahl und unterlag in dieser denkbar knapp.

 

Zu Gast in Rohrbach war auch der Landtagsabgeordnete Florian Streibl, oberbayerischer FW-Bezirkschef und Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl (CSU). Er stellte in seiner Rede die Rolle der Kommunen heraus. Egal, wo ein Gesetz gemacht werde – ob in München, Berlin oder Brüssel –, gelebt werde es vor Ort. Auch die Integration der Flüchtlinge geschehe vor Ort – nicht im Bundeskanzleramt.

Das Integrationsgesetz der CSU hätten die Freien Wähler nicht mitgetragen, weil es nicht sein könne, dass man den Gemeinden sage, was sie tun sollen, aber ihnen das Geld nicht gebe, so Florian Streibl. Die FW sehen sich als „Fürsprecher der Kommunen“. Es brauche mehr Geld für die Gemeinden, über das sie eigenständig und eigenverantwortlich verfügen könnten.

MdL Florian Streibl, der Sohn des früheren Ministerpräsidenten.

Als eine der größten und dringenden Herausforderungen apostrophierte er die Energiewende – die nach Ansicht der FW dezentral und kommunal erfolgen muss. „Klimapolitik ist auch Bekämpfung von Flucht-Ursachen“, unterstrich Streibl. Den Freien Wählern bescheinigte er, sie würden keine ideologische Politik machen, sondern Sachpolitik. Jedes Handeln in der Politik müsse auf das Gemeinwohl zielen und darauf, für den Menschen da zu sein. 

Streibls Landtags-Kollege Benno Zierer aus Freising stellte Sprache als Grundvoraussetzung für Integration heraus. Außerdem betonte er, die Freien Wähler würden eben nicht Politik machen, in dem sie Angst verbreiten. Die AfD sei dagegen nur deshalb so erfolgreich, weil sie eben Ängste schüre. 


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