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Im Nebel der Diesel-Affäre bei Audi geht eine Frage beinahe völlig unter: Wie viele Mitarbeiter braucht man im Zeitalter der Elektrifizierung noch?

Von Michael Schmatloch 

Der Abgas-Skandal drückt auf die Stimmung bei Audi. Und er drückt auf den Gewinn, der ob der Kosten, die die weltumspannende Affäre mit sich bringt, bereits um eine Milliarde eingebrochen ist. Und er hat ein Thema massiv in den Fokus gerückt: Die E-Mobilität. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, kommt 2018 der erste E-Audi auf den Markt, in wenigen Jahren soll der Absatz bereits zu signifikanten Teilen aus rein elektrisch getriebenen Fahrzeugen bestehen.

Heute spricht man über die Kosten der Affäre, über die, die mit der Umstellung auf Elektro-Autos auf den Konzern zukommen. Über schmerzhafte Einsparungen – ob nun IN-Campus oder die imageträchtige Teilnahme an berühmtesten Langstreckenrennen der Welt in Le Mans. Man spricht natürlich auch über korrodierende Absatzzahlen bei den Volumenmodellen und deshalb ausfallende Schichten. Und man spricht – wie bei der jüngsten Betriebsversammlung – über eine Verlängerung des Beschäftigungspaktes über 2018 hinaus, über ein Bündnis unter dem Motto „Audi-Zukunft“.

Klar ist inzwischen jedem, dass die Zukunft der Mobilität dem elektrisch getriebenen Auto gehört. Da ist Audi zwar nicht gerade einer der Pioniere. Doch das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Wie viele Arbeiter weniger braucht ein Elektro-Auto bei der Produktion, wenn es ganze Komponenten-Segmente wie Einspritz-Technologien, Abgas-Anlagen, Getriebe oder Katalysator-Technik nicht mehr geben wird. Wenn die Antwort auf die Frage aus einem legendären Audi-Werbespot – „Wo ist der Tank?“ – künftig lautet: Es gibt keinen.

Für die Montage eines Elektro-Autos braucht man weniger „Bandler“ als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Aber dieses Thema geht man in Ingolstadt eher „behutsam“ an. Nicht so bei Volkswagen, der gebeutelten Mutter. Personalchef Karlheinz Blessing gab der Frankfurter Allgemeinen ein Interview zu diesem Thema. Und sagte unmissverständlich: Beim notwendigen Personalabbau gehe es nicht um ein paar hundert Mitarbeiter, sondern um eine Zahl im fünfstelligen Bereich.

„Wir werden die Beschäftigtenzahl reduzieren, aber nicht wegen des Themas Diesel. Elektromobilität, autonomes Fahren, Digitalisierung werden die Geschäftsmodelle der gesamten Automobilindustrie grundlegend verändern“, sagt er der FAZ. Und: „Wo Aufgaben entfallen, werden wir frei werdende Arbeitsplätze nicht wiederbesetzen, wir werden Stellen entlang der demographischen Kurve abbauen, und wir werden das Instrument Altersteilzeit nutzen. Wir werden die Beschäftigtenzahl reduzieren.“

Zwar sei der Handlungsdruck durch den Diesel-Skandal größer geworden, gekommen wäre er in jedem Fall. Der so genannte Handlungsdruck betrifft aber nicht nur die Konzerntration auf E-Mobilität, sondern eben auch die Kosten. Denn die Entwicklung ist sehr teuer und das Geld knapp, weil es in Strafzahlungen, Rückruf-Aktionen und Fahrzeug-Rückkäufe fließt.

Schlagworte wie „effizienter arbeiten“, „Komplexität reduzieren“ oder „Abläufe optimieren“ sind da wohl die euphemistische Umschreibung von Arbeitsplatz-Abbau. „Natürlich muss man es den Mitarbeitern erläutern, weshalb wir von Personalreduzierung reden, obwohl sie in einigen Bereichen derzeit Mehrarbeit leisten“, sagt Blessing im Interview. „Wir machen uns nichts vor. Es geht nicht darum, ein paar hundert Arbeitsplätze abzubauen. Über die Jahre betrachtet wird es weltweit um eine fünfstellige Zahl gehen. Natürlich gibt es bei den Verhandlungen zum Zukunftspakt noch Diskussionen über das Ausmaß einzelner Maßnahmen und über den Zeitrahmen. Aber die Grundrichtung ist uns allen klar.“

Derartiges war in Ingolstadt bislang nicht zu hören. Betrifft das alles Audi am Ende gar nicht? Muss man Blessings Aussage („Unterm Strich werden wir in einigen Jahren weniger Mitarbeiter beschäftigen“) auf Volkswagen reduzieren?

Die Situation im Stammwerk Ingolstadt sieht doch derzeit so aus, dass die Volumenmodelle wie der neue A4 zwar gut laufen, aber dennoch hinter den erwarteten Absatzzahlen zurückbleiben. Schichten fallen aus, eine Dauernachtschicht soll ab Januar gar komplett gestrichen werden, was den Betroffenen schnell einmal Einbußen beim Gehalt von knapp 40 Prozent beschert. Nachgefragte Modelle hingegen wie der Q5 oder auch der Q3 werden im Ausland produziert.

Und die Kompetenz für Elektrotechnik wurde in Brüssel angesiedelt. Auch eine Produktionsstätte für Batterien soll in Belgien entstehen. Die sollen, das sagen Fachleute und auch Karlheinz Blessing, künftig rund 30 Prozent der Wertschöpfungskette eines Automobilkonzerns ausmachen. Vergleichbar den Drucker-Herstellern, die weniger mit den Druckern selbst, aber umso mehr mit den Patronen verdienen.

Bei allem, was bei den Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Konzernführung bei Audi auch vor dem Hintergrund wegbrechender Gewinne herauskommen mag, wenn es um das Projekt „Audi-Zukunft“ geht: Klar dürfte vorsichtig formuliert sein, dass der Zenit bei den Beschäftigungszahlen überschritten ist, dass Standortsicherung auch bedeutet, das Unternehmen in solider Größe für die Zukunft fit zu machen – und dass weniger qualifizierte Arbeitsplätze den qualifizierteren weichen werden. 


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