Logo
Anzeige
Anzeige

Das Ingolstädter Klinikum steuert in diesem Jahr auf ein Defizit von einer Million Euro zu – und Geschäftsführer Heribert Fastenmeier muss die Schrauben noch etwas kräftiger anziehen 

Von Michael Schmatloch 

Wenn Heribert Fastenmeier, der Geschäftsführer des Klinikums Ingolstadt zu erzählen beginnt über „DRG“, Fallpauschalen, über CM-Punkte und so genannte Normallieger, dann wird einem nach wenigen Minuten klar: Die romantische Anschauung von dem Patienten, der mit seinem Leiden ins Krankenhaus kommt und wieder nach Hause darf, wenn er geheilt ist, diese Betrachtungsweise eine Krankenhauses ist nicht nur hoffungslos veraltet, sondern zudem ziemlich blauäugig. Kaum weniger als bei einer Maschinenbaufirma oder einem Autobauer geht es auch hier um knallharte wirtschaftliche Fakten.

Und diese Fakten sagen, dass das Klinikum Ingolstadt auch in diesem Jahr mit einem Defizit abschließen wird. 500 000 Euro im günstigsten Fall, bis zu vier Millionen, wenn alles schief läuft und nicht dagegen gesteuert würde. Das indes tut Heribert Fastenmeier mit Nachdruck. Dennoch: „Um die eine Million wird es wohl werden“, sagt er und weiß, dass er damit in etwa so liegt wie im vergangenen Jahr. Eine schwarze Null oder gar ein positives Ergebnis, das ist nicht drin, das Klinikum ist längst selbst zum Patienten geworden.

Die Gründe dafür sind so vielfältig wie komplex. Das beginnt mit der Belegung des Klinikums, die heuer etwas geringer ausgefallen ist als geplant. Und etwas geringer heißt da gleich mal mehrere Millionen, die es auszugleichen gilt.

Aber wie? Die „Big Points“, mit denen man mit einem Schlag größere Summen einsparen könnte, die gibt es längst nicht mehr. „Wir sparen jetzt wirklich bei den Kleinigkeiten“, so Fastenmeier, „wir sammeln Kleinbeträge, um etwas besser rauszukommen.“

„Das größte Problem bei uns ist das Personal“, sagt er und meint die Schere, die sich immer weiter auftut, da die Löhne Jahr für Jahr – wenn auch nur in Höhe des Inflationsausgleiches – steigen, die Einnahmen indes nicht. „Wenn sich die Löhne jedes Jahr mindestens um die drei Prozent erhöhen und der Gesetzgeber immer nur 1,5 Prozent nachholt, dann fehlen mir in fünf Jahren 7,5 Prozent.“ Und 1,5 Prozent nicht gedeckter Lohnkosten, das bedeutet für ein Krankenhaus der Größe des Ingolstädter Klinikums etwa 2,75 Millionen Euro. Pro Jahr. „Dafür ist unser Ergebnis gut“, lacht Fastenmeier.

Nicht minder fatal ist die Sache mit den so genannten Fallpauschalen. Denn die Krankenkassen zahlen für die Patienten längst nicht mehr die tatsächliche Verweildauer, sondern eben eine fix kalkulierte Pauschale. Und in der ist für jede Krankheit, jede Verletzung die Liegedauer im Krankenhaus fixiert. Egal, ob ein Patient nun damit auskommt oder nicht.  „Es gibt Fallpauschalen, bei denen man Geld verdient, aber auch solche, bei denen man draufzahlt.“

Und dazu gehören die Notfälle, die beispielsweise an einem Freitag Abend eingeliefert werden. „Wir müssten dann eigentlich sofort mit der Behandlung beginnen, am Samstag und Sonntag regulär behandeln, damit der Patient dann am Dienstag wieder entlassen werden kann.“ In der Praxis hingegen ist das meist nicht so. „Wir haben im Klinikum 60 Prozent Notfälle. Und wir nehmen jeden auf“, meint Fastenmeier und weiß, dass viele dieser Notfälle Kosten verursachen, die von keiner Kasse bezahlt werden, weil dies in dem System der Fallpauschalen eben keine Berücksichtigung findet. Denn diese Fallpauschalen sind für so genannten Normallieger kalkuliert. „Ein Krankenhaus das viele Normallieger hat, fährt mit diesem System nicht schlecht. Wir aber haben wenig Normallieger.“ Rund 1600 Fälle sind es am Klinikum durchschnittlich pro Jahr, die länger liegen, als es die jeweilige Fallpauschale vorsieht. Alleine die haben im Jahr 2012 ein Defizit von 3,2 Million Euro verursacht. Aber: „Das waren auch schon mal sechs Millionen.“ Besserung ist an dieser Font auch nicht in Sicht. „Es wird immer fünf Prozent Fälle geben, die länger liegen müssen.“

Nicht anders ist es bei älteren Patienten, die ihre Aufenthaltsdauer im Krankenhaus auch gerne mal „überziehen“, weil der Heilungsprozess verlangsamt ist oder sie keine Angehörigen mehr haben, die sich um sie kümmern könnten. „60 Prozent der Patienten im Klinikum sind älter als 70 Jahre“, so Fastenmeier. Und das sei bei der „Bepreisung“ überhaupt nicht abgedeckt. „Als man die Fallpauschalen kalkuliert hat, war der Altersschnitt ein anderer.“ Im Klinikum liegt er inzwischen bei 57 Jahren, trotz vieler junger Patienten. Tendenz steigend.

Auch wenn der Gesetzgeber begriffen habe, dass das System so nicht funktionieren kann, gilt es für Krankenhäuser wie das Ingolstädter erst einmal, noch einmal weiter zu sparen, noch ein wenig mehr zu optimieren.

Und einer der Bereiche, bei denen man sparen kann, das ist das Personal. In diesem Punkt indes ist das Klinikum in einer vergleichsweise komfortablen Lage. Denn zum einen gibt es pro Jahr rund 150 Fälle von Schwangerschaften – bei einer Frauenquote bei den Beschäftigten von 83 Prozent verständlich – , die man personalpolitisch nutzen könne. Und auch bei den Ärzten in der Weiterbildung sei da Potenzial vorhanden. „Wir haben eine Fluktuation von etwa 300 bis 340 Mitarbeitern“, weiß Fastenmeier, mit denen man ein wenig Personalpolitik betreiben könnte.

Er setzt indes lieber auf die flexiblen Zeitkonten der Mitarbeiter. So hat er denn auch bei der jüngsten Betriebsversammlung die Parole ausgegeben, diese Konten bis zum Jahresende um 20 bis 30 Stunden zu reduzieren. „Wenn das klappt, dann können wir die ganze Einstellungspolitik wie bisher weiter betreiben. Weil unsere Mitarbeiter intelligent dagegen steuern.“

Dass aktuell rund 70 Prozent der deutschen Krankenhäuser am Rand einer Schieflage sind, hat im Wesentlichen mit den erwähnten Fallpauschalen zu tun. „Die Fälle müssten einfach differenzierter betrachtet und auch abgerechnet werden“, sagt Fastenmeier. Notfälle müssten auch als solche bezahl werden, ältere Patienten ebenso. „Wenn die Altersruktur nicht passt, kommt man automatisch in eine Schieflage.“

Das Klinikum, ein Wirtschaftsbetrieb, der knallharten Regeln unterliegt. Umsatzabhängig wie jedes andere Unternehmen auch. Und den zu steigern, das ist einer der Pläne, mit denen Fastenmeier schwanger geht. Kein leichtes Unterfangen bei einer Belegung von heute schon rund 80 Prozent. „Bei 80 Prozent Belegung spricht man in der Praxis eigentlich von hundertprozentiger Vollbelegung. Da stehen schon Betten auf dem Gang.“

„Man muss noch mehr managen“, grinst Fastenmeier und erzählt von seinen Plänen, zwei weitere Stationen zu schließen. Das klingt erst einmal völlig unlogisch. Ist es aber nicht. Denn zum einen spare sich das Krankenhaus 25 Pflegekräfte, fünf Ärzte und zwei Reinigungskräfte. „Das sind 35 Leute mal 50 000 Euro.“

Und den Ausgleich für die Betten der beiden fehlenden Stationen will er dann über die Verweildauer schaffen. „Wir haben derzeit eine ideale Verweildauer. Die liegt in der Somatik bei 5,2 bis 5,4 Tagen. Da kann man noch ein klein wenig optimieren.“ Verdichten heißt dies im Fachdeutsch. Und dort, wo die beiden Stationen einmal beheimatet waren, will er eine Tagesklinik einrichten, ähnlich wie die Einrichtungen, die es für Neurologie oder Psychiatrie beispielsweise schon gibt. „Damit könnte man den Fällen, die heute nicht entlassen werden können, weil die Nachsorge nicht gewährleistet ist, in der Tagesklinik die ambulante Nachsorge garantieren.“ Das bedeutet auch, dass diese Fälle eben fristgerecht entlassen werden könnten und dadurch die Verweildauer wieder ein paar Pünktchen nach unten geht.

Pläne also hat Heribert Fastenmeier genug im Kopf. Und die wird er auch brauchen. Denn ein ganz großes Thema hat er noch vor ich: Die Generalsanierung des Klinikums. „Da komm etwas großes auf uns zu“, so Fastenmeier, der heute bereits weiß, wie schwer es werden wird, trotz Dreck und Lärm eine Vollbelegung des Klinikums zu garantieren. Und die soll am 1. Juli 2015 beginnen und wird zwischen 12 und 14 Jahre dauern.


Anzeige
RSS feed