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Auch 27 Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl ist im Kreis Pfaffenhofen jedes vierte Wildschwein so stark mit Cäsium-137 belastet, dass es nicht auf den Teller darf. Jedes Tier wird nach dem Erlegen getestet – ist der Grenzwert überschritten, muss es entsorgt werden und der Jäger bekommt für den entgangenen Verkaufserlös eine Entschädigung.

Von Alfred Raths

Wildbret ist beim Verbraucher sehr beliebt, weil es gut schmeckt, natürlich gewachsen ist und auf kurzem Wege frisch auf den Tisch gelangt, wenn es vom heimischen Jäger bezogen wird. Jetzt im Herbst ist neben dem Rehwild wieder Hochsaison für Schwarzwild auf dem Mittagstisch. Die jährliche Strecke der erlegten Schwarzkittel steigt im Landkreis Pfaffenhofen kontinuierlich an und folgt damit dem Trend in ganz Bayern.

Wer nun Wildbret vom Jäger selbst bezieht, wird sich freilich darauf verlassen können, dass er grundlegende Hygieneregeln eingehalten und das Wildbret auf Krankheiten hin untersucht hat. Dies gilt auch für mit Cäsium-137 belastete Wildschweine. Denn einige von ihnen sind als Spätfolge des Reaktorunglücks von Tschernobyl im Jahr 1986 immer noch radioaktiv belastet. Zum Schutz des Verbrauchers wird jedes dieser Tiere wahlweise an zwei Messstellen im Landkreis, Jetzendorf und Geisenfeld, getestet, bevor sie verzehrt werden dürfen. Dazu wird dem Schwarzwild Muskelfleisch entnommen und untersucht.

Die ausgemusterten Tiere müssen entsorgt werden. Der private Jäger bekommt vom Bund dafür eine Entschädigung, weil ihm ja der Verkaufserlös entgeht.   

"Erfahrungsgemäß liegt etwa ein Viertel der Proben über den Grenzwert von 500 Becquerel", weiß Rudi Engelhard, Vorsitzender der Jägervereinigung des Landkreises, über die Erfahrungen aus vielen Jahren zu berichten. "Da bei uns ausnahmslos alle Stücke Schwarzwild gemessen werden, kommt kein Wildbret, das über diesen Grenzwert liegt, in den Handel."  Dazu ist der Jäger gesetzlich auch verpflichtet, sofern er es "In Verkehr bringen" will, wie es im Juristendeutsch heißt; also an andere verkauft. Verzehrt er das Wildschwein hingegen etwa im trauten Kreis der Familie, braucht er es nicht messen zu lassen. Theoretisch kann es also sein, dass beim Jäger daheim eine verstrahlte Wildsau auf den Teller kommt. 

"Probleme tauchen eigentlich vor allem in Zeitraum Dezember bis April auf", berichtet Engelhard aus der Jagdpraxis und führt das auf die Ernährungsvorlieben der Wildschweine zurück: "Wenn die Hirschtrüffel in unserem Wäldern wachsen, werden sie von den Sauen gerne aufgenommen – diese Trüffel sind aber hoch mit Cäsium belastet."

Das aber bedeutet indes nicht, dass sich das Cäsium langfristig im Wildkörper anreichert und etwa gegen Ende des Winters oder mit zunehmenden Alter jeweils ein Maximum erreicht. Denn nach einer durchschnittlichen biologischen Halbwertzeit von etwa 20 Tagen scheiden es die Tiere auf natürlichem Weg wieder aus. In Abhängigkeit von der Nahrungswahl schwankt der Cäsiumwert also.  

Praktisch alle Waldbodenpflanzen und die meisten Bäume versorgen sich überwiegend aus den obersten zehn Zentimetern des Bodens mit Nährstoffen. In dieser Schicht überdauert der Großteil des Cäsiums-137 und auch die die meisten Hirschtrüffel kommen dort vor. Pflanzen und Pilze unterscheiden jedoch, wie Wissenschaftler vermuten, bei ihrer Nährstoffwahl offenbar nicht zwischen Kalium und Cäsium, die beide durch chemische  Verwandtschaft sozusagen verbunden sind. Bei der Aufnahme dieser Stoffe können sie folglich nicht zwischen den für sie so ähnlichen chemischen Elementen differenzieren.

Neben den unterirdisch wachsenden Hirschtrüffeln zählen unter anderem auch Maronenröhrlinge, Kartoffelbovist, und Dickfuß zu den Radionuklidsammlern. Das bedeutet, diese Pilzarten reichern strahlendes Cäsium 137 stärker an als andere Pilze. Rehwild, auch aus dem Landkreis, ist aufgrund einer grundsätzlich anderen Ernährungsweise übrigens so gut wie unbelastet von Cäsium-137.

Da es praktisch keine Lebensmittel gibt, in denen nicht Spuren von Radioaktivität natürlichen Ursprungs zu finden sind, müsste man schon gewaltige Mengen von mehreren hundert Kilo und mit mehr als 500 Becquerel belasteten Schwarzwildfleisches jährlich verzehren, um überhaupt eine Cäsium-137 Belastung im Körper nachweisen zu können, die über der durchschnittlichen jährlichen Radioaktivitätsdosis aus natürlichen und damit unvermeidlichen Quellen liegt.


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