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Wolfgang Wiegard, ehemaliger Vorsitzender des Rats der Wirtschaftsweisen, erwartet nicht viel vom mutmaßlichen künftigen Regierungs-Bündnis. Warum, das erklärte er im Pfaffenhofener Sparkassen-Casino

(ty) Auch wenn sie in der aktuellen Situation die einzige Alternative zu sein scheint: Aus wirtschafts- und finanzpolitischer Sicht löst eine Jamaika-Koalition bei Prof. em. Dr. Wolfgang Wiegard alles andere als Begeisterung aus. Sein ernüchterndes Fazit eines Vergleichs der Positionen der mutmaßlichen künftigen Regierungsparteien auf zentralen ökonomischen Handlungsfeldern lautet: „Es ist eher von einem wirtschaftspolitischen Stillstand auszugehen. Den aber hatten wir in Deutschland schon in den vergangenen zwölf Jahren.“ Denn die alte Bundesregierung habe zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung „nicht viel beigetragen“ – ganz im Gegensatz zu günstigen „externen Faktoren“.

Ein volles Haus, gespannte Erwartungen bei den rund 200 Besuchern, ein hochrangiger Wirtschafts-Experte und höchst gefragter Referent – die Veranstaltung der Sparkasse Pfaffenhofen war ein Erfolg. In seiner Einführung riss Vorstandschef Norbert Lienhardt einige Probleme und Herausforderungen für die Zukunft an – im Spannungsfeld einer globalisierten Welt, in der aber gerade in jüngerer Zeit auch wieder „kleinteiliges Denken“ auf dem Vormarsch ist.

Nach 2003 und 2006 war Wiegard bereits zum dritten Mal dem Pfaffenhofener Geldinstitut zu Gast – was nicht ganz ungefährlich sei, weil man natürlich an früheren Aussagen und Prognosen gemessen werde. Deshalb habe er nachgeschaut und könne feststellen: „Nichts von dem, was ich damals gesagt habe, muss ich zurücknehmen“, sagte das ehemalige Mitglied des Rats der Wirtschaftsweisen, dessen Vorsitzender er einige Jahre auch war.

Im ersten Teil seines Vortrags zum Thema „Ein Blick in die Zukunft: Konjunktur – Staatsverschuldung – Immobilienmärkte“ beleuchtete er die aktuelle Situation und die wesentlichen Indikatoren für die weitere wirtschaftliche Entwicklung bis 2019. In Deutschland setze sich der konjunkturelle Aufschwung, der im Frühjahr 2013 begonnen hat, „auf breiter Basis fort “ – getragen von privaten und öffentlichen Konsum-Ausgaben, lebhaften Bau-Investitionen, Ausrüstungs-Investitionen und Exporten.

Eine Entwicklung, die aber nicht der Politik der großen Koalition, sondern in erster Linie externen Faktoren zu verdanken sei: expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), Arbeitsmarkt-, Steuer- und Rentenreformen früherer Bundesregierungen, niedriger Ölpreis, anziehende Konjunktur weltweit und im Euro-Raum. „Das kann auf Dauer nicht so weitergehen“, warnte der Volkswirtschaftler. Die „Abwärtsrisiken“ hätten zwar abgenommen, seien aber nicht völlig verschwunden.

Der Referent nannte hier unter anderem die Auswirkungen des EU-Austritts der Briten – auch wenn er „keinen harten Brexit“ erwartet – sowie politische Risiken wie den Nordkorea-Konflikt oder „Catalexit“ und US-Präsident Donald Trump. „Je mehr Trump Golf spielt und je weniger er an wirtschaftspolitischen Konzepten bastelt, desto besser für die Weltwirtschaft.“ Außerdem rechnet Wiegard ab Mitte/Ende nächsten Jahres damit, dass die EZB langsam aber stetig die Leitzinsen wieder anhebt. „Trotzdem wird die Niedrigzinsphase aber bis über 2020 hinaus andauern“, prognostizierte er.

Auf die künftige Bundesregierung sieht er, wie er den zweiten Teil seines Vortrags einleitete, „viele große Herausforderungen“ zukommen. Doch was hat man wirtschafts- und finanzpolitisch von einer Jamaika-Koalition zu erwarten? Die Antwort auf diese Frage gab der Referent bei der Gegenüberstellung der Programme von CDU/CSU, FDP und Grünen auf vier zentralen Handlungsfeldern, „die eine ökonomische Einordnung erlauben“: Staatsverschuldung, Zukunft der Währungsunion, Steuerpolitik und Immobilienmärkte.

Drei Mal ging bei diesem Vergleich der Daumen aufgrund völlig gegensätzlicher Positionen zwischen den künftigen Regierungsparteien ganz klar nach unten. Lediglich beim künftigen Umgang mit der Staatsverschuldung gebe es eine relativ hohe Übereinstimmung. In Deutschland habe hier die „Schuldenbremse“ zu einer nachhaltigen Entwicklung beigetragen, auf europäischer Ebene seien weitere Konsolidierungsanstrengungen erforderlich.

Daumen nach unten dagegen bei der Zukunft der Währungsunion. Für Wiegard gibt es hier zum Prinzip der Subsidiarität keine Alternative. Das bedeutet: Die Wirtschaftspolitik bleibt in nationaler Souveränität, fiskalische Regeln werden verschärft, glaubwürdiges staatliches Insolvenzverfahren, Auflösung des Staat-Banken-Nexus, Möglichkeit eines Ausschlusses aus der Währungsunion als Ultima-Ratio. Während zwischen drei Partnern beim Bekenntnis zur Subsidiarität weitgehende Übereinstimmung herrsche, verträten die Grünen eine gänzlich andere Auffassung.

Daumen nach unten auch in der Steuerpolitik. Hier sei in der abgelaufenen Legislaturperiode „auf nationaler Ebene so gut wie nichts geschehen“. Gerade im Steuerrecht sieht der Volkswirtschaftler aber hohen Handlungsbedarf für eine „investitions- und wachstumsfördernde Reform der Unternehmensbesteuerung“, aber auch in anderen Bereichen: Abflachung des „Mittelstandsbauchs“ bei der Unternehmensbesteuerung, Milderung  beziehungsweise Beseitigung der „kalten Progression“, Rückführung des Solidaritätsbeitrags, Vereinfachung des Steuerrechts. Doch auch hier trennen „Jamaika“ tiefe Gräben.

Hohen Unterhaltungswert hatte ein Beispiel dafür, welch seltsame Blüten das deutsche Steuerrecht bisweilen treibt. Wiegard klärte seine Zuhörer darüber auf, warum sie Steuerhinterziehung begehen, wenn sie etwas von gekauften und zuhause als Mahlzeit zubereiteten Schweinsohren an ihren Hund verfüttern würden.

Wiegard (links) im Gespräch mit Sparkassen-Chef Norbert Lienhardt.

Daumen nach unten auch auf dem Immobiliensektor. Trotz des starken Anstiegs der Preise für Wohnimmobilien stellte Wiegard klar fest: „Bundesweit droht keine Immobilienblase.“ Und das, obwohl der Immobilienmarkt in einigen Großstädten zweifelsohne überhitzt sei und die Deutsche Bundesbank hier – gemessen an den Fundamentalwerten – von Preisübertreibungen zwischen 15 und 30 Prozent spreche. Dem stünden nämlich eher moderate Zuwächse im Durchschnitt der Landkreise gegenüber – was auch für Pfaffenhofen gilt, wie der Referent anhand von Vergleichszahlen belegte. Beim so genannten Erschwinglichkeitsindex (durchschnittliches Verhältnis von Kaufpreis zu Jahreseinkommen) von 5,0 und auch bei anderen Parametern schneide Pfaffenhofen sehr gut ab. Anders als die Bewertung für „Jamaika“: Auch hier bestehen laut dem Referenten unüberwindbare Gegensätze.

Das Schlussfazit von Wiegard: Einerseits würde er wetten, dass die Jamaika-Koalition zustande kommt, weil es derzeit keine Alternative gebe. Verbunden mit der großen Gefahr für die Grünen, dass sie als kleinster Partner am stärksten von ihren Positionen abrücken müssten und „aufgerieben werden“. Andererseits befürchtet er eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und für die kommende Legislaturperiode wirtschaftlichen Stillstand statt wirksamer Maßnahmen für ein solides und dauerhaftes Wachstum. „Es wird ein tolles Regierungsprogramm geben. 180 Seiten, in denen nicht viel steht“, sagte er voraus.


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