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Vor einer Woche war der Vierbeiner in die Pfaffenhofener Tierherberge gekommen. Jetzt lebt er wieder im trauten Heim - bei einer Familie in Mittelfranken. Die Geschichte einer unglaublichen Reise.

(ty) Es waren traurige Bilder, die unsere Redaktion vor genau einer Woche erreicht hatten (wir berichteten). Die Berner-Sennen-Hündin Klara war in einem erschreckenden Zustand in der Nähe von Hohenwart aufgefunden worden, die Anteilnahme am Schicksal des Vierbeiners war vor allem in den sozialen Netzwerken groß. Heute hatte der Pfaffenhofener Tierschutzverein weitaus erfreulichere Nachrichten zu vermelden: Klara ist nach zwei Jahren Odyssee wieder zuhause – dort darf sie auch wieder ihren eigentlichen Namen annehmen: Heli. Ihre atemberaubende Story erfahren wir hier.

Augen und Haut waren stark entzündet, große Teile des Fells hingen in Fetzen oder fehlten gänzlich. Heli wurde in der vergangenen Woche arg ramponiert in die Pfaffenhofener Tierherberge gebracht. Vor allem auf Facebook hatten viele Menschen um das Schicksal der Hündin diskutiert, immer wieder wurden auch die Besitzer kritisiert, die sie – vermeintlich – malträtiert hätten. Alles falsch! Denn "tatsächlich lassen die Entzündungen an der Haut und der generell schlechte Zustand des Fells eher auf Mangelernährung schließen", sagt Tierärztin Dr. Christine Preyß-Jägeler, die den Hund im Auftrag des Tierheims eingehend untersucht und ein Blutbild genommen hat.

Berner-Sennen-Hunde sind keine Jäger und somit kaum in der Lage, in freier Natur lange zu überleben. Abgesehen davon, dass ein so großer Hund von jemandem hätte gesehen werden müssen. Die Ärztin weiter: "Möglich, dass sie in der Zwischenzeit irgendwo mitgefressen hat. Falls sie zwischenzeitlich bei jemand anderem mitgelebt haben sollte, hat diese Person sie zwar vernachlässigt und sich nicht um sie gekümmert. Körperlich misshandelt hat sie sie aber definitiv nicht."

Dabei war anfangs lediglich klar, dass der Hund in erbärmlichen Zustand war. Zahllose andere Anfragen und Bitten um detaillierte Informationen wurden in der Tierherberge angenommen und überprüft. Zum Beispiel: "Hat der Hund am linken Hinterlauf eine verheilte Wunde, so wie unserer?" Die Identifizierung war bei Klara besonders diffizil, weil sie zahlreiche kahle Stellen und Verletzungen hatte. Offensichtlich war sie bereits längere Zeit unterwegs, entsprechend verwahrlost sah sie aus. Auch das schwarze Halsband, das sie trug, deutete auf eine längere "Reise" hin.

Zu einem frühen Zeitpunkt meldete sich auch eine Familie aus Mittelfranken, die ihren Berner-Sennen-Hund seit fast zwei Jahren vermisst. Wie üblich in solchen Fällen werden viele Informationen und Fotos zwischen der Familie und der Tierherberge ausgetauscht und verglichen. Ist sie es? Ist sie es nicht? Dagegen sprach in diesem Fall, dass der vermisste Hund gechipt war, beim Fundhund aber kein Chip ausgelesen werden konnte. Das kann gelegentlich vorkommen, allerdings sehr selten. Andererseits war das schwarze Halsband dem Band ähnlich, das die Hündin trug, als sie verschwand. Schließlich die traurige Erkenntnis: Es handelt sich wohl nicht um das vermisste Tier. Wieder eine Sackgasse für die Besitzer-Familie, die seit zwei Jahren viele Berner-Sennen-Hunde besucht hatte – jedes Mal ohne Erfolg.

Schon der Beginn von Helis Odyssee war unglücklich. Zu einer großen Familienfeier sollte vor zwei Jahren ein Feuerwerk gezündet werden. Die Familie, wissend, dass ihr Hund keinen Spaß an derlei Spektakeln hatte, musste vorsorglich ins Haus. Ein Partygast wusste davon nichts. Ahnungslos ging er davon aus, Heli sei versehentlich in der Wohnung eingesperrt – und ließ sie zurück in den Garten. Ausgerechnet zu dieser Zeit begann das Feuerwerk, das Unheil nahm seinen Lauf: Heli startete panisch durch – und ward nicht mehr gesehen. Rund zwei Jahre nicht mehr, genau 675 Tage.

"Alles haben wir unternommen, um Heli wiederzufinden", beteuert Silke, die Mutter der Familie. "Wir haben automatische Kameras aufgestellt, Zettel an jedem Zaun und jedem Jägerhochstand befestigt, Hundesuchdienste beauftragt, zahllose aufgefundene Berner-Sennen-Streuner besucht. Natürlich in den Tageszeitungen und sozialen Medien recherchiert. Schließlich sogar Suchhunde losgeschickt."

Sieht wesentlich gesünder aus als noch vor eine Woche: Hündin Heli.

Vergeblich: Die Hündin war und blieb verschwunden. Nach vielen Fehlschlägen setzte sich die Erkenntnis durch, dass Heli vielleicht nie wiederkommen werde. Nach eineinhalb Jahren vergeblichen Suchens fiel eine Entscheidung: Ein neuer Hund kam ins Haus, der mittlerweile zweijährige Mogli. Ein Berner-Sennen-Rüde.

"Als wir von einem Hund dieser Rasse erfuhren, der in Pfaffenhofen aufgelesen wurde, war ich anfangs wirklich skeptisch", sagt Mutter Silke. "Nach so vielen Enttäuschungen. Zumal der Hund auf den Fotos in seinem fürchterlichen Zustand nicht mehr an unsere Heli erinnerte." Ihre Kinder seien erheblich zuversichtlicher gewesen: "Es muss unsere Heli sein!"

Ihr ursprüngliches Zuhause liegt in Mittelfranken, Luftlinie rund 100 Kilometer von Pfaffenhofen entfernt. Allerdings wird sie kaum den kürzesten Weg genommen haben, als sie endlich in einem Waldstück bei Hohenwart auftauchte, einige Kilometer von Pfaffenhofen entfernt. Viele Menschen wundern sich, dass ein Hund so weit läuft. Die Pfaffenhofener Tierheimleiterin Sandra Lob nicht: "Das ist überhaupt keine Entfernung für einen Hund. Schon gar nicht in so langer Zeit."

Die Familie machte sich sicherheitshalber nun doch auf den Weg nach Pfaffenhofen. Im Gepäck: Viele Fotos ihrer vermissten Hündin. Noch vor der Anreise fragten Mitarbeiter der Herberge gezielt nach Merkmalen des Hundes, die niemand wissen kann – mit Ausnahme der Besitzer. Die persönliche "Familien-Zusammenführung" machte schnell klar: Mensch und Tier kennen und mögen sich. "Das war kein Aufeinandertreffen zweier Parteien, die sich erstmals sehen beziehungsweise riechen", berichtet man vom Pfaffenhofener Tierschutzverein.

Die vorübergehend ausgesetzte Partnerschaft sei so offensichtlich gewesen, dass Manuela Braunmüller, die Chefin des Pfaffenhofener Tierschutzvereins, spontan beschloss: Heli darf noch am selben Tag wieder heimfahren nach Mittelfranken. Sandra Lob, die Tierheimleiterin, seit 23 Jahren im Tierschutz aktiv und hat so einiges erlebt. Sie sagt aber: "Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, in dem wir nach so langer Zeit einen Hund seinem Besitzer zurückgegeben konnten." So groß war offenbar die Rührung, so aufregend das alles, dass keiner der Anwesenden daran gedacht habe, dieses besondere Ereignis zu fotografieren.

Als hätte das Schicksal es gewollt: Zufälligerweise kommt Helis früherer "Lieblingsmensch", Tochter Chiara, genau an jenem Tag von einem längeren Au-pair-Aufenthalt im Ausland zurück, an dem auch Heli wieder zu Hause einzieht. Gemeinsam geht es ins neue, alte Heim. Mogli darf natürlich bleiben. Man beschnuppert sich von Hundenase zu Hundenase und Mogli beschließt offenkundig schnell, dass der jüngere, größere, stärkere Hund – also er persönlich – ab sofort die Bewachung des gewachsenen Menschen-Tier-Rudels übernehmen wird.

Zuhause ist es am schönsten: Chiara kann ihre Heli nach zwei Jahren wieder in die Arme schließen.

Was Heli alles erlebt hat in diesen zwei Jahren? Sie wird ihr Geheimnis kaum preisgeben. "Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Drum nähme ich den Stock und Hut. Und tät das Reisen wählen", heißt es in einem bekannten Gedicht. Bei allen ungelösten Fragen um den Verbleib von Heli, eines ist sicher: Was sie sich wohl kaum wünscht: Bald wieder ihre Koffer zu packen. Und so bleibt am Ende eine beinahe unglaubliche Geschichte mit einem tierischen Happy-End.


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