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Die vom Pfaffenhofener Landratsamt erteilte Genehmigung ist außer Vollzug gesetzt, bis über ihre Rechtmäßigkeit entschieden ist.

(ty) Die umstrittene Hähnchenmast-Anlage im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach für mehr als 144 000 Tiere darf vorerst weder weitergebaut noch in Betrieb genommen werden. Das ist das Ergebnis einer Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH). Der hat per Beschluss vom 6. August die so genannte aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Genehmigung des Vorhaben wiederhergestellt. Damit folgte der BayVGH einer Beschwerde des "Bund Naturschutz" (BN), der sich gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts München gewandt hatte. Somit ruht – vereinfacht gesagt – die Baustelle, bis über die Frage nach der Rechtmäßigkeit der für das Vorhaben erteilten Genehmigung entschieden ist.

Die im vergangenen Jahr vom Pfaffenhofener Landratsamt unter Auflagen erteilte Genehmigung für eine Mast-Anlage für 144 600 Tiere ist damit praktisch außer Vollzug gesetzt. Die Kreisbehörde erläuterte die Bedeutung der Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wie folgt: "Ab sofort gilt für die bereits hergestellte Mastanlage ein Bau- und Inbetriebnahme-Stopp für den Betreiber bis zur Entscheidung in der Hauptsache." Ein Termin für die Verhandlung der Hauptsache vor dem Münchner Verwaltungsbericht stehe noch nicht fest. 

In der so genannten Hauptsache geht es um nicht weniger als die zentrale Frage, ob die Hähnchenmast-Anlage in dem Wolnzacher Ortsteil überhaupt hätte genehmigt beziehungsweise gebaut werden dürfen. Der nun verhängte Bau- und Inbetriebnahme-Stopp wendet sich im Wesentlichen gegen den vom Landratsamt im Zusammenhang mit der erteilten Genehmigung angeordneten Sofortvollzug. Der bedeutete, dass der Antragsteller damals auf eigenes Risiko direkt mit dem Bau beginnen durfte. Sollte der erteilten Genehmigung letztlich die Rechtmäßigkeit versagt werden, dann müsste – im weitest gehenden Fall – der Zustand auf dem Areal wieder hergestellt werden, der zuvor herrschte.

 

"Der bayerische Verwaltungsgerichtshof sieht ebenso wie das Verwaltungsgericht München die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen an, hegt aber im Gegensatz zur ersten gerichtlichen Instanz Zweifel an der landwirtschaftlichen Privilegierung, mithin also an der bauplanungs-rechtlichen Zulässigkeit", erklärt das Landratsamt zur aktuellen Entscheidung. "Auf Grund dieser Zweifel, die im Hauptsache-Verfahren zu klären sind, sieht der BayVGH die Interessen des Bund Naturschutz an einer Aussetzung als höher zu gewichten an, als das Interesse des Betreibers an einem Sofortvollzug und damit an der Aufnahme des Betriebs." Eine "weitergehende Stellungnahme" will man von Seiten des Landratsamts nicht abgeben, da es sich um ein schwebendes Gerichts-Verfahren handle. "Die endgültige Entscheidung liegt damit in Händen des Verwaltungsgerichts." 

Das Gericht sei der BN-Argumentation gefolgt, wonach erhebliche Zweifel an der landwirtschaftlichen Privilegierung des Vorhabens bestünden, betont der "Bund Naturschutz" in seiner Stellungnahme zu der Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und unterstreicht: "In diesem Fall, so das Gericht, sei dem Interesse am Schutz des Außenbereichs ein höheres Gewicht beizumessen, als den rein wirtschaftlichen Interessen des Investors." Auch im Übrigen seien die Erfolgsaussichten im Hauptsache-Verfahren als offen zu bewerten, was insbesondere das Hervorrufen von schädlichen Umwelt-Einwirkungen und die Beeinträchtigung eines gesetzlich geschützten Biotops betreffe. Jedenfalls habe der BayVGH damit den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 23. März dieses Jahres abgeändert.

 

Außerdem verweist der BN darauf, dass in dem Beschluss des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ausführt werde, "dass es insbesondere nicht gesichert ist, dass die geplante Tierhaltung als privilegiert gemäß § 35 Baugesetzbuch gelten könne". Denn es sei zweifelhaft, ob der landwirtschaftliche Betrieb über eine ausreichende Futtergrundlage verfüge. Derzeit werde ein Großteil der bewirtschafteten Betriebsfläche für die Substrat-Erzeugung für die Biogas-Anlage des Betriebs genutzt. Auch sei – so der BN mit Verweis auf den Gerichts-Beschluss – offen, ob die dauerhafte Verfügbarkeit der angepachteten Flächen gesichert sei. Eine Klärung müsse dem Hauptsache-Verfahren vorbehalten bleiben.

In der ausführlichen Begründung seiner Entscheidung – die unserer Redaktion vorliegt – erklärt der bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter anderem:

♦ "Es ist derzeit fraglich, ob es sich bei der streitgegenständlichen Erweiterung der Tierhaltung der Beigeladenen um ein bauplanungsrechtlich privilegiertes Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handelt. Als nichtprivilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB wäre es voraussichtlich bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigen würde."

♦ "Es ist zweifelhaft, ob der landwirtschaftliche Betrieb (...) über eine ausreichende Futtergrundlage verfügt."

♦ "Im Übrigen bestehen Zweifel daran, ob das für die streitgegenständliche Erweiterung der Tierhaltung benötigte Futter im Sinne des § 201 BauGB überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden 'kann', weil derzeit ein erheblicher Teil der produzierten Futterpflanzen als Einsatzstoffe für die Biogas-Anlage (...) dient."

♦ "Falls es sich bei der streitgegenständlichen Erweiterung der Tierhaltung (...) um ein nichtprivilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB handeln sollte, wäre es voraussichtlich bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigen würde. Das dann als gewerbliche Tierhaltung einzustufende Vorhaben dürfte unter anderem die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), welche in diesem Bereich von landwirtschaftlicher Nutzung geprägt ist. Auf die Frage, ob das Vorhaben zudem auch schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BImSchG) oder Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB (unter anderem Belange des Naturschutzes) beeinträchtigen würde, käme es nicht mehr entscheidungserheblich an."

♦ "Im Übrigen bestehen offene Erfolgsaussichten hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des strittigen Vorhabens bereits auch deshalb, weil zweifelhaft ist, ob die als Futtergrundlage benötigten Pachtflächen langfristig gesichert sind."

♦ "Eine Interessenabwägung ergibt, dass vorliegend dem vom Antragsteller geltend gemachten Aussetzungsinteresse Vorrang vor dem Interesse (...) an einem Sofortvollzug der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zukommt. Dafür spricht insbesondere, dass nach derzeitigem Sach- und Streitstand offen ist, ob das Vorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich zulässig ist. Mit der streitgegenständlichen, möglicherweise bauplanungsrechtlich unzulässigen Neuerrichtung beziehungsweise Erweiterung und Nutzung von Tierhaltungsanlagen würden Tatsachen geschaffen, die im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse, den Außenbereich grundsätzlich freizuhalten, zu vermeiden sind. Dies gilt gerade auch im Hinblick darauf, dass das streitgegenständliche Vorhaben mit mehreren tausend Quadratmetern überbauter Fläche den Außenbereich außergewöhnlich belastet, worauf im angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen wird. Das Interesse (...), eine verzögerte Inbetriebnahme der Anlagen mit erheblichen Mehrkosten zu vermeiden, muss demgegenüber zurücktreten."


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