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Ihm wurden sämtliche Kaninchen weggenommen. Ein Verbot zur Haltung solcher Tiere sowie eine Strafanzeige sollen folgen. Erschütternde Schilderungen.

(zel) Von unhaltbaren Zuständen ist die Rede, von andauerndem und erheblichem Leid. Von Tierquälerei. Jetzt war das Maß voll. Einem Züchter aus dem Gemeinde-Bereich von Schweitenkirchen sind auf Veranlassung des Pfaffenhofener Veterinäramts sämtliche Kaninchen weggenommen worden. 22 verwahrloste Geschöpfe. Mitarbeiter des Tierschutz-Vereins und Beamte der Polizei waren beim Vollzug dieser Maßnahme unterstützend tätig. Nun blüht dem Mann ein Verbot zur Haltung von Kaninchen. Die Behörde kündigte heute gegenüber unserer Zeitung an, außerdem Strafanzeige zu erstatten – selbiges haben die Tierschützer vor.

Über etwa zwei Jahre hatte das Veterinäramt nach einem entsprechenden Hinweis den Züchter bereits im Visier, das wurde heute im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Unterm Strich sei der Mann, offenbar auch aus gesundheitlichen Gründen, mit der Arbeit nicht mehr hinterher gekommen beziehungsweise überfordert gewesen. Die Anzahl der Tiere sei dabei immer in etwa dieselbe geblieben. Doch die Zustände sollen sich verschlimmert haben. So sehr, dass die Behörde schließlich zum praktisch letzten Mittel griff: Dem Mann wurden jetzt alle Kaninchen weggenommen.

Eine solche Maßnahme erfolgt für gewöhnlich nicht ohne entsprechende Vorgeschichte. Und auch in diesem Fall hatte das Veterinäramt nach eigenem Bekunden zuvor verschiedene Schritte vollzogen. Mehrere Termine habe es gegeben, mehrmals habe es klare Signale vom Amt gegeben. Zudem sei ein Auflagen-Bescheid mit Zwangsgeld ergangen – "um den Forderungen Nachdruck zu verleihen", so eine Behörden-Sprecherin. Dennoch seien die postulierten Verbesserungen von dem Züchter nicht entsprechend umgesetzt worden.

 

Immer wieder seien die angerückten Behörden-Mitarbeiter beschimpft worden. Am vergangenen Donnerstag waren sie wieder einmal vor Ort. Da habe sich gezeigt: "Die Zustände sind noch schlimmer geworden." Die Entscheidung war dann gefallen: "Das geht so nicht mehr. Wir haben alle anderen Schritte probiert." Noch am selben Abend habe man sich mit dem Pfaffenhofener Tierschutz-Verein beziehungsweise der Tierherberge in Verbindung gesetzt. Die Vorbereitungen wurden getroffen und am Freitag war es dann soweit.

Sicherheitshalber in Begleitung von Beamten der Pfaffenhofener Polizeiinspektion, rückten die Vertreter des Veterinäramts und Helfer vom Tierschutz-Verein an, um den Stall leerzuräumen. Alle 22 Kaninchen wurden aus "unhaltbaren Zuständen" gerettet – sechs alte und 16 junge Tiere. Tags zuvor seien es noch ein paar Tiere mehr gewesen, heißt es aus der Behörde – offenbar hatte der Züchter schon geahnt, was ihm bevorstehen könnte. Dass ihm aber nur einen Tag nach dem jüngsten Ortstermin seine Tiere weggenommen werden, habe der Mann nicht wissen können.

 

"Es war unbeschreiblich." So schildert die Vorsitzende des Pfaffenhofener Tierschutz-Vereins, Manuela Braunmüller, ihren ersten Eindruck vor Ort. "In einem fensterlosen Raum standen übereinander winzige, verrottete Holzkäfige, in denen über 20 Kaninchen saßen." Teilweise seien erwachsene und junge Tiere zusammengepfercht gewesen.

Zudem, das bestätigt die Behörde, hielten sich Hühner und Enten in diesem Raum auf. "Eine Ente brütete direkt neben der Tür", so Braunmüller. "Vor der Tür: Eine Kiste, in der ein bereits mumifiziertes Huhn lag." Ebenfalls in dieser Kiste, direkt neben dem Kadaver, lagen einige Eier (siehe nächstes Foto). "Je länger wir uns in diesem Raum aufhielten, desto beißender wurde der Ammoniak-Gestank", sagt Braunmüller. "Wir mussten immer wieder den Raum verlassen, um Frischluft zu atmen."

 

Von Seiten des Veterinäramts wurden die Verhältnisse offiziell dokumentiert. Die hier gezeigten Fotos hat der Tierschutz-Verein gemacht und zusammen mit einer Pressemitteilung zu dem Fall herausgegeben. "In den meisten Käfigen hatte sich eine rund 30 Zentimeter hohe, festgepresste Schicht aus Heu und Exkrementen gebildet, auf der die Tiere auf ihren eigenen Ausscheidungen sitzen mussten", schreiben die Tierschützer.

Sie haben in Erfahrung gebracht, dass die Ställe zuletzt im April ausgemistet worden seien. "Zum Teil mussten die Jungtiere freigeschaufelt werden aus Höhlen, die sich unter dieser stinkenden, gärenden, teils verschimmelten Schicht befanden", heißt es weiter. "Die Tiere konnten sich in ihren Gefängnissen kaum bewegen." In einer "jämmerlichen Lage" hätten sich die 22 Kaninchen befunden, die im Zuge der zirka einstündigen Aktion befreit wurden.

 

Erst einmal seien alle Kaninchen in die Pfaffenhofener Tierherberge gebracht worden. Dort wisse man allerdings kaum, wo man sie unterbringen soll. "Dankenswerterweise haben die Kollegen des Tierschutzvereins Freising sich spontan bereiterklärt, einen Teil zu übernehmen", berichtet Braunmüller. Allerdings schmälere die Hilfe der Kollegen aus dem Nachbar-Landkreis das Pfaffenhofener Platzproblem wohl nur vorübergehend. "Weil die unkastrierten Rammler mit den weiblichen Tieren gemeinsam untergebracht waren, sind einige der Weibchen bereits wieder trächtig."

Der ins Zwielicht geratene Züchter erhält nun nach Angaben des Veterinäramts einen offiziellen Bescheid, in dem ihm attestiert wird, dass sämtliche seiner Kaninchen fortgenommen worden sind. Ferner werde gegen ihn ein Tierhalte-Verbot für Kaninchen erlassen. Außerdem erklärte eine Behörden-Sprecherin heute: "Wir werden Strafanzeige stellen."

 

Man beruft sich dabei auf das Tierschutz-Gesetz, berichtet von "länger anhaltendem und erheblichem Leiden" – man könne auch sagen: "Tierquälerei". Im Raum stehen ferner Verstöße gegen die Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung. Wenngleich die Hasen nun gerettet sind: Man werde auch auf die anderen Tiere auf dem Anwesen ein sorgsames Auge haben, versichert das Veterinäramt.

Momentan gehe es den Kaninchen – bis auf ein paar kleinere Blessuren – "den Umständen entsprechend gut", so die aktuelle Meldung aus der Pfaffenhofener Tierherberge. Was für andere Vierbeiner selbstverständlich sei, empfänden diese Kaninchen offensichtlich als Wellness pur. "Diese Tiere sehen zum ersten Mal in ihrem Leben Tageslicht und atmen frische Luft." Das Veterinäramt bestätigte, dass die Hasen bis zu ihrer Befreiung offenbar praktisch ein Leben in Dunkelheit geführt hatten. Der Tierschutz-Verein hat in seiner Pressemitteilung ebenfalls angekündigt, Strafanzeige gegen den Züchter stellen zu wollen.

 

Noch am Wochenende seien die Kaninchen von einer Tierärztin in der Herberge erstmals untersucht, gegen Parasiten behandelt sowie gegen die Kaninchenseuchen RHD und Myxomatose geimpft worden. Die erwachsenen Kaninchen sollen im Laufe dieser Woche kastriert werden – die Jungtiere sollen folgen, sobald sie alt genug seien. "Wir können also recht bald die ersten Tiere vermitteln", erklärt Sandra Lob, die Leiterin der Pfaffenhofener Tierherberge.

Ausdrücklich ausgeschlossen ist ihren Worten zufolge eine Abgabe der Kaninchen in Einzel- oder Käfighaltung. Stattdessen sollen die Tiere – endlich – in großzügigen, artgerecht eingerichteten Gehegen leben dürfen, die gesichert sind gegen Marder und Füchse. Außerdem sollen sie Tag und Nacht ihre Rückzugs-Möglichkeiten – unter anderem gegen Wind und Wetter – haben. "Dass die geretteten Tiere keinesfalls in einem Kochtopf landen werden, versteht sich wohl von selbst", betont Lob.

Diese beiden aktuellen Fotos wurden uns heute Abend von der Pfaffenhofener Tierherberge übermittelt. Nach den Worten von Einrichtungs-Leiterin Sandra Lob handelt es sich um "Burgunder"-Hasen. Die sind aktuell noch klein und knuffig, weil erst etwa acht bis zehn Wochen alt. Sie werden allerdings vier bis fünf Kilogramm schwer – vergleichbar mit dem Gewicht einer Katze. 


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