Nach dem Wirbel um nicht behandelte FDP-Anträge und der harschen Kritik an Landrat Martin Wolf (CSU) lässt Fraktionschef Thomas Stockmaier nicht locker
Von Tobias Zell
Erst vergangene Woche hatte es im Pfaffenhofener Kreisausschuss harsche Kritik von der FDP an die Adresse von Landrat Martin Wolf (CSU) gehagelt: Willkür, Manipulation und Geschäftsordnungstricks hielt Fraktionschef Thomas Stockmaier dem Landrat vor – mit dem Ergebnis, dass Wolf zwei Anträge der Liberalen von der Tagesordnung nahm, die deshalb gestern im Kreistag auch nicht behandelt werden konnten. Das bringt Stockmaier erneut auf die Palme, weshalb er nun nachlegt: „Anscheinend haben Landrat Wolf und die CSU kein großes Interesse daran, Verbesserungen in der Ilmtalklinik zuzulassen“, schimpft Stockmaier in einer Presseerklärung und geht noch weiter: „Durch den fragwürdigen Führungsstil im Landratsamt werden nicht nur Personalkosten verschwendet, sondern auch die Rechte und die Würde der Kreisräte verletzt.“
Schwere Vorwürfe hatte es, wie berichtet, bereits in der jüngsten Sitzung des Kreisausschusses von Stockmaier in Richtung Wolf gegeben. Den Liberalen ging es darum, dass ihre in den Kreistag eingebrachten Anträge unverändert, sprich: in vollem Umfang und im originalen Wortlaut, dem Gremium vorgelegt werden. Wolf aber soll, so wurde ihm vorgehalten, die Anträge der FDP-Fraktion „zum wiederholten Male nach seiner Willkür verkürzt und massiv verfälscht“ haben. Die Liberalen sprechen von „Manipulation“ und „Geschäftsordnungstricks“, sehen ihr Antragsrecht untergraben und drohen im Wiederholungsfall mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Mit dieser Attacke sorgte Stockmaier für Unverständnis im Ausschuss. Zum Ersten, weil Wolf offenbar davon ausgegangen war, dass die FDP den übrigen Fraktionen ihre Anträge in vollem Wortlaut zur Kenntnis zukommen lasse. Zum Zweiten, weil Stockmaier darauf beharrte, die beiden im Ausschuss unter Tagesordnungspunkt 2 und 3 vorgesehenen FDP-Anträge eben in vollem Wortlaut vorzulegen – was letztlich dazu führte, dass beide Anträge von der Tagesordnung genommen wurden, weshalb sie nun auch in der anstehenden Kreistagssitzung nicht behandelt werden können. Und zum Dritten stellte sich so mancher die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des FDP-Vorgehens. Aus der CSU jedenfalls kam der Vorwurf, das sei „Theater“.
Im Kreistag gestern wurden die beiden FDP-Anträge nichth behandelt.
Im ersten Antrag wäre es um die Kindernotfallversorgung gegangen, wie Stockmaier jetzt noch einmal darlegt. Wenn es nach der FDP ginge, sollten maximal 25 000 Euro pro Jahr für die am ärztlichen Notfalldienst teilnehmenden Ärzte in den Kreishaushalt eingestellt werden. „Nachdem die Kinderstation an der Ilmtalklinik endgültig gescheitert ist, erscheint es uns sinnvoll und notwendig, die Kindernotfallbehandlung auf diese Weise zu verbessern.“
Im zweiten Antrag wäre es darum gegangen, jährlich 30 000 Euro aus Kreismitteln für die Gesundheitsvorsorge der Mitarbeiter der Ilmtalklinik bereit zu stellen. „Wir glauben, dass dieser Antrag geeignet ist, die Motivation und die Leistungsfähigkeit der Klinikmitarbeiter zu steigern“, so Stockmaier. „Nachdem zirka 450 000 Euro als Abfindung für den früheren Geschäftsführer Marco Woedl oder verschiedene Taxifahrten von Ärzten im fünfstelligen Bereich öffentlich diskutiert wurden, halten wir unseren Antrag für ein wichtiges positives Signal an die Mitarbeiter der Klinik.“
Doch zur Behandlung dieser beiden Anträge kam es nicht. Denn Stockmaier verlas im Kreisausschuss eine Erklärung der FDP-Fraktion mit den genannten geharnischten Vorwürfen. Die FDP fordert demnach, dass Wolf in seiner Rolle als Vorsitzender des Kreistags die Anträge unverändert in den Kreistag einbringt. „Er hat diese bereits zum wiederholten Male nach seiner Willkür verkürzt und massiv verfälscht.“ Am Ende hätten die Beschlussvorlagen oft nichts mehr mit den ursprünglichen Anträgen zu tun, kritisierte Stockmaier und erinnerte Wolf an den entsprechenden Artikel der Bayerischen Landkreisordnung, der zur Unparteilichkeit verpflichtet. „Es dürfen keine Veränderungen durch die Autorität des Landrats stattfinden“, so Stockmaier.
„Durch die „Abänderung von Sachverhalten und Beschlussanträgen sehen wir unser Antragsrecht untergraben und außer Kraft gesetzt“, wetterte Stockmaier weiter. Er berief sich auf Paragraf 17 der Geschäftsordnung, der das Recht des Kreisrats oder der Fraktion enthalte, dass ein eingebrachter Antrag ohne Veränderung von Sinn und Text und mit dem Wortlaut des beantragten Beschlusses zur Abstimmung gestellt werde. „Die Manipulation von Anträgen ist nicht mit den Gesetzen und der demokratischen Kultur vereinbar“, so Stockmaier. „Im Wiederholungsfall werden wir bei einer unstatthaften Abänderung von Anträgen vor dem Verwaltungsgericht auf Einhaltung der Geschäftsordnung klagen.“ Die Liberalen pochen auf das Recht, dass ihre Anträge dem Kreistag so vorgelegt werden, wie sie eingereicht werden – wortwörtlich und ohne Weglassungen, Zusätze oder Veränderungen. Nur so könne gewährleistet werden, dass eine „unzensierte und zielgerichtete“ Diskussion im Kreistag stattfindet. „Wir sehen den Landrat auch in der Pflicht, eine ausreichende Diskussion zu gewährleisten, statt sie mit Geschäftsordnungstricks zu sabotieren.“
Die Anträge der FDP, mit denen laut Stockmaier nicht korrekt umgegangen worden war, waren dem Kreisausschuss zwar nicht vorenthalten geblieben. Es ist aber so, dass die Verwaltung die aus ihrer Sicht entscheidenden oder zentralen Passagen aus Anträgen wiedergab und sie in Beschlussvorlagen fasst. Dazu kommt dann in der Regel auch ein Beschlussvorschlag der Verwaltung. „Das lassen wir uns nicht nehmen“, betonte Wolf im Ausschuss. Allerdings muss man auch wissen, dass der Beschlussvorschlag der Verwaltung freilich nicht zwingend mit dem Antrag der jeweiligen Fraktion identisch ist.
Wolf war jedenfalls sichtlich um Beruhigung bemüht im Kreisausschuss – dem Gremium, das die Sitzungen des Kreistags maßgeblich vorbereitet. Man werde künftig sicherstellen, dass die Anträge allen Fraktionen im Wortlaut vorliegen, versicherte der Landrat. Und damit hätte das Thema eigentlich erledigt sein können. Stockmaier hätte ja zum Beispiel auch die beiden Anträge vorlesen können – dann wäre auch jedem Anwesenden der komplette Wortlaut bekannt gewesen. Oder man hätte die Anträge schnell ein paar Mal kopiert und den Gremiumsmitgliedern ausgehändigt. Aber offensichtlich kam niemand auf diese naheliegenden Ideen – oder Stockmaier wollte keine pragmatische Lösung, sondern Konfrontation.
Reinhard Heinrich, der Chef der CSU-Fraktion, wies die in Richtung Wolf geäußerten „Manipulationsvorwürfe“ im Kreistag aufs Schärfste zurück. Zugleich fragte er sich, wofür man Fraktionsführer-Vorbesprechungen abhalte – er meinte damit wohl, dass Stockmaier da die FDP-Anträge zum Beispiele ebenso hätte im Wortlaut verteilen und vorbringen können. Jedenfalls sprach Heinrich der FDP einen fairen Umgang ab.
Auch Wolf wies die Vorwürfe an seine Adresse zurück. Man sei mit den FDP-Anträgen umgegangen, wie man immer mit Anträgen umgehe: Sie würden von der Verwaltung in eine Beschlussvorlage „umgebaut“. Die FDP wolle aber, dass ihre Anträge unverändert eingebracht werden, wiederholte Stockmaier. Er stellte einen Antrag zur Geschäftsordnung: Dem Kreistag seien die Anträge in vollem Umfang und Wortlaut vorzulegen.
Jedoch tauchte nun ein Problem auf. Der stellvertretende Landrat Anton Westner (CSU) verwies darauf, dass Tagesordnungspunkte, die im Kreistag behandelt werden, auch zuvor im Kreisausschuss behandelt werden müssen. Will sagen: Wenn man die beiden Anträge der FDP nicht im Ausschuss behandelt, dann könne man sie auch in der – nun gestern stattgefundenen – Kreistagssitzung nicht behandeln. Und so kam es ja dann auch.
Landrat Wolf beriet sich dann im Kreisausschuss mit dem Juristen und nahm die beiden FDP-Anträge daraufhin von der Tagesordnung. Begründung sinngemäß: Wenn die Anträge, wie Stockmaier ja monierte, nicht vollständig vorliegen würden, dann seien sie auch nicht entscheidungsreif. So wurden die beiden FDP-Anträge dann vergangene Woche im Kreisausschuss nicht behandelt, und konnten deshalb auch gestern im Kreistag kein Thema sein. So hatte die FDP also letztlich zwei Anträge geopfert, um dafür harsche Kritik am Landrat zu üben.
Eine Fortsetzung erfuhr der Wirbel dann gestern Nachmittag in der Sitzung des Kreistags. „Wegen fehlender Vorverhandlung“, erläuterte Wolf, seien die Tagesordnungspunkte zwei und drei – eben die beiden FPD-Anträge – abgesetzt. Stockmaier beantragte nun, dass die beiden Anträge dennoch behandelt werden. „Wir haben das juristisch geprüft“, leitete Wolf über und ließ dann den Hausjuristen des Landkreises die Details ausführen. Der erklärte unter Berufung auf die Geschäfts- und Landkreisordnung, dass die FDP-Anträge nicht behandelt werden könnten, weil sie ja im Kreisausschuss auch nicht behandelt worden seien. Es gäbe allerdings zwei Ausnahme-Möglichkeiten. Erstens: Wenn alle Kreistagsmitglieder anwesend seien und zustimmten – was ausschied, da sechs Kreisräte fehlten. Zweitens: Wenn Dringlichkeit gesehen werde, was aber nicht der Fall war.
Diese Vorgehensweise sei auch mit der Regierung von Oberbayern abgestimmt, ergänzte Wolf – wohl schon ahnend, dass da eventuell noch was nachkommen könnte. Und der Landrat wollte auch nicht unerwähnt lassen, dass die Prüfung der gesamten Angelegenheit drei bis vier Manntage von Juristen gekostet habe.
Was Stockmaier nun wiederum wundert, ist: „Auf der an die Kreisräte verschickten Tagesordnung waren die Anträge noch aufgeführt.“ Vor allem aber kritisiert er: „Da nun die Bearbeitung der ursprünglichen Anträge im Kreistag verhindert wurde – genau wie bei den Anträgen zum Weiterbildungsverbund und zum Bildungssparbuch – wurde eine Initiative zum Wohl der Ilmtalklinik und deren Mitarbeiter vereitelt.“ Anscheinend, so die FDP weiter, hätten Wolf und die CSU „kein großes Interesse daran, Verbesserungen in der Ilmtalklinik zuzulassen“. Und abschließend erklärt Stockmaier: „Durch den fragwürdigen Führungsstil im Landratsamt werden nicht nur Personalkosten verschwendet, sondern auch die Rechte und die Würde der Kreisräte verletzt.“ Und man darf befürchten, dass in dieser Angelegenheit noch nicht das letzte Wort gesprochen und geschrieben ist.
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