Auf Muster-Betrieb bei Pfaffenhofen 260 Prozent mehr Biomasse im Vergleich zu konventionellem Versuchs-Hof. Weitere Erkenntnis: Biodiversitäts-fördernde Maßnahmen wirken schnell.
(ty) In Zusammenarbeit mit der "Zoologischen Staatssammlung München" (ZSM) und den "Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns" (SNSB) hat der Pfaffenhofener Babynahrungs-Hersteller Hipp die Insekten-Vielfalt auf ökologisch und konventionell bewirtschafteten Flächen untersucht. "Es ist weltweit die erste Studie, die durch DNA-Metabarcoding eine umfassende qualitative Analyse ermöglicht", heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Bisherige Erkenntnisse: "Die ökologische Landwirtschaft bietet mit einer um 260 Prozent höheren Biomasse einen deutlich besseren Lebensraum für zahlreiche Insekten als die konventionelle. Auch gefährdete Tierarten haben hier mehr Überlebens-Chancen." Und vor allem, heißt es weiter: "Die Natur erholt sich schnell. Bereits ein Jahr nach der Umsetzung biodiversitäts-fördernder Maßnahmen nimmt die Vielfalt auf bislang konventionell betriebenen Flächen wieder zu."
Die Biomasse der Fluginsekten gehe seit Jahren in ganz Europa drastisch zurück. Da die kleinen Insekten und Bestäuber besonders empfindlich auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel reagierten, sei vor allem die konventionelle Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen ein großer Treiber dieser alarmierenden Entwicklung. "Die Biomasse aller Fluginsekten ist innerhalb von rund 30 Jahren um mehr als 70 Prozent zurückgegangen", mahnt Dr. Axel Hausmann von der Zoologischen Staatssammlung München, der die Studie "Hipp Projekt Insekten-Vielfalt" in Zusammenarbeit mit dem gleichnamigen bayerischen Familienunternehmen leitet. "Diesen Schwund nur einfach so hinzunehmen, wäre fatal", ergänzt Stefan Hipp.
Die Goldene Acht (Colias hyale) bringe jährlich bis zu drei Generationen hervor. Der Falter bevorzuge naturnahe und blütenreiche Wiesen. Vor allem Luzerne und Klee, die immer seltener als Gründünger angebaut würden, dienten der Goldenen Acht als Lebens- und Nahrungs-Grundlage.
"Der komplette ökologische Kreislauf, nicht zuletzt wir Menschen, sind von zahlreichen Insektenarten abhängig. Diese Abhängigkeit zeigt sich vor allem in der Nahrungsmittel-Produktion", so Hipp. Deshalb hatte das Traditions-Unternehmen aus Pfaffenhofen die Studie, die den Einfluss von ökologischem und konventionellem Landbau auf die Biodiversität untersucht, schon vor fast vier Jahren angestoßen. Hierfür werden Fliegen, Hautflügler, Käfer, Schmetterlinge und zahlreiche weitere Insekten gesammelt, identifiziert und präpariert. Hausmann begrüßt diese Inititative und betont, dass "das Aufsammeln der Insekten nicht zum Selbstzweck erfolgt", sondern für eine wissenschaftliche Evaluation elementar wichtig sei. Schließlich würden auf diese Weise vom Aussterben bedrohte Insektenarten dokumentiert, Schutzmaßnahmen definiert und realisiert, wodurch die Arten der Nachwelt erhalten blieben.
Die Wissenschaftler konnten, so wurde jetzt erklärt, mittels DNA-Metabarcoding rund 20 Millionen DNA-Sequenzen untersuchen und hieraus wiederum mehr als 500 000 genetische Cluster, ausgewertet aus rund drei Millionen Datenfeldern, feststellen. Diese Studie erweitere und ergänze die wissenschaftlichen Erkenntnisse der "Krefelder Studie zum Insekten-Rückgang" aus dem Jahr 2017 durch Anwendung modernerer Methoden, so Hausmann. Schließlich sei es den Forschern damit weltweit erstmals gelungen, die Auswirkung unterschiedlicher landwirtschaftlicher Nutzungen quantitativ und qualitativ mit molekularen Methoden umfassend zu untersuchen. "Mit bemerkenswerten Ergebnissen", wie es heißt. Auf dem Hipp-Musterbetrieb für biologische Vielfalt, dem "Ehrensberger Hof" in der Nähe von Pfaffenhofen, sei bei der Erfassung im Jahr 2018 im Vergleich zum konventionellen Versuchshof 260 Prozent mehr an Biomasse festgestellt worden.
Der Schwalbenschwanz zählt zu den besonders gefährdeten Arten.
"Insgesamt 21 Prozent mehr Insektenarten sowie 60 Prozent mehr Schmetterlingsarten fanden auf den ökologisch bewirtschafteten Flächen Lebensraum – darüber hinaus die doppelte Anzahl laut Roter Liste gefährdeter Arten", wurde heute mitgeteilt. "Insgesamt konnten dort von den zirka 25 000 in Bayern bislang erfassten Insektenarten rund 7500 nachgewiesen werden." Um die Untersuchungen durchzuführen, setzten die Wissenschaftler der "Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns" sowie der Schmetterlings-Forscher Thomas Greifenstein den Angaben zufolge im Jahr 2018 auf je zwei Malaise-Fallen auf dem Bio-Hof und auf dem konventionellen Hof. Seit 2019 kämen insgesamt 20 Fallen zum Einsatz. Unterstützend hierzu seien Lampen mit hohem UV-Anteil, so genannte Lichtfallen, zum Fang von Nachtschmetterlingen eingesetzt worden.
"Diese Ergebnisse zeigen ganz deutlich, dass die Bewirtschaftungsform landwirtschaftlicher Flächen von enorm hoher Relevanz für die Insekten-Vielfalt und das gesamte Öko-System ist", so Hausmann. Da beispielsweise alleine in Bayern rund 45 Prozent der Gesamtfläche landwirtschaftliche Gebiete und rund ein Drittel davon wiederum so genanntes Dauergrünland seien, sei ein Umdenken im Bereich der konventionellen Landwirtschaft enorm wichtig und für die positiven Auswirkungen auf die Artenvielfalt entscheidend. "Hierfür benötigen die Landwirte keine Jahrzehnte", ermutigt Hausmann: "Bereits nach einem Jahr, in welchem sie beispielsweise auf mineralische Stickstoff-Dünger verzichten, beginnt sich die Natur spürbar zu erholen und zahlreiche Insekten siedeln sich auf der Wiese oder dem Acker wieder an."
Der Hauhechel-Bläuling (hier ein Weibchen) fühlt sich in unterschiedlichen Lebensräumen wohl. Am häufigsten sei er auf offenen Landschaftsteilen zu finden, vor allem auf ungedüngten und blütenreichen Wiesen sowie auf offener Feldflur.