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"Die Apokalyptische Frau": 1623 hatte der Meister die Ölskizze dem Bischof geschickt. Bis 1803 war sie im Besitz des Klosters Neustift, ehe sie auf weite Wanderschaft und durch viele Hände ging.

Von Kreisheimatpfleger Dr. Bernd Feiler

Kein geringerer als Peter Paul Rubens schuf 1625 das Hochaltarbild des Freisinger Domes – "Die Apokalyptische Frau". Bis 1803 besaß das Kloster Neustift eine Farbskizze des Gemäldes. Diesen Entwurf hatte Rubens 1623 seinem Auftraggeber, dem Freisinger Bischof Veit Adam von Gepeck, als Orientierungshilfe geschickt. Das Bild ist heute im J.-Paul-Getty-Museum in Los Angeles-Brentwood zu sehen. Dorthin ist es nach einer langen, fast 180 Jahre währenden Reise mit Stationen in München, London, Hamburg, Budapest, Paris und Zürich gekommen. Zum Teil illustre Persönlichkeiten waren zeitweise Besitzer des Bildes.

 

Die Isar hinauf nach München

Am 19. April 1803, vier Tage vor der offiziellen Aufhebung der Prämonstratenser-Abtei Neustift, durchstreifte Georg von Dillis die Räume des Klosters und erstelle ein genaues Verzeichnis aller sich dort befindenden Gemälde und Grafiken. In den Zimmern des Abtes, dem heutigen Büro des Landrates, fiel ihm wohl sofort eine Ölskizze mit der Darstellung der "Apokalyptischen Frau" von Peter Paul Rubens auf. Dillis hielt das auf einer Holztafel gemalte kleinformatige Bild für eine Kopie eines unbekannten Malers und taxierte es dementsprechend mit nur einem Gulden.

Wie zahlreiche andere Bilder und Grafiken verließ die Tafel das Kloster Neustift in Richtung München. Dort wurde es im August 1804 gemeinsam mit weiteren Neustifter Kunstwerken auf einer Auktion angeboten. Es fand sich jedoch kein Interessent für das Gemälde, deshalb erwarb im Nachverkauf der aus Frankreich stammende Kunsthändler Nathan das Gemälde. Er hatte wohl die Qualität der Malerei und die Urheberschaft der Rubens-Werkstatt sofort erkannt.

Die Reise über den Ärmelkanal

Vermutlich fand Nathan schon bald einen interessanten Käufer für die Ölskizze: Kurze Zeit später besaß nämlich der berühmte amerikanische Maler Benjamin West das Rubens-Gemälde aus Neustift. West war 1763 in London sesshaft geworden und hatte dort als Künstler großen Ruhm erworben. Viele Jahre stand er der "Royal Academy of Arts" als Präsident vor.

Nach Wests Tod erstand aus dessen Nachlass ein gewisser Mr. Baker das Neustifter Rubens Bild. Es folgten Zwischenstationen in unbekannten Privat-Sammlungen, bis der irische Politiker und Großgrundbesitzer Edmund Maghlin Blood die Ölskizze 1868 für seine Kollektion kaufte. Blood war ein Nachfahre des berüchtigten Thomas Blood, der einst versucht hatte, die englischen Kronjuwelen zu stehlen.

Von der Alster an die Donau und zur Seine

Noch zu Lebzeiten veräußerte 1887 Edmund Blood die Ölskizze aus Neustift durch die Vermittlung Wilhelm von Bodes an den Hamburger Unternehmer und Kunstfreund Eduard Weber, der die größte Gemälde-Sammlung alter Meister in Deutschland besaß. Weber ließ sein Wohnhaus an der Alster im Hamburger Stadtteil St. Georg um ein Privat-Museum erweitern, das als "Galerie Weber" öffentlich zugänglich war. Deren Bestand kam 1912 unter den Hammer, denn die Stadt Hamburg hatte sich nicht entschließen können, die Sammlung des mittlerweile verblichenen Weber anzukaufen.

Für 55 000 Mark ersteigerte nun der ungarische Finanzmagnat und Kunstliebhaber Marczell de Nemes "Die Apokalyptische Frau" aus Neustift. Diese erfreute de Nemes aber nur kurze Zeit. Finanzielle Engpässe zwangen ihm zum baldigen Verkauf des Bildes über den Pariser Kunsthandel. Und so bereicherte ab 1917 das Gemälde Rubens die Kunstsammlung des venezianischen Unternehmers Federico Gentili di Giuseppe. Dieser residierte zu Paris in einem Palais an der Avenue Forch. Nach nur zwei Jahren ging das Gemälde erneut auf Wanderschaft, blieb aber an der Seine. Der neue Besitzer hieß jetzt Bousquart, seine genaue Identität ist bislang noch nicht entdeckt. Vielleicht war er Kunsthändler oder Privatsammler.

Am Ufer der Limmat

Bousquart bot 1938 das Neustifter Rubensbild dem international agierenden Verleger und Kunsthändler Walter Feilchenfeld an. Dieser war vor den Nationalsozialisten in die Schweiz geflohen und führte von Zürich aus seinen Kunsthandel. Vermutlich zählte dort der Industrielle Alfred Hausammann zu seinen Kunden. Hausammann war einer der führenden Textil-Unternehmer der Schweiz und ein leidenschaftlicher Kunstsammler. Über 40 Jahre verbliebt das Rubensbild im Besitz der Familie Hausammann. Walter Feilchenfeld Junior vermittelte dann 1984 den Verkauf des Rubens-Gemäldes an das Getty-Center in Los Angeles.

Über den großen Teich

Das im dortigen Nobelquartier Brentwood gelegene Kunstmuseum bewahrt heute die Tafel aus dem Freisinger Stadtteil Neustift. Das Gemälde trägt die Inventar-Nummer 85.PB.146 und kann unentgeltlich in der Ostgalerie des Museums besichtigt werden. Aus einer Augenweide für aristokratische und bürgerliche Sammler ist damit ein Kunstwerk für alle geworden.


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