IG-Bau verweist auf Daten zur "Finanz-Kontrolle Schwarzarbeit" des Zoll, kritisiert "staatliches Zuständigkeits-Wirrwarr" und will "Sündenregister für Schwarzarbeit".
(ty) Unsaubere Praktiken im Visier: Das Hauptzollamt Augsburg, das auch für den Landkreis Pfaffenhofen zuständig ist, hat im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 800 Arbeitgeber in der Region kontrolliert. Im Fokus der Fahnder dabei: illegale Beschäftigung, Sozialbetrug und Verstöße gegen geltende Mindestlöhne. Allein Baufirmen bekamen über 200 Mal Besuch von der "Finanz-Kontrolle Schwarzarbeit" (FKS) des Zoll, wie die Industrie-Gewerkschaft "Bauen, Agrar, Umwelt" (IG-Bau) mitteilt. Sie beruft sich dabei auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Bundestags-Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Grüne) und fordert einen höheren Kontroll-Druck auch im Kreis Pfaffenhofen.
Laut den von der Gewerkschaft in Erfahrung gebrachten Daten hatten es die Augsburger Zöllner häufig mit Tricksereien beim Lohn zu tun: In der ersten Jahreshälfte leiteten sie laut IG-Bau in der gesamten Region 386 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten ein – etwa, weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden. Hierbei seien Bußgelder in Höhe von rund 590 000 Euro verhängt worden – davon 164 000 Euro gegen Bauunternehmen. "Die Zahlen zeigen, dass es viele Firmen mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so genau nehmen. Sowohl bei den speziellen Branchen-Mindestlöhnen wie auf dem Bau als auch beim gesetzlichen Mindestlohn", kritisiert Harald Wulf, der oberbayerische Bezirks-Vorsitzende der IG-Bau.
Der Gewerkschafter begrüßt die Pläne der Ampel-Koalition in Berlin, das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro pro Stunde anzuheben. "Allein im Kreis Pfaffenhofen dürften damit die Einkommen Tausender Menschen spürbar steigen", so die IG-Bau. Allerdings müsse der Staat sicherstellen, dass sich die Firmen auch an die Vorschriften hielten – und für einen "höheren Kontroll-Druck" sorgen, fordert die Gewerkschaft. Das gelinge jedoch nur, wenn die FKS beim Hauptzollamt Augsburg personell erheblich aufgestockt werde.
"Klettert der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro und bleibt es gleichzeitig bei der bisherigen Kontrollquote, ist die Gefahr für Arbeitgeber, bei Mindestlohn-Verstößen ertappt zu werden, verschwindend gering. Da muss man dann schon von reinen Placebo-Kontrollen sprechen", so Wulf. "Nach Angaben des statistischen Bundesamts würden in Deutschland 7,2 Millionen Beschäftigte von einer Mindestlohn-Erhöhung auf zwölf Euro profitieren", erklärt die Gewerkschaft. "Das sind 7,2 Millionen Lohntüten, auf die der Staat zusätzlich einen Blick werfen muss", betont Wulf.
Die IG-Bau kritisiert zudem ein "staatliches Zuständigkeits-Wirrwarr" bei den Kontrollen. Das führe häufig dazu, dass Missstände ungeahndet blieben. So seien etwa die Arbeits-Schutz-Behörden, die über die Einhaltung der Sicherheits-Vorschriften und Standards bei Unterkünften ausländischer Beschäftigter wachen, personell unterbesetzt. Außerdem hätten sie im Zuge der Pandemie weitere Aufgaben – wie die Kontrolle der Home-Office-Verordnung – bekommen. Die FKS des Zoll hingegen kümmere sich um die Prüfung von Lohn- oder Steuer-Abrechnungen. Bei Verstößen verhänge die FKS zwar Sanktionen gegen die Firmen. Bauarbeiter müssten sich dann aber um den Lohn, um den sie geprellt wurden, selbst kümmern.
"Perspektivisch brauchen wir eine staatliche Arbeits-Inspektion, die als übergeordnete Behörde die Einhaltung der Arbeitnehmer-Rechte und Sozial-Vorschriften sicherstellt", findet Wulf. Eine solche "Arbeits-Kontrolle aus einer Hand" habe sich etwa in Frankreich und Spanien bewährt. Entscheidend sei hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: "Wenn Gewerkschaften oder Betriebsräte Hinweise an die Arbeits-Inspektion herantragen, muss dies ebenfalls zu Ermittlungen führen", so Wulf. Außerdem müsse die Behörde etwa bei Mindestlohn-Verstößen Nachzahlungen an Beschäftigte veranlassen dürfen.
Die IG-Bau setzt sich außerdem dafür ein, auffällig gewordene Firmen von der öffentlichen Auftrags-Vergabe auszuschließen. "Wir brauchen ein Sündenregister für Schwarzarbeit – eine öffentliche Kartei, in der die Betriebe aufgelistet werden, deren Geschäftsmodell auf illegaler Beschäftigung und Lohn-Prellerei beruht", findet Wulf.