Auswertung einer Umfrage im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zeigt, wie Eltern und Fachkräfte die Situation einschätzen.
(ty) Im November vergangenen Jahres hatten das Gesundheitsamt des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen, die offenen Hilfen und der Verein zur Frühförderung einen Online-Fachtag zum Thema "Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen" abgehalten und über die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie gesprochen. Begleitend dazu erfolgte eine Online-Befragung, an der sich Eltern und Fachkräfte aus dem Landkreis beteiligt haben. Jetzt berichtet das Landratsamt von den Ergebnissen der Auswertung.
"Mit der Online-Umfrage wollten die Veranstalter einen Eindruck davon bekommen, wie Eltern und Fachkräfte die Situation ihrer Kinder einschätzen", erklärt die Kreis-Behörde. "Dabei konnten sie über positive aber auch belastende Veränderungen während der Pandemie berichten." Auch wenn die Zahl der Umfrage-Teilnehmer keine repräsentativen Rückschlüsse zulasse, haben sich die fast 100 Erwachsenen den Angaben zufolge ganz ähnlich geäußert wie die Teilnehmer der bundesweiten Copsy-Studie (Studie zu Corona und Psyche am Universitäts-Klinikum Hamburg-Eppendorf).
Demnach berichten die Umfrage-Teilnehmer aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, dass der Medien-Konsum von Kindern stark angestiegen sei, während die Bewegung an der frischen Luft oder in den Vereinen drastisch abgenommen habe. "Mehr als zwei Drittel der Befragten berichteten von belastenden psychischen Veränderungen wie Stimmungs-Schwankungen, Angst-Störungen, Schlaf-Problemen und Unsicherheiten der Kinder", fasst das Landratsamt in einer aktuellen Presse-Mitteilung zusammen. Diesen Eindruck habe beim genannten Fachtag auch der Chefarzt der Kinder- und Jugend-Psychiatrie, Dr. Simon Mayer, bestätigt.
Der Experte habe beobachtet, dass vor allem Ess-Störungen, Zwangs-Störungen und Selbstverletzungen oder gar Suizid-Versuche deutlich zugenommen haben. Dabei sei aufgefallen, dass plötzlich Kinder aus der gehobenen Mittelschicht mitunter schwer unter Schulschließungen und Lock-Down gelitten hatten und psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen mussten. Die fehlende Tagesstruktur sei neben den Kontakt-Beschränkungen eine große Herausforderung gewesen. Gerade im Jugendalter fehlte die Möglichkeit, sich mit Freunden zu treffen oder einen Verein zu besuchen. "Die Schutzfaktoren die normalerweise vor Stress schützen, sind dabei weggebrochen", beschreibt Mayer die Konsequenzen.
Sieben von zehn Kindern gaben den Angaben zufolge an, dass ihre Lebensqualität unter den Einschränkungen leide. Dass sich daraus zum Teil neue Hobbys oder Interessen entwickelt haben, haben immerhin knapp 30 Prozent der Befragten angegeben. Durch den zwangsläufigen Rückzug konnte – so heißt es weiter – im besten Fall die Zeit für Malen, Musik, Lesen, Basteln oder Spielen genutzt werden. Das und die Option auf Home-Office fanden laut Landratsamt-Zusammenfassung besonders Familien mit kleineren Kindern sehr schön: Es sei wieder Raum für die kleinen Dinge, für Waldspaziergänge und mehr Freizeit.
Auch Herbert Renz-Polster, renommierter Kinderarzt und Buchautor, hatte an der Fachtagung im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen teilgenommen. Sein Eindruck: "Gestresste Kinder lernen nicht!" Und: "Bildung braucht leuchtende Augen!" Für die Schulen sei es deshalb wichtig, jetzt nicht zu viel Leistungsdruck aufzubauen. Vielmehr bräuchten Kinder das Gefühl von Sicherheit, Gemeinschaft und Struktur. Tagungs-Referentin und Bildungs-Expertin Margret Rasfeld erwarte von der Schule ebenfalls mehr als Leistungstest und Wissens-Vermittlung. Ansätze von "Schule im Aufbruch" könnten wichtige Ankerpunkte geben: Kooperationsfähigkeit, Kreativität, Empathie, Eigenverantwortung und die Bereitschaft zu Engagement durch eigene Motivationen und Lösungs-Kompetenz.
Auf die Frage, warum sie dieses Thema auf die Agenda gesetzt hatte, berichtet Johanna Ehm, Sozialpädagogin am Gesundheitsamt des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen und selbst Mutter von zwei Söhnen im Jugend-Alter: "Im Wirrwarr der Pandemie-Bewältigung haben wir unseren Kindern und Jugendlichen über einen langen Zeitraum viel zugemutet: Masken und Pflicht-Programme in der Schule, fehlende Sozialkontakte und schier kein Raum für so dringend nötige Entwicklungs-Aufgaben in der Pubertät. Es ist Zeit, den Blick auf die Situation der jungen Generation zu richten." Die Ergebnisse der Studie sind einzusehen unter www.neuburg-schrobenhausen.de/fachtag.
Die Sicht der Eltern ist in dunkelgrüner Farbe dargestellt, die der Fachkräfte in hellgrüner Farbe.