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Heiligabend und Weihnachten im Hohen Dom zu Augsburg: "Wir brauchen Christus, den Retter und Erlöser, das Haupt der ganzen Schöpfung."

(pba) "Stille Nacht" und das Jesuskind in der Favela: In seinen Predigten zu Christmette und Weihnachtsfest im Hohen Dom von Augsburg hat Bischof Bertram Meier den Kern der Weihnachts-Botschaft in unterschiedlicher Weise gefunden. Der Wunsch nach Rettung und Heilung habe sich an Weihnachten erfüllt: "Christ der Retter ist da!" In der letzten Zeit sei das Wort der "Rettung" oft gebraucht worden, begann der Bischof seine Predigt im von zahlreichen Kerzen hell erleuchteten Dom.

Rettungspakete seien geschnürt und Rettungsschirme aufgespannt worden, und doch: Inflation, knappe Energie und hohe Heizungskosten brächten viele Menschen an den Rand des Ruins. "Wirklich eine schöne Bescherung, und dann: O du fröhliche Weihnachtszeit?!" Zwischen Krieg und Krisen sei klargeworden, dass die menschenverachtende Gier nach Geld und Macht der Menschheit "nicht bleibendes Glück, nicht erfüllendes Leben, sondern Kollaps, Unheil, ja Tod" gebracht habe, so der Oberhirte der Diözese Augsburg, zu der auch Teile des Landkreises Pfaffenhofen gehören.

Während man in der Ukraine Weihnachten im Dunkeln und bei klirrender Kälte feiern müsse, singe man in Deutschland von der "stillen Nacht", und während hierzulande Gott "im Gehen" zu sein scheine, "hinauskomplimentiert von den Eigengesetzlichkeiten von Wirtschaft und Geld, von Welt und Gesellschaft", spräche das beliebteste Weihnachtslied aller Zeiten davon, dass "Christ, der Retter" nun da sei.

Wenn Gott aber im Gehen sei, so kämen stattdessen die Götzen von Geld und Macht, betonte der Bischof. Die vergangene Zeit aber habe klargemacht, dass Glück und Lebenssinn nicht allein im Materiellen entstünden. "Gott war im Gehen, heute an Weihnachten ist er wieder im Kommen. Gott ist nicht out, er ist voll in. Lassen wir ihn herein! An Weihnachten feiern wir seine Gegenwart: Immanuel, Gott mit uns. Christ, der Retter ist da!"

Es sei kein Zufall, dass die Geburt Jesu in eine der längsten Nächte des Jahres falle, predigte der Bischof weiter: "Diese Nacht ist heute. Doch im wirklichen Leben richtet sie sich nicht nach dem Kalender. Jeder Mensch erlebt seine Nächte zu individuellen Daten und Zeiten. Die dunklen Nächte dauern oft lang: Es sind unübersichtliche Zeiten, mit einigem Schwarz und noch viel mehr Grau." Dies werde auch an der Entstehungsgeschichte von "Stille Nacht" ersichtlich: Das Lied wurde während einer Hungersnot und angesichts einer defekten Orgel als Notlösung geschrieben und ging seitdem, in hunderte Sprachen übersetzt, über die ganze Welt.

"Christ, der Retter ist da", bedeute aber auch, dass die Menschheit zu ihrer eigenen Teilnahme am Rettungswerk Gottes aufgerufen seien. Mit Blick auf den Zorn und die hohen Ideale der "Letzten Generation" müsse aber auch betont werden, dass der Mensch sich selbst eben nicht alleine retten könne: "Nicht der Mensch rettet die Welt, kein Mensch ist der Heiland. Da überheben wir uns gewaltig. Wir brauchen Christus, den Retter und Erlöser, das Haupt der ganzen Schöpfung."

Die Welt werde letztendlich nicht durch kaltes Kalkül oder gewagte Aktionen gerettet, sondern durch Liebe – jene Liebe, die Gott der Welt gegenüber empfand, als er seinen einzigen Sohn in sie hineingab. Oder wie der "King of Pop", Michael Jackson, einst sang: "Heal of the world, heal the world" – "Dieser Wunsch hat sich an Weihnachten erfüllt: Christ der Retter ist da!"

Kinder bringen das Jesuskind zur Krippe.

Die Christmette, die Bischof Bertram Meier gemeinsam mit Weihbischof Josef Grünwald und Dompfarrer Armin Zürn feierte, wurde live auf a.tv und allgäu.tv übertragen sowie im Internet gestreamt. Musikalisch wurde der nächtliche Festgottesdienst durch den Domchor mit dem Domorchester und den Domsingknaben unter der Leitung von Stefan Steinemann gestaltet, die die beliebte Pastoralmesse des Augsburger Komponisten und Domkapellmeisters Karl Kempter (1819-1871) intonierten.

Am ersten Weihnachts-Feiertag rückte Bischof Meier den Fokus seiner Predigt dann auf die Schwierigkeiten und Schmerzen, die mit der Menschwerdung Gottes verbunden waren. Dies sei etwa in einer den örtlichen Lebensrealitäten angepassten Weihnachts-Geschichte zum Ausdruck gekommen, die er vor Jahren im brasilianischen Timbaúba hören durfte: Darin wird das Jesuskind in die Favela hineingeboren, in eine Pappschachtel gelegt und von Müllmännern aufgesucht.

"Weihnachten macht sensibel für das Leben – für die Würde eines jeden Menschen, wie immer er geschaffen ist", betonte Meier. Dies habe er in Rom spüren können, wo Krippen-Ausstellungen beim Petersdom und schlafende Obdachlose direkt nebeneinander zu finden seien, und auch im bayerischen Pöttmes, wo 2008 eine rumänische Erntehelferin ihr frischgeborenes Kind in die leere Krippe der Pfarrkirche gelegt hatte: "In ihrer Not trug die Mutter eine Ahnung und zugleich eine Sehnsucht in sich, wo ihr Sohn gut aufgehoben ist: nicht auf der Bank, wo es um Konten und Kredite geht, nicht in einer Klinik, sondern in der Kirche, wo Gott zu Hause ist, der auch dem kleinsten und schwächsten Menschen Lebensrecht gibt."

Doch auch in der biblisch bezeugten Weihnachts-Geschichte sei kein Platz für romantische Verklärung: "Die viel besungene heilige Nacht war keine heile Welt, alles andere als gemütlich." Die Volkszählung des Kaisers Augustus sei eigentlich eine mit brutalen Mitteln durchgeführte Steuer-Eintreibung gewesen; Rücksicht auf die schwangere Maria habe in Bethlehem auch niemand genommen. "Die stille Nacht schrie zum Himmel. Nichts Verklärtes, kein klarer Sternenhimmel, sondern raue harte Wirklichkeit."

Gott sei in die Welt mit all ihren Licht- und Schattenseiten eingetreten und dortgeblieben; er habe sich an ein menschliches Leben mit all seinen Grenzen gebunden und sei schließlich unter Schmerzen verblutet am Kreuz: "Liebe, nichts als Liebe: Wer Krippe und Kreuz ausblendet, flieht vor der Liebe." Dies müsse Inspiration und Vorbild sein für Christen heute, die "schwanger wie Maria" gingen durch die Zeit und ein Leben in sich trügen, das zum Licht kommen wolle: "Wir wollen nicht weglaufen. Wir wollen bleiben und helfen, dass Liebe und Leben zur Welt kommen können" – denn nur so bleibe es Weihnachten auch über Weihnachten hinaus.

Der erste Weihnachts-Feiertag, der unter anderem von den Weihbischöfen des Bistums mitgefeiert wurde, wurde ebenfalls online und im Fernsehen übertragen. Die Domsingknaben sowie ein Blasensemble begleiteten den Gottesdienst mit der "Missa a note negre" des franko-flämischen Renaissance-Komponisten Cipriano de Rore (1515/16-1565).


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