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Aktionstag zum Thema Gleichstellung in Pfaffenhofen: Auch der Landrat schlüpfte in einen Anzug, der körperliche Einschränkungen im Alter simuliert – obwohl er nach seiner Schulter-OP ohnehin gehandicapt ist

Von Tobias Zell

Es spricht für ihn, dass sich der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU) heute auch noch in seine eigene Zukunft versetzen ließ. In die Zukunft, wenn er mal viel älter ist, wenn die Beine schwerer werden, die Knie nicht mehr so wollen, wenn man schlechter hört und vielleicht noch schlechter sieht. Wenn alles deutlich langsamer geht und jede Bewegung Kraft kostet. Das testete Wolf heute auf dem Hauptplatz in der Kreisstadt am eigenen Leib, indem er sich einen so genannten Altersanzug anlegen ließ. Und das, obwohl der Kreischef ja nach seinem Schulterbruch und der nötigen Operation tatsächlich noch lädiert ist, seinen rechten Arm in einer Schlaufe trägt und wirklich gehandicapt ist. 

Mit diesem Altersanzug, der übrigens Gerd heißt, der Fehlsichtigkeit simuliert, das Hören erschwert und die Beweglichkeit reduziert musste Wolf dann noch ein paar kleinere Aufgaben erfüllen. Ein bisschen herumlaufen, sich unterhalten, sich dann hinsetzen und etwas schreiben. Und ja, so das Fazit des Landrats, das sei schon ein Unterschied, wenn man die zusätzlichen Gewichte an Armen und Beinen spüre, auf einmal schwer höre und schlecht sehe. Aber dieser „Gerd“ trug heute bei denen, die ihn probiert haben, sicher dazu bei, das Verständnis zu fördern. Nachzuvollziehen, wie es ist, wenn eben nicht mehr alles so reibungslos und zackig geht.

Der Altersanzug war nur ein Teil des Informationsangebots beim heutigen Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, der von 9 bis 13 Uhr auf dem Pfaffenhofener Hauptplatz stattfand – unter dem Motto: „Schon viel erreicht. Noch viel mehr vor.“ Bei verschiedenen Aktionen hatten die Bürger Gelegenheit, sich mit der Frage zu beschäftigen: „Wie kann das gleichberechtigte Miteinander in allen Lebensbereichen gelingen?

Neben dem Café Inklusion, das zu Gesprächen einlud, gab es die Möglichkeit, den Altersanzug anzuprobieren. Darüber hinaus wurde unter dem Motto „Rollentausch“ ein Rollstuhlparcours veranstaltet. Dabei hatten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die dafür im Rollstuhl Platz nahmen, mit Unterstützung von Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung verschiedene Aufgaben zu erledigen. Unter anderem machten Bürgermeister Thomas Herker, Kreisbaumeister Gunther Hasse, die ehemalige Dritte Bürgermeisterin Monika Schratt und Susanne Pfaller vom Bayerischen Rundfunk ihre Erfahrungen im Rollstuhl – mit bemerkenswertem Ergebnis. Lesen Sie dazu: "Polizei lässt Rollstuhlfahrer im Regen stehen"

Im Anschluss an diesen Rollentausch fand dann eine Podiumsdiskussion zum Erfahrungsaustausch im Rathaussaal statt. Die freiwilligen Rollstuhlfahrer berichteten von ihren Erlebnissen und zeigten auf, wo die Barrierefreiheit ihre Grenzen hat, wo es Probleme gibt und wo in der Stadt die Tücken für Rollstuhlfahrer sind. Neben den genannten Aktionen spielte auch eine Musikgruppe der Familia-Wohngruppen.

Die Veranstaltung fand im Rahmen des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung statt, der 1992 zum ersten Mal begangen wurde. Organisatoren waren die Offenen Hilfen des Heilpädagogischen Zentrums Pfaffenhofen, die Lebenshilfe-Werkstätten der Region 10, die Offenen Hilfen der Regens-Wagner-Stiftung Pfaffenhofen sowie die Behindertenbeauftragte des Landkreises. Weitere Teilnehmer waren die Psychosoziale Beratungsstelle der Caritas Pfaffenhofen, das Bündnis für Familie des Landkreises, Pro Familia Ingolstadt sowie die VHS Pfaffenhofen.

Landrat Wolf eröffnete den Aktionstag und ging in seiner Begrüßung auch auf die Hauptaufgabe der Behindertenbeauftragten des Landkreises, Andrea Lindner-Kumpf, ein – nämlich, den Kreis in Fragen der Behindertenpolitik, insbesondere bei der Umsetzung des bayerischen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes sowie der Beachtung der UN-Konventionen über die Rechte von Menschen mit Behinderung zu unterstützen.

SPD-Stadtrat Markus Käser beim Rollentausch: Er setzte sich heute neben einigen anderen freiwillig in den Rollstuhl, um die Stadt aus diesem Blickwinkel unter die Lupe zu nehmen.

Ein Schwerpunkt ist dabei laut Wolf die Einhaltung von Barrierefreiheit, insbesondere bei öffentlichen Bauten, öffentlichen Plätzen, Straßen und Wegen sowie die Beratung von Einzelpersonen über Zuständigkeiten von Ämtern und Vermittlung von Kontakten. Wichtig sei ebenfalls die Vertiefung der Zusammenarbeit mit den gemeindlichen Behindertenbeauftragten vor Ort und die Ermittlungen, in welchen Bereichen weiterhin Verbesserungen oder Veränderungen angestrebt werden müssten.

Das Amt der Behindertenbeauftragten, so Wolf weiter, sei die Wahrnehmung und Förderung der besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen. Der Auftrag untergliedere sich in Gleichstellung, Teilhabe und Selbstbestimmung behinderter Menschen. Die Leitgedanken seien: Barrierefreiheit, Gleichberechtigung und Kooperation.

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