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Acht Personen des öffentlichen Lebens haben sich heute freiwillig in einen Rollstuhl gesetzt und die Barrierefreiheit in Pfaffenhofen getestet – mit bemerkenswerten Ergebnissen

Von Tobias Zell 

Als Rollstuhlfahrer hat man es in Pfaffenhofen mitunter nicht leicht. Die hiesige Polizei lässt einen offenbar im Regen stehen, Busfahren kann zum Abenteuer werden, eine Toilette kann sich als Falle entpuppen, ein Aufzug gerät zur dunklen, engen Kiste und Umwege müssen ohnehin in Kauf genommen werden. Das sind einige der Erkenntnisse, die heute bei der Aktion Rollentausch gesammelt wurden.

Im Rahmen des Aktionstags zum Thema Gleichstellung stiegen am heutigen Samstag, 12. Mai, acht Personen des öffentlichen Lebens freiwillig in einen Rollstuhl und erkundeten die Stadt aus dieser für sie ungewohnten Perspektive: Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD), SPD-Fraktionschef Markus Käser, die ehemalige Dritte Bürgermeisterin Monika Schratt (Grüne), Stadträtin Brigitte Axthammer (CSU), Stadtrat Manfred „Mensch“ Mayer (GfG), Kreisbaumeister Gunther-F.-L. Hasse und Susanne Pfaller vom Bayerischen Rundfunk sowie Elke Dürr, die Leiterin des Sachgebiets Familie, Jugend und Bildung am Landratsamt.

Gleich gehts los: Landrat Wolf bei der Begrüßung zum Aktionstag.

Sie alle waren heute für einige Stunden im Rollstuhl durch Pfaffenhofen unterwegs und hatten – wie bei einer Art Check – verschiedene Aufgaben zu bewältigen und unterschiedliche Örtlichkeiten aufzusuchen. Am Ende berichtete das Oktett bei einer Diskussionsveranstaltung im Festsaal des Rathauses von seinen Erfahrungen, Erlebnissen und Erkenntnissen: Manches ging im Rollstuhl vergleichsweise problemlos, vieles wurde zur Herausforderung, einiges war nur mit Hilfestellung zu meistern und weniges war gar nicht zu schaffen.

Berichteten von ihren Erlebnissen als Rollstuhlfahrer: Manfred "Mensch" Mayer (von links), Thomas Herker, Monika Schratt, Gunther Hasse, Simone Pfaller, Manfred Hegenauer, Brigitte Axthammer, Markus Käser, Elke Dürr. Im Hintergrund wurden aktuelle Fotos gezeigt, die die Problemstellen dokumentierten und veranschaulichten.

Elke Dürr vom Landratsamt sorgte mit ihrem Bericht für erstaunte Gesichter. Die Pfaffenhofener Polizeiinspektion hat demnach nämlich offenbar ein echtes Problem, wenn ein Rollstuhlfahrer kommt. Einen barrierefreien Behinderten-Eingang gibt es nicht, musste Dürr feststellen. Wenn ein Rollstuhlfahrer zur Inspektion wolle, dann komme er schlicht nicht rein. Es würde dann jemand zu ihm rauskommen, habe man ihr mitgeteilt. Allerdings steht der Rollstuhlfahrer dann im wahrsten Sinne des Wortes im Regen, so Dürr. Denn eine Überdachung sei da nicht. Und wenn ein längeres Gespräch oder eine Vernehmung ansteht? Dann müsse man das mit dem Rollstuhlfahrer im Hof oder in einer Garage führen, hat Dürr in Erfahrung gebracht. So war dann schnell die zugespitze Feststellung "Polizei lässt Rollstuhlfahrer im Regen stehen" geboren.

Bürgermeister Thomas Herker als freiwilliger Rollstuhlfahrer im Stadtbus.

Im Landratsamt ist die Barrierefreiheit für Besucher gut gelöst, hat Dürr über das eigene Haus festgestellt. Doch hier kam prompt ein Einwand aus dem Auditorium: Die neue Geschäftsstelle des Kreisjugendrings liege im Hochparterre und sei nur über eine Treppe zu erreichen – ähnlich wie die Räume im Rentamt. 

Bürgermeister Herker sammelte heute erste Rollstuhl-Erlebnisse beim Stadtbusfahren. Da stellte sich seinen Worten zufolge heraus, dass zwei Rollstühle gleichzeitig in einen Stadtbus gar nicht reinpassen – obwohl das laut Ausschreibung gehen müsste. Da werde man künftig ein besonderes Auge drauf haben, versicherte der Rathauschef sinngemäß – und damit hatte der heutige Rollentausch schon die erste Konsequenz. Eines stellte aber auch Herker klipp und klar fest: „Die Barrieren waren baulicher Art, an der Freundlichkeit der Leute ist es nicht gescheitert.“

Leute, die wirklich im Rollstuhl sitzen, konnten weitere wichtige Hinweise geben. 

Markus Käser hat ebenso positive Erfahrungen gemacht, was Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen anbelangt. Er sorgte indes für einen Lacher, als er von seinem Besuch in einem Zeitschriftenladen berichtete. Er hatte nämlich unter anderem die Aufgabe, sich nach einer Lektüre für Menschen mit Handicap zu erkundigen – empfohlen wurde ihm die „Bunte“. 

Aber auch wenn Käser recht locker über seine Rollstuhl-Tour berichtete und zum Beispiel mit Blick auf die Erreichbarkeit der angebotenen Klamotten in einem Laden befand: „Ich bin ja sonst auch nicht viel größer“ – ihm sind auch die Problemstellen nicht entgangen. Fahrzeuge, die auf dem Gehweg parken, werden für Rollstuhlfahrer ebenso zum Hindernis wie ungeeignete Rampen. Und über die B 13 komme man ohne fremde Hilfe definitiv nicht, berichtete er. Und apropos Klamotten: Die Umkleidekabine war auch zu eng.

Manfred „Mensch“ Mayer hat bei seiner Tour eine potenzielle Falle für Rollstuhlfahrer entdeckt: Die Toilette in der Sparkassen-Tiefgarage. Zwar komme man die Rampe zu dem WC relativ leicht hinunter, aber ohne Hilfe eben nicht mehr hoch. Obwohl er selbst auch Sportlehrer sei, hätte er es alleine nicht geschafft, so Mayer. Er schlägt deshalb vor, die Beschilderung und Stadtplan-Infos detaillierter zu gestalten: Zum Beispiel mit einem Hinweis darauf, wo man als Rollstuhlfahrer alleine hin- oder klarkomme und wo man Hilfe brauche.

Die Diskussionsveranstaltung war gut besucht.

Kreisbaumeister Hasse, den seine Aufgabe unter anderem an die Ilmtalklinik und an die Danuvius-Klinik verschlug, stellte die große Bedeutung der Beschilderung für Rollstuhlfahrer heraus. Brigitte Axthammer, die unter anderem in der Kreisbücherei war, lobte die hilfsbereiten Menschen – das Angebot an einfacher Lektüre für Erwachsene mit Handicap sei aber noch ausbaufähig. 

Susanne Pfaller war mit Manfred Hegenauer unterwegs, der seit 25 Jahren im Rollstuhl sitzt. Das Haus der Begegnung sei gut zu erreichen, so ihr Fazit. Allerdings berichtete Hegenauer auch von einem „abenteuerlichen Aufzug“ in dem Gebäude – in dem, wenn er geschlossen ist, nicht mal Licht sei. Außerdem brauche man für diesen Aufzug einen Schlüssel. Und noch eine kritische Stelle hat Pfaller entdeckt: Der Weg hoch zum Sparkassenplatz sei so gefährlich steil, dass er nur für wirklich geübte Rollstuhlfahrer zu empfehlen sei. 

„Zum ersten Mal in einem Leben lobe ich den Asphalt“, lautete ein Fazit von Monika Schratt nach ihrer Rollstuhl-Rundfahrt. Am Friedhof musste sie nämlich auch feststellen, dass es sich auf Kies praktisch nicht fahren lässt, weil die Räder durchdrehen. Gut ist, dass es auf dem Gottesacker eine behindertengerechte Toilette gibt – für die man allerdings auch erst mal einen Schlüssel braucht.

Schratt richtete die Bitte an die Stadtverwaltung, die Rillen des Pflasters am Hauptplatz auszufüllen. Bürgermeister Herker versicherte, dass die Gehbereiche verfugt werden. Übrigens haben alle acht Teilnehmer an der Aktion heute festgestellt, wie schon kleine Stufen und oft gar nicht bewusst wahrgenommene Kanten zum großen Hindernis werden, wenn man im Rollstuhl sitzt.

Rampe für Rollstuhlfahrer am Eingang zum Festsaal im Rathaus.

Die Ergebnisse des heutigen Tests lassen sich nach den Schilderungen der acht Akteure in drei großen Punkten zusammenfassen. Erstens: Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Zweitens: Manches ist in Pfaffenhofen schon ganz gut gelöst, hier und da besteht aber Verbesserungspotenzial. Drittens: An einigen Stellen ist es mit der Barrierefreiheit nicht so weit her. Die Touren der acht Protagonisten wurden übrigens von einem Team begleitet, das auch alles fotografisch dokumentiert hat. So sind die monierten Punkte nachvollziehbar – und die Zuhörer bekamen einen besseren Eindruck von den Erlebnissen.

Aus den Reihen der echten Rollstuhlfahrer kam im Rahmen der Diskussion noch der Hinweis, dass man in Pfaffenhofen mit dem Rollstuhl fast nirgends hinkomme, wenn man kulturell etwas erleben wolle. Außerdem wurde die Forderung nach einem Inklusionsbeirat laut – als Gremium, in dem nicht nur über Menschen mit Handicap geredet wird, sondern in dem auch Betroffene sitzen, die die Probleme tagtäglich hautnah erleben. 

Die Idee zu dem heutigen Rollentausch hatte übrigens Michael Hagn von der Volkshochschule Pfaffenhofen; umgesetzt wurde sie mit Unterstützung von Eva Sindram von „Pro Familia“ und Mirjam Friedl vom Heilpädagogischen Zentrum Pfaffenhofen (HPZ). Hagn war unterm Strich zufrieden, dass so viele Erkenntnisse gesammelt wurden, wie er gegenüber unserer Zeitung sagte. Allerdings sind für ihn zwei besonders gravierende Missstände zu Tage gekommen. Die Suche nach einer barrierefreien Toilette rund um den Hauptplatz erweise sich als katastrophal, so Hagn. Und zweitens sei er negativ überrascht davon, dass es keinen Behinderten-Eingang bei der hiesigen Polizei gebe.

Weiterer Artikel zum Thema:

Der alte Wolf – Bericht vom Aktionstag auf dem Rathausplatz


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