Diese Frage beschäftige das Gericht heute beim Geiselnehmerprozess über viele Stunden
(ty) „Irgendwann müssen wir ja mal anfangen.“ Das war die Erklärung von Richter Jochen Bösl an die Beteiligten, warum es heute keine Mittagspause gab im Geiselnehmerprozess, der heute eher ohnehin nur aus einer großen Pause bestand, die immer wieder von ein paar Sitzungsminuten unterbrochen wurde. In der Tat dauerte es am heutigen Verhandlungstag bis ein Uhr, bis Bösl endlich die Entscheidung des Gerichtes verlas, dass der Angeklagte Sebastian Q. verhandlungsfähig sei nach Auffassung des Gerichtes.
Der hatte nämlich am zweiten Tag des Prozesses nicht nur das Gericht für befangen erklärt, sondern zudem gefordert, das Verfahren müsse noch einmal von vorne beginnen, da er dem ersten Verhandlungstag nicht habe folgen können wegen einer akuten Gehirnerschütterung. Dass er Jochen Bösl zudem noch als „Arschoch“ tituliert hatte, mag mit ein Grund sein, warum der sich heute die Entscheidung um die Verhandlungsfähigkeit von Sebastian Q. besonders schwer machte.
Die Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen, das hätte der Angeklagte auch beinahe geschafft, hätte er sich heute nicht in der akuten Entscheidungsphase vorlaut zur Wort gemeldet, um dem Gericht mitzuteilen, dass er bei seinem Sturz in der JVA Kaisheim – die Ursache seiner „Gehirnerschütterung“ – zwar „jede Menge Sterne“ gesehen habe. Bewusstlos aber sei er nicht gewesen.
Das wiederum war der ausschlaggebende Punkt für den Sachverständigen Bela Serly. Denn eine Gehirnerschütterung ohne Bewusstlosigkeit sei medizinisch halt nicht möglich. Klingt nach einer schnellen Entscheidung. Doch das spielte sich leider erst ganz zum Schluss ab.
Zuvor stand, nachdem die Verhandlung wegen des noch nicht entschiedenen Befangenheitsantrages bereits eineinhalb Stunden zu spät begonnen hatte, ein Besuch beim Landgerichtsarzt Roman Steinkirchner an. Der attestierte Sebastian Q. zwar die Verhandlungsfähigkeit. Das Gutachten des Anstaltsarztes der JVA Kaisheim jedoch, wo der Sturz Tage vor Verhandlungsbeginn passiert war, nach dem Sebastian Q. nur noch Sterne gesehen und „gereihert hat wie sonst was“, verunsicherte das Gericht dann doch wieder. „Je mehr Informationen man hat, desto unklarer wird die Sache“, meinte denn auch der Gutachter Bela Serly. Es blieben einfach viele Fragen offen.
Bis zum dem Zeitpunkt hatte es beinahe so ausgesehen, als würde die Strafkammer des Landgerichtes doch die mangelnde Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten anerkennen und noch einmal ganz von vorne beginnen.
Den letzten Anstoß für die Entscheidung indes gab wie erwähnt dann der Angeklagte selbst, als er meinte, im Gegensatz zu den Schilderungen des Anstaltsarztes sei er nicht bewusstlos gewesen nach jenem Sturz. Die daraus resultierende Unmöglichkeit einer Gehirnerschütterung und sein eigenes durchaus interessiertes Verhalten an den beiden ersten Verhandlungstagen brachte das Gericht schließlich doch zu der Überzeugung, dass Sebastian Q. in vollem Umfang verhandlungsfähig war und ist, eine Widerholung der ersten Prozesstage also nicht in Betracht komme.
Eine wirklich schwere Geburt. Und eine, die im bisherigen Verlauf den Prozess bereits um eineinhalb Tage verzögert hat. Denn die Geiseln, die er im September vergangenen Jahres im Alten Rathaus von Ingolstadt genommen hatte, die sollten ja bereits am zweiten Tag aussagen, der dann aber abgebrochen worden war. Und auch einige der zeugen, die heute dran gewesen wäre, wurden unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt. Die Geiseln sollen jetzt erst um den 7. bis 9. Oktober aussagen. Das Urteil in dem Verfahren, dass für den 24. Oktober vorgesehen war, könnte sich aufgrund des neuen Zeitplanes durchaus auf November verschieben.