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Der Kreis Pfaffenhofen wird höchstwahrscheinlich noch weit mehr Asylbewerber aufzunehmen haben – und rüstet sich nach Kräften, wie heute im Kreistag thematisiert wurde. Ein Krisenstab spielt bereits mögliche Szenarien durch

Von Tobias Zell 

Was da heute auf den ersten Blick so unscheinbar unter Tagesordnungspunkt 8 („Bekanntgaben und Anfragen“) gegen Ende der Kreistags-Sitzung in Manching daherkam, wird wohl die größte soziale, humanitäre und logistische Herausforderung, die der Landkreis Pfaffenhofen in den nächsten Monaten zu bewältigen hat. Denn der Zustrom an Flüchtlingen reißt nicht ab – und damit auch die Zahl der Asylbewerber, die der Kreis aufzunehmen hat. Und wer glaubt, die Situation sei jetzt schon angespannt, der sah sich anhand der heute in dem Gremium vorgebrachten Informationen eines Besseren belehrt. „Es kann noch dramatischer werden“, sagte Landrat Martin Wolf (CSU) und berichtete von einzelnen bayerischen Landkreisen, die auf einen Schlag 100 zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen müssen. Das könnte auch auf den Kreis Pfaffenhofen zukommen, bestätigte Wolf nach der Sitzung gegenüber unserer Zeitung. Im Landratsamt wurde deshalb bereits ein Krisenstab eingerichtet. 

Dieser Krisenstab hat sich noch heute Abend getroffen. Denn es geht darum, die bestmöglichen Vorbereitungen zu treffen. Deshalb werde auch das Szenario konkret durchgespielt, das es zu bewältigen gibt, sollte der Landkreis tatsächlich 100 Flüchtlinge auf einmal aufnehmen müssen, so Wolf. Man rechne zwar damit, dass man dann zwei Tage vorher informiert werde. Doch zwei Tage sind freilich nicht viel in Anbetracht der Maßnahmen, die es zu ergreifen gilt, um so viele Flüchtlinge nicht nur erst einmal aufzunehmen, sondern unterzubringen. 

Aber auch, wenn nicht 100 Flüchtlinge auf einen Schlag kommen: Der Zustrom an Asylbewerbern wird mehr und mehr zur Herausforderung. Aktuell kommen wöchentlich zehn bis 20 Menschen in den Landkreis, berichtete Wolf. Bei der vom Landkreis angestrebten dezentralen Unterbringung könne man das „noch drei, vier Wochen durchhalten“. Danach helfen wohl nur noch Sammelunterkünfte. Die ehemaligen Soldaten-Unterkünfte in der Max-Immelmann-Kaserne bei Manching können ab 5. November genutzt werden, wie heute erklärt wurde. Dort sollen, wie berichtet, bis zu 500 dem Kreis Pfaffenhofen sowie der Stadt Ingolstadt zugewiesene Flüchtlinge einquartiert werden.

Der Krisenstab aber denkt schon mindestens einen Schritt weiter. Was tun, wenn noch weitere Flüchtlinge aufgenommen werden müssen? Das  Gremium, in dem auch Vertreter von Gesundheitsamt, BRK, Caritas und Feuerwehr sitzen, befasst sich laut Wolf nicht nur mit der Frage der Unterbringung – zum Beispiel in Turnhallen des Landkreises oder auf dem Gelände der ehemaligen Patriot-Stellung bei Geisenfeld. Denn: „Alternativen zeichnen sich heute nicht ab“, so Wolf. Man bereitet sich zudem bereits auf die Schritte vor, die möglicherweise unternommen werden müssen, wenn es neben der Schaffung von weiteren Gemeinschaftsunterkünften etwa um die Einrichtung eines Erstaufnahmelagers geht. Da gibt es viel zu organisieren. Und da braucht es freiwillige Helfer. Wolf weiß: „Personal wird auch schon knapp.“

Wie indes heute Abend in Ingolstadt verkündet wurde, wird auf der Schanz eine Erstaufnahme-Einrichtung aus dem Boden gestampft. Bis zu 250 Menschen, die mit nicht mehr ankommen werden, als den Kleidern, die sie am Körper tragen, sollen dort untergebracht, verpflegt medizinisch und sozial betreut werden.

Konkret ging es heute im Pfaffenhofener Kreistag auch um die Schulsituation, die für die jungen Flüchtlinge organisiert werden muss. Einen Überblick gab Vitus Schwärzer, der Chef des Schulamts. Er berichtete von aktuell 44 Kindern im Landkreis – wobei hier nicht unterschieden werde zwischen Asylsuchenden und Kindern mit Migrationshintergrund. Dabei, so Schwärzer, könne man auf Erfahrungen zurückgreifen. Denn auch ohne die aktuell verschärfte Flüchtlings-Situation kommen seinen Worten zufolge jährlich 20 bis 25 Kinder ohne Deutschkenntnisse in den Landkreis, die es zu integrieren und zu unterrichten gilt. Das Konzept sieht dabei – grob gesagt – so aus, dass die Grundschüler jeweils die Schule vor Ort besuchen, während die Mittelschüler in Pfaffenhofen, Reichertshofen oder Vohburg unterrichtet werden. Den drei genannten Schulen wurden dafür zusätzliche Lehrer-Stunden genehmigt.

Es gibt aber dennoch ein Problem. Die betroffenen Schüler können jeden Tag nur vier Schulstunden lang unterrichtet werden – für die Zeit danach, also von 11 bis 12.30 Uhr, stehe kein Kontingent an Lehrer- oder Betreuungsstunden mehr zur Verfügung. Weshalb die Buben und Mädchen also um 11 Uhr mit extra bestellten Bussen wieder zurückgefahren werden müssen. Was freilich nicht nur umständlich und aufwändig ist, sondern zusätzlich kostet. Denn nach 12.30 Uhr würden die Busse ja sowieso fahren.

Von der Notwendigkeit dieser zusätzlichen Busfahrten haben die Gemeinden, die diese zu bezahlen haben, „über Nacht erfahren“, wie der Manchinger Rathauschef Herbert Nerb (FW) sagte. Seiner Meinung nach wäre es besser, die Kinder von 11 bis 12.30 Uhr von Helfern der Caritas oder von Sozialpädagogen betreuen zu lassen und sie dann mit den regulären Buslinien nach Hause zu bringen. Sonst schaffe man „unsinnige Busfahrten“, die obendrein zusätzlich kosten. „Volle Unterstützung“ für diesen Vorschlag bekam Nerb von Schulamts-Chef Schwärzer. Und auch der Vohburger Bürgermeister-Kollege Martin Schmid (SPD) steht ausdrücklich hinter dieser Lösung. 

Landrat Wolf nahm das auf und versprach: „Wir organisieren an dieser Stelle Ehrenamt.“ ÖDP-Kreisrat Reinhard Haiplik, selbst Gymnasiallehrer, brachte einen Hinweis von Grünen-Kreischefin Kerstin Schnapp ins Spiel, den er auch selbst goutiert: Es gebe so viele Referendare, die trotz ihrer guten Noten vom Freistaat nicht eingestellt würden. Die könnten doch den Unterricht oder die Betreuung der Kinder übernehmen, bis der Bus kommt. Dieser Vorschlag sei bereits über den bayerischen Landkreistag eingebracht worden, wusste Wolf zu berichten.

Altlandrat Rudi Engelhard (CSU) wollte grundsätzlich angemerkt haben, dass Asylpolitik eigentlich Sache des Bundes sei. Und der müsse deshalb hier auch bezahlen. „Wir müssen unsere Partei-Oberen darauf hinweisen, dass das keine kommunale Aufgabe ist“, appellierte er an seine Kollegen. Daraufhin meldete sich der Kreisrat und Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) zu Wort und verwies auf die Worte von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): Am Geld solle es hier nicht scheitern und haushaltsrechtliche Fragen sollten den Lösungen nicht entgegenstehen. 

Entwarnung konnte aber auch Straub nicht geben, was den Zustrom der Asylbewerber angeht. „Es wird sich nächstes Jahr um gewaltige Zahlen handeln“, prophezeite er. Und der Landrat konnte da nur zustimmen: „Es steht uns noch einiges bevor.“ 

Gerade deshalb warb Josef Steinberger (AUL) für die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge – nur auf diesem Wege sieht er eine Lösung dieser Mammut-Aufgabe. „Da sind wir alle gefordert, ob wir das wollen oder nicht“, lautet sein Appell. Seine Rechnung: Jede Kommune müsste ein Prozent seiner Einwohnerzahl an Flüchtlingen aufnehmen. Das wären bei einer 2000-Einwohner-Gemeinde zum Beispiel 20. Sein Plädoyer richtete sich jedenfalls klar gegen Sammelunterkünfte. Ein Prozent, das wären auf den Landkreis gesehen, der 120 000 Einwohner zählt, 1200 Flüchtlinge, verdeutlichte Wolf. Zur Einordnung: Aktuell seien im Kreis 400 Flüchtlinge untergebracht.

„Schön, dass wir uns im Landkreis einig sind“, befand Grünen-Chefin Schnapp im Kreistags-Gremium. Jahrzehntelang sei in Bayern der Umgang mit Flüchtenden und Asylbewerbern auf Abschreckung ausgerichtet gewesen, erst im Juli vergangenen Jahres sei der umstrittenen Passus in der Asyldurchführungsverordnung, wonach die Art der Unterbringung von Asylsuchenden die „Rückkehrbereitschaft in die Heimatländer fördern“ sollte, gestrichen worden, verdeutlichte sie nach der Sitzung im Gespräch mit unserer Zeitung. „Um so mehr freut es mich, dass im Kreistag Pfaffenhofen 60 Menschen sitzen, die sich nicht erst seit einem Jahr einer Willkommenskultur verpflichtet fühlen.“ 

Solange die Verantwortung für Menschen, die vor Ort ankommen, auch vor Ort bleibe, ließen sich Lösungen finden, so Schnapp mit kritischem Verweis auf die Asylunterkunft in Neuburg. Zur Asylpolitik könne man die Arbeit des Landkreises Pfaffenhofen nur loben – ob mit Blick auf das bisher Geleistete oder den Versuch, mit Hilfe eines Krisenstabs auf alle Möglichkeiten vorbereitet zu sein. „Mehr Flüchtlinge bei uns aufzunehmen, wird auch weiterhin guten Willen, Mühe, professionelle Strukturen, ehrenamtliche Helfer und auch Geld kosten“, so Schnapp. Und natürlich werde es – wo eine Vielzahl Menschen verschiedener Nationalitäten sind – auch zu Problemen und Spannungen kommen. „Aber solange weiterhin daran arbeiten, Menschen würdig aufzunehmen, wird uns das gelingen.“ 

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